Interview mit Moritz Freiherr Knigge

Über den Umgang mit Mitarbeitern und Chefs

26.02.2012 von Karen Funk
Konflikte sind Zeitfresser, so Moritz Freiherr Knigge, und kosten Unternehmen jährlich Millionen. Eine wertschätzende Kommunikation und die richtige Haltung könnten Missverständnisse vermeiden, sagt er im Gespräch mit CW-Redakteurin Karen Funk.

CW: Herr Knigge, wie halten Sie es mit der Etikette?

Knigge: Mir geht es genauso viel oder wenig um Etikette wie meinem berühmten Vorfahren Adolf Freiherr Knigge. Der hat übrigens nicht "Über den Umgang mit Messer und Gabel", sondern "Über den Umgang mit Menschen" geschrieben. Für mich ist Etikette nur ein Bestandteil von Kommunikation.

CW: Dennoch heißt ein Vortragsthema auf Ihrer Homepage "Menschen mit Manieren öffnen sich viele Türen".

Knigge: Menschen mit Manieren sind Menschen, die sich auf verschiedene Situationen einstellen können. Ich habe kein Problem mit Etikette. Viele meinen, es geht darum, den Leuten Regeln beizubringen. Ich meine, es geht darum, den Leuten eine Haltung beizubringen. Einem aufmerksamen, respektvollen Mensch erschließt sich von selbst, was im jeweiligen Umfeld angemessen ist.

knigge
„Vieles wird heute abgefrühstückt mit Kursen für Etikette …
… dabei sollten die Leute einmal lernen, höflich miteinander umzugehen, statt mit Messer und Gabel zu essen.“
Adolph Freiherr Knigge sagt zur Etikette, …
… dass er die steife Etikette als etwas Unmenschliches ablehnt. Sein Buch „Über den Umgang mit Menschen“ ist etwa 450 Seiten lang und er hat nur einen langen Satz über Etiketteregeln geschrieben. Der ist allerdings über zwei Seiten lang. Darin listet er einfach gängige Verhaltensregeln auf. Er schließt den Satz mit der Bemerkung ab: „Dies sind nur die kleinen Dinge der Welt, aber jeder Mensch soll sich bewusst darüber sein, dass die persönliche zeitliche Wohlfahrt immer wieder von Menschen abhänget, denen diese kleinen Dinge sehr wichtig sind. Von daher wäre es dumm, sie einfach zu missachten.“
„Versuchen Sie, ein angenehmer Mensch zu sein.“
… rät Moritz Freiherr Knigge: „Denn die Basis für Wertschätzung ist Umgänglichkeit.“ Die Hauptpfeiler für eine wertschätzende Haltung sind nach Knigge …
… Offenheit:
Er sagt: „Interessieren Sie sich für andere, treten Sie ihnen mit Respekt entgegen. Auch eine Klofrau verdient einen Blick, eine Begrüßung, einen Dank. Haben Sie keine Dünkel.“
… und Maß:
„Der wertschätzende Mensch ist maßvoll, sich seiner selbst bewusst, ohne in sich selbst verliebt zu sein. Sehen Sie die Dinge nicht schwarz-weiß, sondern suchen Sie die goldene Mitte und handeln Sie angemessen. Ungelassenheit etwa ist der Feind der Höflichkeit, das ist unprofessionell. Fangen Sie an, Ihre Emotionen zu kontrollieren. Denn im Stress kommt er wieder heraus, der Höhlenmensch.“
… und beherztes Handeln:
„Wenn etwas schief läuft, müssen Sie es sagen. Ruhig und freundlich.“
… und Souveränität:
„Starke Menschen stehen zu ihren Fehlern. Rechtfertigen ist unsouverän. Entschuldigen Sie sich, wenn Sie Fehler gemacht haben. Menschen können verzeihen. Manager, die zu ihren Fehlern stehen, sind souveräne Menschen.“
„Machen Sie sich Dinge bewusster und …
… Don’t argue with reality. Die Ampel wird nicht rot, nur weil Sie gerade da sind.“
Das hat Vorteile für das Unternehmen:
„Wenn die Kultur des Unternehmens gut ist, arbeiten die Mitarbeiter besser. Generell setzen Chefs das Klima und beeinflussen die Unternehmenskultur. Nicht umsonst sagt man, ‚Wie der Herr, so des Gscherr‘.“

CW: Zum Thema Kommunikation geben Sie Workshops für Unternehmen. Was bringen Sie den Teilnehmern bei?

