Thomas Hermanns' Quatsch Comedy Club

Too hot for TV

02.11.2009 von Simon Hülsbömer
Thomas Hermanns, Comedy-Pionier und Gründer des "Quatsch Comedy Clubs", möchte den Stand-up-Humor ins Internet bringen.

CW: Warum geht der "Quatsch Comedy Club" ins Netz?

HERMANNS: Die TV-Sendung beruht auf den Quatsch Comedy Live-Clubs in Berlin und Hamburg, in denen wir fast täglich Mix-Shows aus einem Performer-Pool von rund 200 Comedians bestücken. Die können wir nicht alle in der Fernsehshow abbilden. Es gibt einfach viel mehr gute Comedy, als im TV zu sehen ist. Außerdem erreichen wir im Netz sicher neue, zum Teil vielleicht etwas "fernsehmüde" Zielgruppen. Und wir können Dinge ausprobieren, die "too hot for TV" sind …

CW: Sie haben sich für das Telekom-Videoportal 3min.de entschieden. Warum nicht YouTube, das doch ein viel größeres Publikum erreicht?

Thomas Hermanns sieht im Web ein großes Potenzial für Stand-up-Comedy.
Foto: Schröder+Schömbs PR GmbH

HERMANNS: Auf YouTube sind wir schon vertreten durch die wackeligen Handykamera-Aufnahmen von Zuschauern, die wir nicht erwischt haben. Diese Mitschnitte sind nicht gut. Unser Gegenmittel ist es jetzt, etwas zu produzieren, was den Live-Charakter wiedergibt, aber nicht amateurhaft mitgeschnitten ist. Wir wollen uns einfach von diesem klassischen "YouTube-Gefühl" absetzen. Wenn YouTube sich zu einem professionellen Internet-Fernsehkanal ausbaut, sind wir vielleicht interessiert - vorerst brauchen wie aber eine Seite, die eine eigene Identität und einen eigenen Stil hat.

CW: Also kein Telekom-Werbevertrag?

HERMANNS: Nein.

CW: Wo lachen Sie lieber - am Schreibtisch oder doch auf dem Sofa?

HERMANNS: Am liebsten gehe ich abends in unseren Laden und setze mich live hinein. Live ist Comedy am besten. Bei den nächsten medialen Umsetzungsformen sind meine Erwartungen verschieden. Im Fernsehen erwarte ich eine perfekt ausgeleuchtete, hochwertige Umsetzung, wie wir Sie bei ProSieben haben. Im Internet erwarte ich schon mehr dieses Näher-Dransein, Ungefilterte. Am ehesten lachen wir im Web doch über kleine merkwürdige Filmchen, die herumgeschickt werden - oft unfreiwillige Komik. Mit hat daher interessiert, einmal mit gestalteter Komik an das Netz heranzugehen, mit der Arbeit unserer "Humor-Fachkräfte". Was den Verbreitungsweg betrifft, ist Stand-up natürlich prädestiniert für das Handy und das Netz allgemein, weil vieles eben in drei Minuten zu erzählen ist. Andere Formate wie Sitcom oder Sketche tun sich da schwerer.

CW: Wo ist Comedy besser aufgehoben - im Web oder im TV?

HERMANNS: Da Humor polarisiert, finde ich das Netz geeigneter, weil es dazu aufruft, aktiv zu werden und sich sein eigenes Programm zusammenzustellen.

CW: Ihre Web-Show lebt vor allem von den Comedy-Talenten, die es nicht ins Fernsehen schaffen. Warum werden uns im TV immer nur die "üblichen Verdächtigen" präsentiert?

HERMANNS: Das mit dem "Schaffen" ist so nicht ganz richtig. Es gibt zwei Welten in unserer Branche: Wir haben eine ganze Reihe von Leuten, die seit über zehn Jahren bei uns arbeiten und ganz wunderbare Comedians sind. Aus bestimmten Gründen kommen die jedoch nicht ins Fernsehen. Das hat aber nichts mit ihrer Qualität zu tun. Das TV hat seine eigene Ausrichtung - viele große Shows verlassen sich immer auf dieselben fünf bis zehn Leute, die gut ankommen. Das vermittelt den Show-Machern eine gewisse Sicherheit.

Von Mittermeier bis Ferrari

CW: Was braucht ein guter Comedian?

HERMANNS: Einen eigenen Kopf. Er muss authentisch sein. 50 Prozent Technik, 50 Prozent eigene Aussage. Die Technik kann man lernen - wie man eine Punchline serviert oder einen Text strukturiert. Das wirklich Wichtige ist, eine eigene Stimme zu haben und niemanden zu imitieren. Bestes Beispiel ist "Cindy aus Marzahn", die wir in unserer Talentschmiede entdeckt haben. Das liegt einfach daran, dass es diese Stimme vorher noch nicht gab, dass ihre Geschichte neu ist. Wenn der Zuschauer merkt, dass da ein neues Thema ist, es eine neue Sichtweise gibt, der Comedian unverwechselbar und dazu noch lustig herüberkommt, kann es klappen.

CW: Wie wird man Comedian?

HERMANNS: Wer sich befähigt fühlt, kann mitmachen. Wir veranstalten regelmäßige Talentabende, wo wirklich jeder auftreten kann. Wer dreimal beim Publikum vorne liegt, schafft es in unser Jahresfinale, und wer das gewinnt, schafft es in unsere regulären Live-Shows in Berlin und Hamburg. Erst viel später komme ich ins Spiel, wenn es um die Besetzung unserer TV- und Internet-Shows geht. Die ersten ein bis zwei Jahre kommt es nur darauf an, viel zu üben und vor Publikum aufzutreten - bei Betriebsfesten, Taufen oder bei uns. Größen wie Michael Mittermeier und Rüdiger Hoffmann waren beispielsweise schon jeweils zehn Jahre auf Bühnen unterwegs, bevor sie dann groß herauskamen.

CW: Diese Größen schauen aber immer noch regelmäßig bei Ihnen vorbei. Macht Sie das stolz?

HERMANNS: Wir sind eine große Familie. Als wir Mitte der 90er angefangen haben, gab es Comedy-technisch nichts - wir haben bei null begonnen und das hat uns alle schon sehr zusammengeschweißt. Es hält bis heute.

CW: Wer ist Ihr aktueller Geheimtipp?

HERMANNS: Emil Ferrari - der erste Kollege, der so alt ist wie die Sendung. Er ist vierzehn und unglaublich cool. Im Januar wird er erstmals bei uns im TV-Club zu sehen sein.