IT-Einsatz im Außendienst

Transparenz für Mitarbeiter und Unternehmen

01.03.2004 von Ina Hönicke
Ob CRM-Software oder mobile Endgeräte - die Einführung neuer Techniken löst bei nicht wenigen Außendienstlern Angst vor Jobverlust aus. Offene Kommunikation und das frühzeitige Einbeziehen aller Betroffenen können die Akzeptanz fördern.

GERADE in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld sind gute Kundenbeziehungen das A und O eines Unternehmens. Diese Notwendigkeit vor Augen gehen Außendienstmitarbeiter mit ihren besten Kunden essen, gratulieren ihnen zum Geburtstag oder verabreden sich auf dem Tennis- oder Golfplatz. Bislang gehörte das Wissen über den Kunden mitsamt seinen Eigenheiten dem Vertriebsmann zumeist ganz allein. Doch die Zeiten ändern sich. Immer mehr Unternehmen möchten an dem Know-how teilhaben, möchten ihre Kunden näher kennen lernen und die Kundenbeziehungen wirtschaftlicher gestalten. Die dazu erforderliche Transparenz im Vertrieb sollen Customer-Relationship- Management (CRM)-Systeme herstellen. Mit Hilfe dieser CRMSysteme kann die Kommunikation des Außendienstmitarbeiters mit dem Kunden dokumentiert und für die Innendienst-Kollegen sichtbar gemacht werden - von der ersten Kontaktaufnahme bis zum Auftragseingang und darüber hinaus.

 

Was für die Unternehmen ein großer Vorteil ist, weil sie beispielsweise Kundenwünsche frühzeitig in die Produktentwicklung einbeziehen können, stößt bei den Außendienstlern indes nicht immer auf Zustimmung. Diese Erfahrung machten die Mitarbeiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart.

Vorteile aufzeigen

Für ihre Marktstudie „Mobile CRM-Systeme“, in der Softwarelösungen von mehr als 60 Herstellern für die mobilen Endgeräte Notebook, PDA und Mobiltelefon gegenübergestellt wurden, befragten sie unter anderem Außendienstler zum Thema Akzeptanz. IAO-Mitarbeiter Thomas Ritz: „Dass sie Wissen über ihre langjährigen Kunden hergeben sollen, passt längst nicht allen Vertriebsleuten. Sie setzen Wissenspreisgabe mit Verlust der Existenzberechtigung gleich.“ Deshalb sei es dringend erforderlich, den Außendienstmitarbeitern bereits in der Einführungsphase den Mehrwert eines CRM-Systems klar zu machen. Dazu gehören nach Ritz’ Erfahrung die größere Effizienz bei der Beantwortung von Kundenfragen genauso wie die bessere Nutzung von Warte- oder Leerzeiten: „Akzeptanzprobleme können nur dann überwunden werden, wenn es gelingt, den Vertriebler davon zu überzeugen, dass mobile Endgeräte ihn zu einem kompetenteren Ansprechpartner als bisher machen.“

Bei ihrer Marktstudie entdeckten die IAO-Wissenschaftler noch ein anderes Phänomen: Akzeptanzprobleme können nicht nur beim Außendienstmitarbeiter, sondern auch beim Kunden auftreten. So mancher Ansprechpartner reagiere abweisend, wenn der Verkäufer ihm mit einem Laptop gegenübersitzt. Diese Kunden hätten das Gefühl, dass zwischen ihnen und dem Außendienstmitarbeiter eine Barriere entsteht, sobald dieser das Gerät aufklappt. Ritz: „Viele Vertriebsbeauftragte ziehen es deshalb vor, ihr mobiles Endgerät im Auto liegen zu lassen und stattdessen den Bleistift zu zücken. Hier könnte der Einsatz eines Tablet PCs möglicherweise helfen.“

Doch nicht nur der aufgeklappte Bildschirm des Laptops kann sich beim Kundengespräch negativ auswirken, erläutert der IAO-Mann: „Die mobilen Geräte müssen genau auf die jeweilige Situation angepasst sein - und sie müssen funktionieren. Wenn ein Außendienstmitarbeiter beim Kunden erst einmal an seinem Laptop herumstöpselt oder gar minutenlang nach Daten sucht, braucht er sich über mangelnden Erfolg nicht zu wundern.“ Handhabung und Funktionalität der Endgeräte seien nun mal die Voraussetzung für Akzeptanz - und zwar sowohl beim Vertriebsmann als auch beim Kunden. Nur was einfach und zuverlässig funktioniert, hat eine Chance.