Knigge: In den Workshops geht es in erster Linie um die Kommunikationskultur in Unternehmen. Wie gehen Menschen miteinander um, wie kommunizieren sie tagtäglich miteinander, wie reden sie miteinander, welche Sprache, welche Wörter benutzen sie? In diesen Workshops wollen wir den wir Menschen Kommunikation bewusst machen. Unsere Grundidee ist, wenn Menschen anfangen, bewusst zu kommunizieren, kommunizieren sie sofort besser, denn sie achten auf einmal darauf, was sie eigentlich sagen.

CW: Was unterscheidet Sie von anderen Kommunikationstrainern?

Knigge: Wir versuchen, den Teilnehmern die Kommunikation über Kommunikation beizubringen. Das Reden über das Reden, "talk the talk", Metakommunikation. So können Betroffene auch Missstände ansprechen, wie etwa: "So, wie Sie jetzt mit mir geredet haben, habe ich mich angegriffen gefühlt." Das ist die einzige Möglichkeit, Missverständnisse zu lösen.

CW: Es geht also vor allem um Wahrnehmung?

Knigge: Wahrnehmung ist extrem wichtig. Deshalb nennen wir uns auch Agentur für wertschätzende Konstruktion und Kommunikation. Wir gehen davon aus, dass die Wahrnehmung des Einzelnen die Art der Kommunikation maßgeblich beeinflusst.

CW: Inwiefern?

Knigge: So, wie man jemanden wahrnimmt, so reagiert derjenige auch. Das heißt, wenn ich mich beispielsweise von Ihnen angegriffen fühle, schlage ich zurück oder stecke den Kopf in den Sand. Das ist ein Grund dafür, warum sich Firmen immer mehr für dieses Thema interessieren, weil sie es sich nicht leisten können, dass ihre Leute gehen. Und die High Potentials, die jeder haben will, sind die ersten, die kündigen, wenn die Kommunikationskultur nicht stimmt. Die anderen, die kündigen nicht, die sitzen es aus, die resignieren. Und das ist teuer. Ganz zu schweigen von den Reibungsverlusten, die tagtäglich durch schlechte Kommunikation hervorgerufen werden.

CW: Eine wertschätzende Kommunikation fußt also auf wertschätzender Wahrnehmung, die wiederum auf dem eigenen Selbstverständnis aufsetzt.

Knigge: Es geht nur ums Selbstverständnis. Ich kann nur aus dem eigenen Selbstverständnis heraus wertschätzend kommunizieren. Das ist auch der Fehler, den viele Menschen machen: Viele zeigen mit dem Finger auf die anderen. Jeder, der an Kommunikation beteiligt ist, hat die Möglichkeit, diese in positive Bahnen zu lenken. Und jeder der Beteiligten hat Schuld, wenn es schief läuft. Nicht nur einer.

Wenn einer nicht mit Messer und Gabel essen kann

CW: Kann man Menschen eine positive Haltung in einem Workshop beibringen?

Knigge: Beibringen nicht, aber ich kann versuchen, jemandem die Idee näher zu bringen, ihn zu überzeugen. Es geht darum, dranzubleiben und besser zu werden. Das vermitteln wir anhand von Beispielen oder Analysen von Situationen, die die Teilnehmer erlebt haben.

CW: Haben Menschen mit der richtigen Haltung Vorteile im Job?

Knigge: Es geht darum, wie reagieren Menschen in einer Drucksituation im Gespräch, können sie sich auch außerhalb von ihrem Job unterhalten und eine angenehme Atmosphäre schaffen. Wer kann schon einen Key Accounter gebrauchen, der nicht mit einem Kunden essen gehen und eine gute Atmosphäre schaffen kann? Verkauf läuft immer über die Person. Es ist so wichtig, wie Menschen aufeinander wirken. Mag man sich, respektiert man sich.

CW: Und wenn einer nicht mit Messer und Gabel essen kann?

Knigge: Tischmanieren bringe ich ihm in zehn Minuten bei. Aber jemandem beizubringen, angenehm, sympathisch und unterhaltsam zu sein, das ist schwierig.

