Ulrich Kemp, T-Systems: "Kleine Firmen scheuen die Mietlösung"

21.03.2006
Mit Ulrich Kemp, verantwortlich bei T-Systems für das Groß- und Mittelstandskundengeschäft (Business Services), sprach CW-Redakteur Joachim Hackmann.

CW: Die IT-Einnahmen Ihres Gesamtbereichs sind im Jahr 2005 mit 405 Millionen Euro gemessen am gesamten Jahresumsatz sehr gering. Woran liegt das?

KEMP: Wir sind in diesem Bereich erst vor einem Jahr gestartet. Für mein Empfinden ist der Start von Null auf über 400 Millionen Euro Einnahmen pro Jahr grandios. Das hat bislang noch kein anderes Unternehmen in Deutschland geschafft. Außerdem sieht unser Fahrplan vor, dass wir in zwei Jahren einen IT-Jahresumsatz von einer Milliarde Euro erreichen. Damit wären wir eines der größten Systemhäuser in Deutschland - und zwar allein der Geschäftsbereich Business Services, ohne den für die Konzerne und öffentliche Institutionen zuständigen Unternehmenszweig Enterprise Services.

CW: Welches Portfolio bieten Sie bei IT an?

Ulrich Kemp, Chef der Mittelstands-Organisation T-Systems Business Services.

KEMP: Die gesamte Palette des IT-Servicemarktes: Das beginnt mit klassischen Infrastrukturdiensten und reicht bis zu Managed-Desktop-Services, der Applikationsbetreuung sowie Business Process Outsourcing und Business-Consulting. Im IT-Bereich passen wir die Konzernkundenlösungen des Geschäftsbereiches Enterprise Services an die Anforderungen unserer mittelständischen Klientel an.

CW: Im Mittelstandsgeschäft ist insbesondere Branchen-Know-how gefragt. Bislang hat T-Systems mit TK-Diensten vornehmlich Commodity-Leistungen für die Kunden erbracht. Woher nehmen Sie das erforderliche Fachwissen?

KEMP: Wir haben uns das Know-how angeeignet und bauen es kontinuierlich aus. Natürlich sind TK-Leistungen mit der Zeit zu Commodity-Angeboten geworden, doch mit dem neuen IT-Portfolio stoßen wir in Segmente vor, die enormes Branchenwissen erfordern. Wir bauen uns sukzessive das nötige Fachwissen in allen Feldern auf, in denen wir aktiv werden wollen.

Unser Vorteil ist die große Flächenorganisation in Deutschland, über die kein anderer Anbieter verfügt. Welcher Dienstleister kann etwa in der deutschen Automobilbranche Lösungen von mittelständischen Zulieferern bis zu Herstellern wie Volkswagen und Daimler-Chrysler ausrollen?

CW: Wie sieht die Arbeitsteilung mit den Kollegen von Enterprise Services aus?

KEMP: Wir sind für die Enterprise-Services-Kollegen die TK-Factory, umgekehrt liefern sie uns die IT-Services, die wir unseren Mittelstandskunden bereitstellen. So werfen wir uns gegenseitig die Bälle zu.

CW: Hat das TK-Geschäft angesichts von VoIP überhaupt Zukunft?

KEMP: Das Geschäft ist schwierig und steht unter enormen Preisdruck. Unser Umsatz ist in den vergangenen Jahren stagniert. Wir konnten die durch den Preisverfall bedingten Einnahmenausfälle aber kompensieren, haben also Marktanteile hinzugewonnen. In den ersten zwei Monaten dieses Jahres ist das TK-Geschäft reell sogar gewachsen, ich hoffe, dass sich diese Entwicklung fortsetzt.

Wir verschließen uns keineswegs neuen Entwicklungen und besetzen Felder wie Voice over IP lieber selber, als dass wir sie dem Wettbewerb überlassen. Beispielsweise installieren und betreiben wir auch lokale Inhouse-Netze, das haben wir früher nicht gemacht.

CW: Mit den Einstieg in den VoIP-Markt hat T-Systems allerdings lange Zeit gezögert, um das Geschäft der T-Com nicht zu gefährden.

KEMP: T-Systems hat schon immer die Tech-nik geliefert, die der Markt verlangt. Wir betreiben schon seit Jahren die größte VoIP-Installation in Deutschland, in die rund 40.00 Arbeitsplätze eingebunden sind. Wir haben mit dem Dichtungshersteller Burgermann einen der größten europäischen VoIP-Deals gewonnen. Das Geschäft erstreckt sich auf 78 Standorte in Europa, Asien sowie Nord- und Südamerika. Wir scheuen nicht vor VoIP zurück.

CW: Wird VoIP die klassischen TK-Dienste ablösen?

KEMP: Irgendwann vielleicht, aber sicher nicht von heute auf morgen. Im gleichen Maße, wie wir in diesem Umfeld Umsatz verlieren, werden wir in anderen Bereichen neue Dienste aufbauen. Die Telekom hat einen großen Vorteil: Sie kann die Vorteile des Festnetzes mit denen der mobilen Infrastruktur verknüpfen.