Dass die Vorbehalte groß sind, ist ein offenes Geheimnis. So füttern manche Außendienstmitarbeiter ihre Kollegen aus dem Innendienst entweder nur mit Daten, die sie für bedenkenlos halten, oder sie „vergessen“ die Datenweitergabe von Zeit zu Zeit. Als Grund nennen die Befragten, die ihren Namen lieber nicht veröfveröffentlicht sehen möchten, vor allem Angst um den Job.

Um Ängste - berechtigte und unberechtigte - abzubauen, raten Unternehmensberater den Firmen, die Betroffenen frühzeitig in das Projekt einzubeziehen, mit ihnen offen zu kommunizieren und zudem für entsprechende Schulung zu sorgen. Keinesfalls dürften Technik-Einführungen etwas Geheimnisvolles an sich haben. Offenheit lohnt sich nach Ansicht des Münchener Unternehmensberaters Dieter Sinn noch aus einem anderen Grund: „Gerade in Zeiten wie diesen beobachten die guten Mitarbeiter sehr genau, wie sich ihr Arbeitgeber gegenüber dem Personal verhält. Unfair taktierende Firmen werden spätestens beim nächsten Aufschwung die Quittung erhalten.“

Betriebsrat einbinden

Die große Bedeutung des Betriebsrats bei der IT-Einführung verdeutlicht eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Ihre Umfrageergebnisse belegen, dass Arbeitnehmervertreter in Deutschland „eine unterstützende Funktion bei der Einführung und Umsetzung von modernen Arbeitsformen haben“. Thomas Zwick, der die Studie betreut: „Wenn die Kollegen aus dem Betriebsrat die neuen Organisationsmittel akzeptieren und sich zudem für eine entsprechende Qualifizierung einsetzen, werden bei den Betroffenen Ängste abgebaut, und die Akzeptanz wird gefördert.“ Für die Unternehmen hieße das - auch wenn die Einführung aufgrund vieler Diskussionen später als geplant über die Bühne ginge: Selbst wenn Kompromisse gemacht werden müssen, sollte der Betriebsrat einbezogen werden. Zwick: „Was nützt das beste System, wenn die eigenen Leute sich verweigern?“

Technische Probleme lösen

Während sich Wissenschaftler und Berater ausgiebig mit Akzeptanzproblemen neuer Systeme beschäftigen, halten sich die Anwender in diesem Punkt eher bedeckt. „Mitarbeiter anderer Firmen haben möglicherweise einen Grund, neuen Techniken ablehnend gegenüberzustehen. Unsere Außendienstleute hingegen hatten weder Angst, kontrolliert zu werden, noch die Befürchtung, ihr Wissen preiszugeben“, erklärt beispielsweise Markus Schwörer, IT-Leiter bei der Schwörer Haus AG in Hohenstein- Oberstetten. Akzeptanzprobleme seien anfänglich lediglich wegen technischer Probleme wie zum Beispiel mangelnde Netzverfügbarkeit aufgetreten. Dieses Problem habe man durch Einstellungsänderungen am System gelöst. Vor über einem Jahr habe sich die Schwörer Haus KG, die Fertighäuser in ganz Mitteleuropa baut, für die mobile Lösung MxS entschieden.

