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Tipps für das Application Management

03.12.2010 von Martin Bayer
Lesen Sie, welchen Herausforderungen sich die Champions im Application Management in ihrer IT-Praxis stellen müssen.

Die Anwenderunternehmen müssen sich stärker um die Pflege ihrer Applikationslandschaften kümmern. Doch das ist alles andere als trivial. Die steigende Komplexität der Infrastrukturen sowie die wachsenden Anforderungen des Business an eine bessere Unterstützung der Geschäftsprozesse machen es für die IT-Verantwortlichen nicht gerade einfacher. Nur wer sein Application Management im Griff hat, kann sich den anstehenden Aufgaben ruhigen Gewissens stellen. Die Champions der ersten Deutschen Application Management Meisterschaft 2010 beschreiben, welchen Herausforderungen sie sich gegenwärtig in ihrer Praxis stellen müssen.

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Von außen betrachtet wirken die Softwarelandschaften insbesondere der größeren Unternehmen oft wie undurchdringbare Dickichte. Mehrere Hunderte oder teilweise sogar Tausende Anwendungen sind dort im Einsatz und müssen gepflegt, gewartet und weiterentwickelt werden. Zwar zählen längst nicht alle Programme zu den Core-Applikationen und haben auch keinen ständigen Wartungsbedarf. Aber dafür muss bei den geschäftskritischen Softwarelösungen umso mehr Hand angelegt werden, um sie kontinuierlich den steigenden Marktanforderungen oder veränderten gesetzlichen Bestimmungen anzupassen. Angesichts der meist vielfältigen wechselseitigen Beziehungen von Anwendungen bedeutet dies, dass Modifikationen an einer Applikation zusätzliche Anpassungen an weiteren Softwareprogrammen verursachen. Michael Maicher von der Unternehmensberatung Ardour spricht hier von einem "Abhängigkeitsnetz, das die Komplexität einer Applikationslandschaft prägt."

Die Firmen müssen für diese Pflege und Wartung eine Ressourcen und Man-Power einplanen, und genau dort beginnt für die Verantwortlichen des Application Managements (AM) oft das Problem. In Großunternehmen summiert sich der Aufwand in jährlichen Personentagen gerechnet auf eine sechsstellige Zahl, womit nach Ansicht von Lutz Eichler, Leiter des Anwendungs-Managements bei der R+V Versicherung, ein zentrales Problem der Praxis zutage tritt: "Es fällt ungeheuer schwer, für unsere Planungen den erforderlichen Aufwand zu ermitteln, weil sich in den komplexen Beziehungsverhältnissen der Softwaresysteme unbekannte Aufwandstreiber verbergen."

Application-Management-Championship

Am 3. September fand in den Räumen der COMPUTERWOCHE in München das Finale der ersten deutschen Application-Management-Championship statt. Fünf IT-Profis, die sich mit ERP-, CRM-, Business-Intelligence- oder anderen kundennahen Anwendungen beschäftigen, machten den Sieger unter sich aus:

Dipl.-Ing. Ditmar Kerkhoff ist seit Anfang des Jahres Senior Delivery Manager beim Provider T-Systems. Er ist als Project Management Professional (PMP) der PMI und als ITIL v3 Expert zertifiziert.

Der Dipl.-Informatiker Dr. Lutz Eichler hatte an der Technischen Universität in Berlin studiert und ist Abteilungsleiter Anwendungsmanagement bei der R+V Versicherung.

Dipl.-Ing. Andreas Fabian arbeitete noch während des Studiums der BMW AG als Praktikant. Anschließend wurde er bei dem Automobilhersteller IT-Teilprojektleiter, seit Anfang 2010 ist er dort IT-Projektmanger.

Dipl.-Ing. Torsten Laser arbeitet seit 2007 als Service Level Manager bei TUI InfoTec GmbH in Hannover. Er hat sich in den letzten Jahren ITIL- und ISO 20.000-Zertifizierungen erworben.