CW: Was machen Sie, wenn sich ein anderer schlecht benimmt? Reagieren Sie da?

Knigge: Ja, natürlich. Ich weise freundlich darauf hin. Ich finde es zum Beispiel schrecklich, wenn Erwachsene über eine rote Fußgängerampel gehen, wenn da Kinder stehen. Ich spreche Sie dann an: "Entschuldigen Sie, haben Sie die Kinder nicht gesehen?" Wenn man freundlich auf Missstände hinweist, reagieren die Leute meist auch freundlich. Die meisten Menschen machen Dinge ja auch nicht absichtlich, sondern sie haben einfach nicht darüber nachgedacht. Das ist meine These, meine Konstruktion. Und ich spreche Missstände an, um etwas zu erreichen. Diejenigen, die einen anbrüllen, wollen nur meckern und gar nichts ändern.

Moritz Freiherr Knigge

Der gelernte Verlagskaufmann und Betriebswirt wuchs auf dem Rittergut Bredenbeck bei Hannover auf, wo auch sein berühmter Vorfahre Adolph Freiherr Knigge im 18. Jahrhundert lebte. Motiviert vom Hauptwerk seines Vorfahren, "Über den Umgang mit Menschen", gründete er 2002 die Freiherr Knigge oHG als Agentur für wertschätzende Konstruktion & Kommunikation. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Michael Schellberg hat Knigge die Kommunikationsstrategien seines Vorfahren weiterentwickelt und unterstützt Unternehmen darin, zwischenmenschliche Reibungs- und die daraus resultierenden Leistungsverluste zu minimieren, sei es als Autor, Coach, Workshopleiter oder Redner. www.freiherr-knigge.de

Was tun, wenn man angebrüllt wird?

CW: Und wenn man angebrüllt wird? Was kann man da machen?

Knigge: Das kommt auf die Art und Weise an. Vielleicht so: "Entschuldigen Sie, ich sehe ja, was Sie möchten, aber vielleicht sollten Sie Ihren Ton ändern." Bei solchen Situationen sollten Sie lächeln und besonders ruhig bleiben. Das macht die Menschen meist noch wütender, aber es macht mehr Spaß. Es würde unserer Gesellschaft im Übrigen gut tun, wenn sich mehr Menschen einmischen würden. Sich freundlich einmischen. Sich verantwortlich fühlen auch für das Umfeld. Das fände ich wichtig.

CW: Wie wichtig ist Gelassenheit?

Knigge: Gelassenheit ist eine Säule der Höflichkeit. Wenn Sie nicht mehr gelassen sind, machen Sie die größten Fehler in der Kommunikation. Sie können nicht höflich sein, wenn Sie nicht gelassen sind, weil Sie sich nur noch um sich selbst drehen und zu starke Emotionen empfinden. In den meisten Fällen, stellen Emotionen einen Distanzbruch zwischen Menschen dar. Menschen fühlen sich dann schnell schlecht behandelt.

So werden Sie ein angenehmer Mensch

Moritz Freiherr Knigge nennt vier Säulen für wertschätzendes Verhalten:

  • Offenheit: Interessieren Sie sich für andere, treten Sie ihnen mit Respekt entgegen. Auch eine Klofrau verdient einen Blick, eine Begrüßung, einen Dank. Haben Sie keine Dünkel.

  • Maß: Der wertschätzende Mensch ist maßvoll, sich seiner selbst bewusst, ohne in sich selbst verliebt zu sein. Sehen Sie die Dinge nicht schwarz-weiß, sondern suchen Sie die goldene Mitte und handeln Sie angemessen. Ungelassenheit etwa ist der Feind der Höflichkeit, das ist unprofessionell. Fangen Sie an, Ihre Emotionen zu kontrollieren. Beherztes Handeln: Wenn etwas schief läuft, müssen Sie es sagen. Ruhig und freundlich.

  • Beherztes Handeln: "Wenn etwas schief läuft, müssen Sie es sagen. Ruhig und freundlich."

  • Souveränität: Starke Menschen stehen zu ihren Fehlern. Entschuldigen Sie sich, wenn Sie Fehler gemacht haben. Menschen können verzeihen. Manager, die zu ihren Fehlern stehen, sind souveräne Menschen.