CW: Gibt es im Mittelstand Interesse an mobilen Datendiensten?

KEMP: Ja. Zum 1. Juli werden wir den Vertrieb für T-Mobile im Geschäftskundensegment übernehmen.

CW: Wechseln Mitarbeiter in Ihren Geschäftsbereich?

KEMP: Ja zum Teil. Konzernintern werden wir dafür etwa 250 Positionen bei uns bündeln.

CW: Wir hoch wird das zusätzliche Geschäftsvolumen sein?

KEMP: Der Bereich Business Services bei T-Systems wird nur die Vertragsbeziehung verantworten, den Umsatz führt weiterhin T-Mobile in den Büchern. Die Leistungen von T-Com verkaufen wir auch als Reseller, können diese Einnahmen also auf unserer Seite verbuchen. Für T-Mobile sind wir zunächst nur die Verkaufs- und Vertriebsorganisation. Im nächsten Schritt sehe ich uns auf dem Weg zum Reseller auch für T-Mobile-Angebote. In der Vergangenheit wurden bei den Geschäftskunden Vertriebsmitarbeiter der T-Com, T-Mobile und T-Systems vorstellig. Künftig liefert T-Systems alles aus einer Hand. Das Signal ist also eindeutig: T-Systems ist die Geschäftskundenorganisation der Deutschen Telekom.

CW: T-Systems vertreibt seit etwa einem Jahr Siebels On-Demand-Suite. Warum hört man so wenig von dem Angebot?

KEMP: Die Lösung ist eigentlich für kleine Organisationen vorgesehen, wird von ihnen aber noch nicht so angenommen wie geplant. Stattdessen interessieren sich große Unternehmen dafür. Das ist vielfach eine Mentalitätsfrage: Wir sprechen oft mit den Inhabern der kleinen Firmen, und sie scheuen die Mietlösung und bevorzugen den Besitz. Dort werden wir manchmal mit der Frage konfrontiert: Warum sollte ich mein Geld in IT Investieren, wo ich mir für die gleiche Summe auch eine Yacht leisten könnte?

CW: Mit dem Mietmodell ginge doch beides: IT-Leistungen beziehen und Segelyacht kaufen.

KEMP: Wir schlagen das Mietmodell immer wieder vor. Oft stehen keine sachlichen Kriterien hinter den Entscheidungen. Finanzstarke Mittelständler interessiert das Mietmodell noch nicht. Nur solche Kunden, die ihr Geld in Geschäftswachstum investieren wollen, zeigen Interesse.

CW: Wie viele Kunden betreut die Geschäftseinheit Business Services?

KEMP: Unser Kundenpotenzial beläuft sich auf rund 160.000 Unternehmen, mit 85 Prozent dieser Organisationen unterhalten wir aktuell in irgendeiner Form Vertragsbeziehungen, sei es, dass wir Telefonleitungen, Online-Zugang, Mobilfunkdienste oder Datennetze betreiben. Die restlichen 15 Prozent waren zu irgendeinem Zeitpunkt einmal unsere Kunden, wir zählen sie auch nach wie vor zum Kundenstamm. Unsere Mitarbeiter pflegen weiterhin den Kontakt, auch wenn wir derzeit keine offizielle Geschäftsbeziehung unterhalten. Unser Ziel ist es, sie als Kunden zurück zu gewinnen. Im vergangenen Jahr ist es uns bereits bei 8000 Unternehmen gelungen.

CW: Wie stark ist der Bereich Business Services vom angekündigten Stellenabbau betroffen?

KEMP: Bei uns entfallen bis zum Jahr 2007 etwa 450 Stellen. Bei knapp 15.000 Mitarbeitern und einer üblichen Fluktuation von drei Prozent hoffe ich, Entlassungen vermeiden zu können.

CW: Welchen Stellenwert hat Expansion ins Ausland für Business Services?

KEMP: Mein internationaler Anspruch hat zwei Dimensionen. Zum einen möchte ich, dass T-Systems die deutschen Kunden von Business Services mit ausländischen Niederlassungen - und davon gibt es auch im Mittelstand unglaublich viele - vor Ort gut mit IT betreut. Das geschieht in Zusammenarbeit mit den Kollegen von Enterprise Services. Zum anderen ist Business Services auch im Ausland interner Lieferant von TK-Service für die multinationalen Kunden von Enterprise Services. Formal ist das Auslandsgeschäft im Geschäftsbereich Enterprise Services aufgehängt. Das ist auch vernünftig so, denn wir benötigen intern nicht mehrere Berichtslinien für dieses Thema.

CW: Wollen Sie auch im Ausland aktive Kunden akquirieren?

KEMP: Der Geschäftsbereich Business Services nicht, T-Systems insgesamt schon, wenn es passt.