Uwe Heuer bekleidet die Funktion des Head of Application Management Business Process Integration bei E.ON IT GmbH, IT-Tochter des Energieversorgers E.ON. Er verfügt über zahlreiche Zertifizierungen wie etwa OMG-Certified Expert in BPM-Fundamental und Foundation Certificate in IT Service Management

Der Startschuss für den über mehrere Runden laufenden Wettbewerb war bereits am 12. Juli dieses Jahres gefallen. Gespielt wurde online bei stetig steigendem Schwierigkeitsgrad und immer kürzer werdenden Antwortzeiten. Nur eine bestimmte Anzahl der jeweils besten Teilnehmer qualifizierte sich für die nächste Runde. Nach vier Durchgängen haben es schließlich fünf Kandidaten in das Finale geschafft.

Das Finale der ersten deutschen Application-Management-Championship entschied Lutz Eichler, Abteilungsleiter bei der R+V-Versicherung, für sich. Eichler landete in dem aus 15 Fragen bestehenden Test-Parcourt einen Start-Ziel-Sieg. Auf den weiteren Rängen platzierten sich Uwe Heuer und Torsten Laser, gefolgt von Andreas Fabian und Dietmar Kerkhoff.

Wissenschaftlich begleitet hat den Wettbewerb die Technische Universität Dresden. Außerdem gehören das Beratungshaus Ardour Consulting Group , die Agentur Denkfabrik sowie die COMPUTERWOCHE als Medienpartner zum Veranstalterquartett.

Application-Management-Championship 2010
Die fünf Finalisten bereiten sich auf den Wettkampf der ersten deutschen Application Management Championship vor.
Application-Management-Championship 2010
In vier Spielrunden mit immer schwereren Fragen und kürzeren Antwortzeiten haben sich von den rund 130 Teilnehmern fünf für das Finale qualifiziert.
Application-Management-Championship 2010
Nach dem Wettkampf warten die fünf Finalisten gespannt auf das Ergebnis.
Application-Management-Championship 2010
Der fünftplatzierte Ditmar Kerkhoff (T-Systems) mit seinem Zertifikat.
Application-Management-Championship 2010
Michael Maichler (links) von der Ardour Consulting Group GmbH überreicht Andreas Fabian (BMW) für Rang vier seine Application-Management-Championship-Urkunde.
Application-Management-Championship 2010
Torsten Laser (Mitte) von der TUI InfoTec GmbH darf sich über Platz drei freuen.
Application-Management-Championship 2010
Michael Maichler (links stehend) von der Ardour Consulting Group gratuliert Uwe Heuer (E.ON) zum zweiten Platz.
Application-Management-Championship 2010
Lutz Eichler (links stehend) von der R+V Versicherung hält seine Siegerurkunde der ersten deutschen Application Management-Championship in Händen.
Application-Management-Championship 2010
Die fünf Finalisten der AM-Championship (von links nach rechts): Ditmar Kerkhoff, Torsten Laser, Lutz Eichler, Uwe Heuer und Andreas Fabian.
Application-Management-Championship 2010
Die Top drei der AM-Championship (von links nach rechts): Torsten Laser (Platz 3), Gewinner Lutz Eichler und Uwe Heuer (Platz 2).

"Goldrandlösungen" steigern den Aufwand

Eine andere Ursache sieht Eichler, Sieger des von der COMPUTERWOCHE, dem Beratungshaus Ardour Consulting, der Technischen Universität Dresden und der Denkfabrik durchgeführten Application-Management-Championship 2010, in der typischerweise unklaren Definition von Leistungserwartungen der Anwender. "Niemand kann präzise formulieren, was eine hundertprozentige Leistung ist. Demzufolge bleiben die operativen Erfordernisse für die gewünschte Leistungsoptimierung und als Konsequenz die Aufwandserfordernisse immer etwas nebulös."