Generell rät Knigge: "Machen Sie sich Dinge bewusster. Don’t argue with reality. Die Ampel wird nicht rot, nur weil Sie gerade da sind."

Kann man wertschätzend kündigen?

CW: Positive Nachrichten wertschätzend zu vermitteln fällt naturbedingt leichter, aber was ist mit negativen Botschaften wie im Extremfall Kündigungen? Kann man die überhaupt wertschätzend vermitteln?

Knigge: Dafür gibt es kein Patentrezept. Ich fordere von Leuten, die in die Situation kommen, jemanden kündigen zu müssen, sich bewusst darüber zu sein, dass es eine sehr harte Situation für den anderen ist. Es geht immer darum, in welcher Lage befinden sich die Beteiligten gerade. Sie sollten sich respektvoll dem anderen gegenüber verhalten und ihm wertschätzend gegenüber treten.

CW: Wie geht das?

Knigge: Wie sie es tun, kann sehr unterschiedlich sein, weil es sehr stark darauf abgestimmt sein muss, wer da eigentlich vor einem sitzt. Welche Person trifft es und warum? Ist es ein massives Fehlverhalten oder ist es eine Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen? Das ist ein großer qualitativer Unterschied. Der Chef sollte sich fragen, in welchem Verhältnis er zu dieser Person steht, ist sie ein langjähriges Mitglied seines Teams oder jemand, den er eigentlich kaum kennt? Das alles beeinflusst das Verhalten desjenigen, der kündigt.

Tipps für die Kündigung
Tipps für Kündigung und Trennung
Wenn Mitarbeiter entlassen werden müssen, sollte dies möglichst schmerzfrei erfolgen. Frank Adensam sagt, wie Sie dabei vorgehen sollten.
Sorgfältig vorbereiten
Das setzt eine sorgfältige Vorbereitung voraus. Diese gelingt Unternehmen am besten, wenn sie, sobald feststeht, dass Mitarbeiter entlassen werden müssen, ein Drehbuch für den Kündigungs- und Trennungsprozess schreiben.
Ruhig und sachlich bleiben
In der Regel sollte der unmittelbare Vorgesetzte die betroffenen Mitarbeiter über ihre Kündigung informieren - selbst wenn diese von der Personalabteilung versandt wird. Auf dieses Gespräch muss er sich vorbereiten. Unter anderem, indem er sich im Vorfeld fragt: Teile ich in dem Gespräch dem Mitarbeiter nur die Kündigung mit und setze ich mich mit ihm anschließend nochmals zusammen, um zu vereinbaren, wie die Trennung gestaltet wird?
Nicht um den heißen Brei reden
Oft wollen Führungskräfte das Kündigungsgespräch möglichst schnell hinter sich bringen. Die Folge: Sie stoßen den Mitarbeiter vor den Kopf, indem sie ihm unvermittelt die Nachricht "Sie sind entlassen" entgegenschleudern. Zuweilen scheuen sie sich aber auch, die unangenehme Botschaft auszusprechen und reden um den heißen Brei herum. Beides ist unangebracht.
Emotionen akzeptieren
Auf diese Nachricht reagieren Mitarbeiter unterschiedlich - manche geschockt, manche gelassen, manche wütend. Lassen Sie zu, dass Ihr Mitarbeiter Emotionen zeigt. Äußern Sie hierfür Verständnis. Und geben Sie ihm ausreichend Zeit, die Fassung wiederzugewinnen. Gelingt ihm dies nicht, sollten Sie das Regeln der Trennungsmodalitäten vertagen - zum Beispiel, indem Sie vorschlagen: "Herr/Frau Müller, sicher müssen Sie den Schock erst verdauen. Was halten Sie davon, wenn wir uns übermorgen nochmals zusammensetzen und darüber reden ..."
"Sie haben doch gesagt, ..."
Ein Vorwurf, mit dem Führungskräfte bei Kündigungen oft konfrontiert werden, ist: "Aber vor einem Monat planten Sie mit mir doch noch ..." Oder: "Bei der Weihnachtsfeier sagten Sie, unsere Arbeitsplätze seien sicher." Dann sollten Sie zu Ihren Worten und Taten stehen. Bedauern Sie Ihren Irrtum. Sagen Sie, dass Sie zum damaligen Zeitpunkt die Situation anders einschätzten, diese sich aber in der Zwischenzeit aufgrund der Faktoren A, B, C geändert hat.
"Warum gerade ich?"
Dessen ungeachtet werden die zu kündigenden Mitarbeiter stets fragen: Warum gerade ich? Geben Sie dem Mitarbeiter eine inhaltlich verständliche Erklärung. Auf keinen Fall sollten Sie sich aber auf eine Diskussion über die Auswahlkriterien einlassen. Denn wer die Gründe für die Kündigung diskutiert, diskutiert die Kündigung selbst.
Kündigung begründen, ohne zu kränken
Entlässt ein Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern betriebsbedingt eine größere Zahl von Mitarbeitern, dann muss deren Auswahl meist gemäß den gesetzlichen Vorgaben anhand von Kriterien wie Alter, Familienstand und Dauer der Betriebszugehörigkeit erfolgen. Auch dann ist das Begründen vergleichsweise einfach, denn die Auswahl basiert auf objektiven Kriterien. Deshalb kann der Mitarbeiter eine solche Auswahl leichter akzeptieren als eine personenbezogene.
Die Zeit bis zum Ausscheiden regeln
Ist die Kündigung ausgesprochen und begründet, geht es darum, die Zeit zwischen der Kündigung und dem Austritt aus dem Unternehmen zu regeln. Hierfür können Sie einen separaten Termin vereinbaren. Im Trennungsgespräch selbst sollten Sie Ihrem Mitarbeiter einen Weg aufzeigen, wie der Trennungsprozess gestaltet werden kann. Außerdem sollten Sie ihm Hilfe beim Suchen einer neuen Stelle anbieten.
Den Blick wieder in Richtung Zukunft wenden
Oft ist eine bezahlte Freistellung bis zum Ausscheidetermin für beide Parteien die sinnvollste Lösung. Für die Gekündigten hat dies den Vorteil: Sie können sich voll auf das Entwickeln einer neuen Perspektive konzentrieren.

