Arbeitsbelastung

Tipps für Gestresste: "Keine Meetings am Vormittag"

14.05.2008 von Michael Schweizer
Der Druck in der IT-Branche ist groß. Wie IT-Profis am besten mit Stress umgehen können, verrät Anja Gerlmaier. Die promovierte Arbeitspsychologin erforscht am Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) in Gelsenkirchen die Arbeitswelt. IT-Berufe sind eines ihrer Spezialgebiete.

CW: Wie hat sich der Arbeitsdruck, unter dem IT-Experten stehen, in den letzten Jahren entwickelt?

Anja Gerlmaier: Das Ziel von Zeit-Management ist nicht, in kürzerer Zeit noch mehr Arbeit zu schaffen.
Foto: privat

GERLMAIER: Viele sind durch häufige Unterbrechungen und zeitaufwändige Zusatzaufgaben wahnsinnig erschöpft. Sie müssen, offenbar aus Prinzip, in mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten. Ich nenne das die Projektifizierung von Unternehmensarbeit. Manche sagen: Zeit- und Leistungsdruck hatten wir früher auch immer, das allein wäre nicht so schlimm. Neu ist aber, dass man bei der Arbeit ständig durch andere Arbeit gestört wird, die man mal nebenher machen soll.

CW: Wie wirkt sich das gesundheitlich aus?

GERLMAIER: Erst einmal durch Stress: Die Leute werden gereizt, nervös, können nicht abschalten. Längerfristig können eine hohe Anfälligkeit für Infektionskrankheiten und Schlafstörungen dazukommen, und auf noch längere Sicht ein Burnout. Und Tinnitus. In einem Unternehmen, in dem das IAQ forscht, sind 20 Prozent der IT-Leute davon befallen, in der Gesamtbevölkerung fünf Prozent.

CW: Können IT-Experten da mit Zeit-Management gegensteuern?

GERLMAIER: Zeit-Management soll dem Einzelnen mehr Puffer für seine Erholung und persönliche Entwicklung geben. Nicht gemeint ist damit, dass er in noch kürzerer Zeit noch mehr Arbeit schaffen kann.

CW: Aber was bringt es im Beruf?

GERLMAIER: Hilfreich ist das Eisenhower-Prinzip, anders gesagt das richtige Verhältnis zwischen gleich erledigen und aufschieben. Es reduziert die Arbeitsunterbrechungen. Man kann sich zum Beispiel einen Ordner für cc-Mails einrichten, die man dann alle zusammen später anguckt, wenn man gerade nicht so fit ist.

CW: Wann ist das?

"Vormittags ist die beste Arbeitszeit"

GERLMAIER: Am besten konzentrieren kann man sich morgens zwischen neun und zwölf Uhr. Da sollte man die wichtigen Sachen erledigen. Zwischen 13 und 15 Uhr sinkt die Leistungsfähigkeit auf 60 Prozent, zwischen 15 und 17 Uhr geht sie noch einmal hoch. Das sollte bedeuten: Keine Meetings am Vormittag. Man verbaut sich damit die beste Arbeitszeit.

CW: Und wenn solche Tricks nicht funktionieren?

Frühstücks-Meetings rauben einem die beste Arbeitszeit.
Foto: Deklofenak_shutterstock.com

GERLMAIER: Dann ist man in einer Überlastsituation, die sich mit Zeit-Management nicht mehr in den Griff bekommen lässt. In diesem Fall hilft nur der Gang zum Chef mit einem Papier, auf dem die Aufgaben stehen, die man alle erledigen soll. Vorher sollte man sich überlegen: Was will ich behalten, was muss ich abgeben? Chefs mögen es, wenn man schon jemanden weiß, der das, was man abgeben will, übernehmen kann.

CW: Manche IT-Experten programmieren so gerne, dass sie gar nicht abschalten wollen.

GERLMAIER: Der Psychologe Mihaly Csikszentmihalyi nennt das den Flow. Er ist nicht IT-spezifisch, sondern kommt auch sonst bei geistig-schöpferischer Arbeit vor: Man geht in der Aufgabe auf und vergisst sich selbst. Das ist sehr anstrengend, aber auch sehr schön. Nur mit Unterbrechungen und Zeitdruck verträgt es sich überhaupt nicht.

CW: Verstehen Unternehmen ihre eigenen Interessen nicht?

GERLMAIER: Die Leistungen sinken nicht, wenn man die Überlastung wegnimmt, sondern sie werden besser. Aber das geht schwer in die Köpfe rein.

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