Torsten Laser, Service Level Manager bei der TUI InfoTec: "Oft werden ohne Business-Case Goldrandlösungen implementiert, die viel Geld kosten, jedoch nur geringen Nutzen bringen."

Ähnlich argumentiert Torsten Laser, Service Level Manager bei der TUI InfoTec, wenn er ein mangelndes Requirement Engineering in der Wartung und Pflege von Applikationen beklagt. "Oft werden ohne Business-Case Goldrandlösungen implementiert, die viel Geld kosten, jedoch nur geringen Nutzen bringen." Damit erhielten sich die Programmierabteilungen ihre eigene Existenzberechtigung, das wirtschaftliche Management einer Applikation werde jedoch deutlich erschwert, so der Drittplatzierte im Application-Management-Wettbewerb. Deshalb träumt AM-Spezialist Eichler von einer "Kalkulationsformel für die Wartung und Optimierung von Applikationen", um sich nicht mehr allein auf Erfahrungswerte sowie Daumenpeilungen verlassen zu müssen und auch um besser gesicherte Antworten auf die immer wieder gestellte Frage geben zu können: Warum steigen die Wartungsaufwände für bestimmte Anwendungen ständig? Letztlich verbirgt sich für ihn hinter diesem Wunschinstrument die Zielsetzung, den Ressourceneinsatz besser steuern zu können und damit eine höheren Wirtschaftlichkeit zu erreichen.

Aktuelle Herausforderungen im Application Management

Torsten Laser, TUI InfoTec
  1. Requirements Engineering in der Wartung und Pflege von Anwendungen;

  2. Übernahme von Applikationen in den produktiven Betrieb;

  3. Optimierung der strategischen Aspekte im Application Management;

  4. realistische Gestaltung und Steuerung der Verfügbarkeitsanforderungen der Anwendungen;

  5. Test-Management mit klarer Zuordnung von Test-Verantwortlichkeiten.

Outsourcing muss wohl überlegt sein

Ardour-Geschäftsführer Maicher warnt in diesem Zusammenhang allerdings davor, durch eine unüberlegte oder übereilte Auslagerung der Anwendungen in eine Qualitätsfalle zu laufen. Schließlich entscheiden die Applikationen darüber, wie gut oder schlecht Geschäftsprozesse im Unternehmen unterstützt werden. "Das zunehmende Outsourcing von Application-Management-Leistungen berücksichtigt oftmals zu stark den Kostenaspekt und weniger die strategische Bedeutung einer optimalen Wartung beziehungsweise Weiterentwicklung einer Applikation und damit indirekt der Geschäftsprozesse", berichtet er aus seinen Praxiserfahrungen.

Welche Mammutaufgabe daraus abzuleiten ist, weiß Maicher aus seinen Beratungsprojekten. Als Kernproblem sieht er, dass Daten- und Geschäftsobjekte ihrerseits quer zu Applikationen und damit zur Organisation liegen. "Daher ist eine bereichsübergreifende und unternehmensweite Verantwortung von Geschäftsprozessen, Applikationen und Daten schwierig zu gestalten, weil die organisatorischen Verantwortlichkeiten schnell zu einer hohen Komplexität in der Praxis führen oder fachliche Querbezüge in der Aufbauorganisation umfangreiche Abstimmungsaktivitäten und damit Aufwand erzeugen."

Altanwendungen fressen zu viele Ressourcen

Doch damit enden die aktuell drängenden Themen im Application Management noch längst nicht. Kopfzerbrechen bereitet den IT-Verantwortlichen etwa die ungeklärte Frage, wie mit den Altanwendungen sinnvoll umzugehen ist. "Es wird kein strategisches Application Management betrieben", klärt Torsten Laser aus seiner Sicht auf. "Beispielsweise fehlt es an ausreichenden Plänen für die Ablösung von Alt-Applikationen, Migrationen auf neue Datenbank-Versionen oder Architekturanpassungen."