CW: Man sollte sich in den anderen hineinzufühlen?

Knigge: Ja, mit dem ganz klaren Bewusstsein, dass das ja nur begrenzt geht. Und ehrlich agieren.

CW: Was ist Ehrlichkeit?

Knigge: Was Sie als Ehrlichkeit nehmen, ist das, was Sie für wahr halten. Was Sie für wahr halten, muss ich aber noch lange nicht für wahr halten. Und da fängt es an, schwierig zu werden. Es gibt einen schönen Satz von Gracian: "Lüge nie, aber lerne die Kunst der Wahrheit." Das ist schon fast wieder konstruktivistisch: In welcher Situation sind wir hier, wie kann ich dem anderen etwas sagen, was will ich überhaupt? Es ist wichtig, auch die eigenen Bedürfnisse zu überprüfen: Wo will ich hin? Und dabei die Menschen immer mit Respekt behandeln. Menschen als Beiwerk zu sehen oder über Leichen zu gehen, das ist für mich nicht legitim. Niemals. Ohne Ausnahme.

Wenn Chefs Mitarbeiter schlecht behandeln

CW: Kann man denn als Angestellter etwas tun, wenn der Chef einen herablassend behandelt?

Knigge: Sagen Sie ihm, dass Sie nicht herablassend behandelt werden wollen. Seien Sie direkt, aber senden Sie die Botschaft vorsichtig. Sagen Sie nicht: "Sie behandeln mich wie den letzten Dreck", sondern "Ich fühle mich von Ihnen schlecht behandelt. Wollen Sie das, wollen Sie mich angreifen?" Was soll denn passieren? Das schlimmste, das passieren kann, ist, dass Ihr Chef sagt: "Ja, das stimmt." In 99 Prozent der Fälle reagiert der andere aber so: "Um Gottes Willen, das ist ein Missverständnis, das wollte ich nicht. Lassen Sie uns noch einmal drüber reden."

CW: Viele trauen sich aber nicht, ihrem Chef direkt die Meinung zu sagen.