 

Der IT-Leiter nennt folgende Entscheidungsgründe: MxS sei ein Produkt und keine Projektentwicklung. Dazu kämen die schnelle Implementierungszeit von zwei Monaten sowie die Verwendung der bereits bestehenden Standardprodukte wie beispielsweise Notes als Übertragungsmedium. Der Einsatz von Palm bedeute vor allem aber schnellen Zugriff. Bisher hätten die Bauleiter eventuelle Nachforderungen für Einbauteile per Handy im Lager angerufen oder ein Fax geschickt. Die Materialien seien daraufhin per SAP R/3 bestellt, bereitgestellt und verschickt worden. Schwörer: „Heute schreiben die Truppführer und Bauleiter ihre Nachforderungen direkt als Netzplankomponenten ins SAP/ R3- System. Die Vorteile: schnellere Erfassung, keine Doppelerfassung, keine Übertragungsfehler.“

Kleine Gruppen schulen

Den Verantwortlichen bei der Schwörer Haus KG geht es vorrangig um die Synergie-Effekte für den Innendienst und die schnellere Rückmeldung. Um die Mitarbeiter rasch für das neue System zu begeistern, wurden die betroffenen Mitarbeiter in kleinen Gruppen geschult. Der IT-Manager: „Als Nächstes kümmerten wir uns darum, dass die Außendienst-Mitarbeiter ganz schnell mit Kollegen im Kundendienst-Innendienst oder in der EDV Kontakt aufnehmen konnten.“ Darüber hinaus habe den Außendienst-Mitarbeitern ein eigener Ansprechpartner aus diesen Bereichen zur Verfügung gestanden. Last, but not least sei die Beseitigung technischer Probleme in Angriff genommen worden. Schwörer: „Wenn ein Außendienst-Mitarbeiter aus dem Ausland anruft und minutenlang keine Verbindung zum Werk bekommt, wird er das neue System keinesfalls akzeptieren.“ Mittlerweile habe man diese Probleme durch von Fall zu Fall unterschiedliche technische Lösungen behoben. Nach einjähriger Erfahrung steht für den IT-Chef fest, dass die beste Voraussetzung für die Nutzung neuer Systeme im Außendienst deren Funktionalität ist: „Wenn die Arbeit leichter wird, weil die Technik funktioniert, dann wird auch das neue System akzeptiert.“

Ganz so sicher, wie die Mitarbeiter auf die Einführung der neuen CRM-Software reagieren würden, waren sich die Verantwortlichen des Büromöbelherstellers Sedus Stoll AG in Waldshut nicht. Sie planten bereits 1995 die Einführung.

 

Damals scheiterten laut Umfragen bis zu 80 Prozent der Projekte an der mangelnden Akzeptanz des Außendienstes. Frank Willmann, Leiter der Objektabteilung bei Sedus Stoll: „Zu diesen 80 Prozent wollten wir auf keinen Fall gehören.“ Um einen Misserfolg zu verhindern, wurden die Außendienst- Mitarbeiter von Sedus Stoll bereits sehr früh in die Erstellung eines Lastenhefts für die Kunden-Management- Lösung einbezogen. Darüber hinaus sei die Software „Marketing Manager“ von update Software vor dem großen, europaweiten Roll-out in kleineren Gruppen von Außen- und Innendienst-Mitarbeitern getestet worden. Dadurch konnten die Prozesse laut Willmann nochmals an die individuellen Bedürfnisse des Unternehmens angepasst werden.

Nutzen überzeugt

Gleichzeitig wurden die Mitarbeiter durch mehrmalige Ausbildungsmaßnahmen entsprechend qualifiziert. Zusätzlich stand den CRM-Anwendern bei Problemen eine eigens von speziell geschulten Vertriebs- und IT-Leuten betriebene Hotline zur Verfügung. Willmann: „Von Anfang an machten wir den Mitarbeitern klar, dass es sich bei dem CRM-Tool nicht um ein Controlling-Instrument handelt, sondern dass durch größere Transparenz der Vertriebsprozesse auch der Außendienst stark entlastet wird. Die Betroffenen glaubten uns - und heute, nach sieben Jahren, ist die Akzeptanz der User aufgrund der tatsächlichen Arbeitsentlastung sehr hoch.“