Trotz Web-2.0-Euphorie: openBC-Börsengang bleibt vorerst Ausnahme

05.12.2006
Die Euphorie um das Web 2.0 ist unbestritten, und doch wird der Börsengang des Internet-Portals Open Business Club (openBC) zunächst die Ausnahme bleiben.

Kenner der rasant wachsenden Branche um die von Nutzern gestalteten Internet-Plattformen - etwa Enzyklopädien, Video- oder Foto-Onlinealben - sehen zurzeit keine weiteren Börsen-Kandidaten. Wahrscheinlicher seien Übernahmen oder Investoreneinstiege.

Dabei klingen die ambitionierten Pläne des openBC-Vorstandsvorsitzenden Lars Hinrichs verlockend: Einen Erlös von mehr als 100 Millionen Euro hält der 29-Jährige für möglich. An der Börse könnte openBC künftig weit über 200 Millionen Euro wert sein. Zum Vergleich: Der Umsatz des Online-Netzwerks für Geschäftskontakte betrug im vergangenen Geschäftsjahr gerade einmal knapp sechs Millionen Euro. Die Konsortialbanken sehen keine Probleme: "So hoch wie gestern der Umsatz, wird morgen bereits der Gewinn ausfallen", sagen sie mit Blick auf ein operatives Ergebnis, das sie für 2007 bei etwa sechs Millionen Euro erwarten.

Im Unterschied zu vielen anderen Web-2.0-Unternehmen verdient openBC unterm Strich Geld, wenn auch erst seit dem vergangenen Quartal. Eine kostenpflichtige Premiummitgliedschaft zusätzlich zum Basisangebot ist die Einnahmequelle. Eine steil wachsende Mitgliederkurve - mehr als 1,5 Millionen Männer und Frauen haben sich seit der Gründung 2003 registriert - stimmen openBC zuversichtlich. "Wir hatten in den vergangenen Jahren viele Kaufangebote", sagt Hinrichs nicht ohne Stolz. Er will sich das Heft aber nicht aus der Hand nehmen lassen.

Der Internet-Berater Ossi Urchs erwartet trotz aller Euphorie erstmal keine Nachahmer aus der Branche auf dem Börsenparkett. "Eher werden wir Verkäufe oder den Einstieg von Investoren sehen", sagt er. Henning Röper, Leiter Media Practice beim Beratungsunternehmen Solon, rechnet mit Beteiligungen von klassischen Medienhäusern. "Die großen Verlagshäuser wie Burda, Axel Springer oder Holtzbrinck, aber auch TV-Sender wollen sich das Wachstumsfeld Internet im Rahmen von Beteiligungsinvestitionen erschließen", sagt er. Im Unterschied zu reinen Finanzinvestoren könnten die Medienhäuser in ihren Netzwerken die erforderliche Aufmerksamkeit für Online-Angebot herstellen.

Auslöser des Interesses unter den großen Internet- und Medienhäusern war nicht zuletzt die milliardenschwere Übernahme der Videoplattform YouTube durch den Suchmaschinenbetreiber Google Anfang Oktober. So kaufte sich die Sendergruppe ProSiebenSat.1 bereits bei der deutschen YouTube-Version Myvideo.de ein. Auch der Internetkonzern AOL hat Zukaufsabsichten. Kein Wunder: Der Online-Werbemarkt wird 2006 nach Berechnungen der Branche um 59 Prozent auf 1,65 Milliarden Euro wachsen - nach einem Plus von 87 Prozent im Jahr 2005.

Nach Meinung Röpers sind die USA und Großbritannien Deutschland in der Entwicklung von Web 2.0-Angeboten voraus. "Aber gerade an openBC kann man sehen, dass gute Konzepte mit internationalem Potenzial auch aus Deutschland kommen können", so der Berater. Ein weiteres Beispiel für ein Wachstum über die deutschen Grenzen hinweg sei etwa das Verbrauchermeinungsportal Ciao, das es mittlerweile von Deutschland ausgehend in mehreren europäischen Ländern gibt.

Sorgen vor einer neuen "Blase" wie zu Zeiten der New Economy sind unbegründet, meint Urchs, der seinerzeit als "Internet-Guru" bekannt wurde. "Anders als damals haben wir es von Anfang an mit gehaltvollen Ideen zutun." Dennoch fehle den meisten der interaktiven Internetunternehmen noch das Geschäftsmodell. "Es gibt die begründete Hoffnung, dass die Firmen diese Modelle finden, aber das wirkliche Ergebnis werden wir erst im nächsten oder übernächsten Jahr sehen." (dpa/tc)