Knigge: Das ist ein ganz großes Problem in der Kommunikation. Viele Führungskräfte sagen zwar zu ihren Mitarbeitern: "Kommen Sie zu mir und reden Sie offen." Aber es wird ihnen nicht geglaubt. Ein Chef muss erst beweisen, dass er Offenheit aushalten kann. Wer das schafft, glaubhaft zu vermitteln, der wirkt souverän. Und souveräne Menschen, sind fast immer Menschen, mit denen man sich gerne umgibt und für die man gerne arbeitet. Es wäre schön, wenn es mehr solche Führungskräfte gäbe.

CW: Wie bringen Sie denn Chefs, die einen härteren Ton am Leibe führen, wertschätzende Kommunikation bei?

Knigge: Die kommen gar nicht zu mir. Die sagen zwar, wertschätzende Kommunikation hört sich gut an und das brauchen unsere Leute, aber sie machen nicht mit. Das ist schade.

CW: Gibt es einen Unternehmer, von dem Sie sagen würden, er kann wertschätzend kommunizieren?

Knigge: Götz Werner, Gründer und Geschäftsführer von dm, ist richtig gut. Seine Haltung strahlt auf den Betriebsklima ab, bis in die kleinste Filiale. Das merken Sie sofort, wenn Sie zuerst zu Schlecker gehen und dann zu dm. Auch Google scheint eine gute Führung zu haben. Dort herrscht ein sehr ansprechendes, offenes Klima. Das zeigt sich an der Art und Weise, wie Mitarbeiter dort Fragen an die Führungskräfte stellen.

Angstfrei im Job: Chefs
1. Behandeln Sie Ihre Mitarbeiter ...
... freundlich - unabhängig von der Tagesform.
2. Respektieren Sie Ihre Mitarbeiter ...
... als Menschen mit eigenen Zielen und Wünschen, die Beruf und Privatleben in Einklang bringen müssen.
3. Kontrollieren Sie nur da, wo Kontrolle nötig ist.
Lassen Sie Verantwortung und Kompetenz beim Mitarbeiter.
4. "Deckeln" Sie Ihre Mitarbeiter nicht!
Seien Sie offen für konstruktive Kritik und schaffen Sie ein Forum für den fairen Meinungsaustausch.
5. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter wissen, woran sie sind.
Informieren Sie offen über die Lage des Unternehmens und im Einzelgespräch auch, wie Sie die Leistung des Einzelnen einschätzen.
6. Ein guter Chef ist ein gerechter Chef.
Verteilen Sie Aufgaben, Lob und Kritik gemäß nachvollziehbarer Maßstäbe.
7. Führen Sie Protokoll ...
... über Ihre Entscheidungen und Arbeitsaufträge. Nur konsistente Entscheidungen schaffen eine gute Grundlage für die Zusammenarbeit.
8. Stören Sie Ihre Mitarbeiter nicht!
Sie haben Ihre Mitarbeiter ausgewählt, weil diese Experten für ihren jeweiligen Aufgabenbereich sind. Lassen Sie die Experten ihre Arbeit tun und beschränken Sie sich auf Unterstützung und Beratung.
9. Sorgen Sie für eine angstfreie Atmosphäre, . . .
... in der die Mitarbeiter Fehler und Probleme eingestehen können, ohne Angst vor Strafe zu haben.
10. Bleiben Sie menschlich!
Wer als Chef die Größe hat, einen beruflichen Fehler zuzugeben, wächst in der Achtung der Mitarbeiter und ist zugleich Vorbild.

CW: Wie sollen Führungskräfte diesen Spagat schaffen - einerseits stehen sie unter Druck, andererseits sollen sie ohne Druck kommunizieren?

Knigge: Da müssen Führungskräfte durch. Sie haben auch selbst etwas davon, denn es senkt die Reibungsverluste, den Ärger und baut Druck ab. Konflikte sind Zeitfresser, sind unwirtschaftlich und hinterlassen Wunden. Es kann nicht im Sinne eines Unternehmers sein, wenn er in seinem Unternehmen viele Konflikte hat. Man geht übrigens davon aus, dass in Deutschland jeder vierte Angestellte so schlecht motiviert ist, dass er bewusst destruktiv im Job handelt. Weil er frustriert ist, lässt er irgendeine Arbeit liegen, klaut, meldet sich krank oder redet schlecht über das Unternehmen.

Wie schreibt man E-Mails?