Dies führt nach Ansicht von Eichler zu einer sehr heterogenen Situation mit verschiedenen Gesundheitsstati der Applikationen. "Wie bei einem Fuhrpark mit unterschiedlich alten Autos und entsprechend verschiedenem Reparaturbedarf", zieht er einen Vergleich heran. Auf fast zehn Prozent schätzt er den Anteil der Altanwendungen, die bei jedem kleinen Releasewechsel Arbeit machen, weil sie Pflegeaufwände und Tests erfordern. Aber einfach abschalten könne man die Applikationen gerade im Versicherungsgewerbe nicht, weil Daten vielfach in den Anwendungen und nicht in Datenbanken gespeichert sind. Aus Gründen der GDPdU-Anforderungen muss jedoch jederzeit ein Zugriff darauf möglich sein.

Aktuelle Herausforderungen im Application Management

Lutz Eichler, R+V Versicherung
  1. gesicherte Verfahren zur Aufwandskalkulation;

  2. Ermittlung eines nachvollziehbaren "Gesundheitsstatus" des Anwendungsportfolios;

  3. wirtschaftlicher Umgang mit Alt-Anwendungen;

  4. systematische, aufwandsarme und ergebnisorientierte Qualitätssicherung der Produkte;

  5. Know-how-Transfers zwischen Anwendungsmanagement, Entwicklungsbereichen und Infrastruktureinheiten.

Kein harmonischer Lifecycle der Applikationen

Andere Problemthemen im Application Management betreffen den Übergang von Neuentwicklungen in den laufenden Betrieb. Nach der Einschätzung von Laser besteht vielfach kein optimales Sizing. So fehle es beispielsweise an einer angemessenen Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten. Außerdem lasse die Performance und Skalierbarkeit oft zu wünschen übrig, "weshalb die Robustheit gegenüber infrastrukturellen Schwächen mitunter nicht gegeben ist."

Als typische Schwachstelle hat der AM-Spezialist von TUI InfoTec aber auch das Test-Management ausgemacht. Er kritisiert, dass die Testzeiträume häufig letzten Entwicklungsschritten geopfert werden und sich in den Engineering-Abteilungen immer mehr die Auffassung durchsetze, das Testing in den Produktionsbetrieb zu verlagern. "Diese Zeiten sind angesichts der zunehmend geforderten 24/7-Verfügbarkeit von Applikationen jedoch vorbei", kritisiert er und fordert als Konsequenz ein Prozessmodell für das "Managed Testing".

Auf einen anderen problematischen Aspekt für die Praxis des Zusammenspiels der unterschiedlichen Verantwortungsbereiche innerhalb des Lifecycles von Applikationen verweist Eichler: die Organisation des Know-how-Transfers zwischen Anwendungs-Management, Entwicklungsbereichen und Infrastruktureinheiten. Was es dort an Schwierigkeiten gibt, hat für Maicher zudem mit einem zwar wirkungsstarken, aber leicht vermeidbaren Thema zu tun: "Nicht selten wird aus Budgetgründen an den Dokumentationen der Applikationen gespart wird, was im Betrieb zu ungeplanten Mehraufwänden führt."

Aktuelle Herausforderungen im Application Management

Michael Maicher, Ardour Consulting
  1. klare Abgrenzung der AM-Zuständigkeiten zwischen IT und Fachbereich, besonders bei SAP-Applikationslandschaften;

  2. Dominanz der Kostenersparnis gegenüber strategischen Aspekten bei Outsourcing von Application Management-Funktionen;

  3. Gestaltung der Schnittstelle zwischen Application Management und Infrastrukturmanagement;

  4. unternehmensweite Verantwortung von Geschäftsprozessen, Applikationen und Daten;

  5. Übergang einer Applikation von der Entwicklung in den Betrieb und in die Wartung.