CW: Im Geschäftsleben kommunizieren viele oft nur noch über E-Mails. Was gibt es hier zu beachten?

Knigge: Ich bin sehr konservativ in dem Bereich, wie man E-Mails schreiben soll. Ich bin auch der Meinung, dass wir wieder weg müssen von der täglichen schnellen E-Mail und hin zur verbalen Kommunikation.

CW: Warum?

Knigge: In dieser speziellen Kommunikationsart sehe ich eine ganz große Gefahr, gerade wenn es um Konflikte geht. Wenn Sie versuchen, einen Konflikt per E-Mail zu lösen, haben Sie keinen Zugriff mehr auf die Situation, sobald Sie die E-Mail weggeschickt haben. Sie überlassen dem Empfänger die komplette Deutungshoheit. In einem Gespräch - am besten persönlich haben Sie immer die Möglichkeit einzugreifen, nachzuhaken, Dinge noch einmal neu zu benennen und zu reagieren. Das geht bei schriftlicher Kommunikation nicht.

CW: Und wenn es doch eine E-Mail sein muss?

Knigge: Dann halten Sie sich an eine gewisse Form, verwenden Sie eine kleine Begrüßung, beachten Sie die Rechtschreibregeln. Mehr ist es doch gar nicht.

E-Mail-Etikette
E-Mail-Netiquette
Als das Internet beziehungsweise die E-Mail-Kommunikation laufen lernte, gehörte es zum guten Ton, einige Benimmregeln zu beachten. Diese sind im Lauf der Jahre ein wenig aus der Mode gekommen. Im Internet gibt es aber nach wie vor unzählige Verhaltensempfehlungen. Hier ist eine Auswahl.
1) Freundliche Anrede und Grußformel
Eine allgemein gültige Formel gibt es nicht, übliche Anreden in der Geschäftskommunikation sind heute "Hallo Herr XX" oder "Sehr geehrte Frau YY". Wichtig sind eine freundliche und respektvolle Anrede zu Beginn der Kommunikation und eine ebenso gestaltete Grußformel zum Abschluss.
2) Signatur und Footer
Hier stehen vollständiger Name samt Titel sowie sämtliche Kontaktdaten. Geschäftliche Korrespondenz benötigt zudem laut Gesetz formelle Angaben, etwa zu Geschäftsleitung oder Handelsniederlassung.
3) Betreffzeile
Sie sollte den Anlass der E-Mail knapp und verständlich darstellen, so dass der Empfänger sogleich die Relevanz der Nachricht einschätzen kann. Als dringend gekennzeichnete E-Mails müssen wirklich dringend sein.
4) Verteiler
Die cc-Funktion ist nützlich, um weitere Kommunikationspartner über aktuelle Entwicklungen in Kenntnis zu setzen, sollte aber immer zurückhaltend genutzt werden.
5) Antwort
Gehen Sie sparsam mit der Funktion "Antwort an alle" um.
6) Schreibweise
Hier gelten die üblichen Rechtschreibregeln. Viele Schreibfehler signalisieren Nachlässigkeit. Textpassagen in Großbuchstaben wirken aufdringlich. Durchgängig Kleingeschriebenes gilt als Hinweis auf eine geringe Wertschätzung des Adressaten.
7) Länge der E-Mail
Gute E-Mails sind kurz gehalten. Die gesamte Kommunikationshistorie hängt nur an, wenn sie notwendig ist. Ganz bestimmt sollten Mails keine alten Diskussionen enthalten, die nichts mit dem aktuellen Thema zu tun haben.
8) Format
Bunte E-Mails sind in der geschäftlichen Kommunikation überflüssig. Im Zweifel wird nur Text ohne HTML-Code verschickt. Emoticons sollten der privaten Korrespondenz vorbehalten sein. Längere Textpassagen mit Absätzen gliedern.
9) Anhänge
Die Zeiten knapper Speicherressourcen und schlechter Verbindungen sind passé. Anhänge mit mehreren Gigabyte Volumen sollten dennoch die Ausnahme sein. Auch die Zahl der Anhänge sollte im niedrigen einstelligen Bereich bleiben.
10) Kettenbriefe
An die geschäftliche E-Mail-Adresse zugestellte Kettenbriefe wandern in den Mülleimer.

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