Zurück zu den Wurzeln

Teradata will näher ans Business

28.09.2016 von Karin Quack
Teradata will den geschäftlichen Nutzen der Datenanalyse künftig stärker im Auge haben – und vermehrt darüber reden. Der Data-Warehouse- und Analysespezialist möchte weniger zentrale IT-Abteilungen und mehr die Budgetverantwortlichen in den Fachabteilungen, also zum Beispiel Marketing- und Finanzchefs, ansprechen.
  • Entscheider der Fachbereiche waren schon früher die wichtigste Zielgruppe
  • Business Value Frameworks fungieren als Best-Practice-Sammlung für Analytics-Projekte
  • Mit "Querygrid" lassen sich Daten auch aus anderen Lösungen und aus Hadoop analysieren

Die Akquisitionen der vergangenen fünf Jahre deuteten es schon an: Neben dem traditionellen Geschäft mit massivparallelen Datenbanksystemen konzentriert sich Teradata auf die Auswertung und Analyse großer Datenmengen - insbesondere für Marketing-Zwecke. In diesem Zusammenhang ist vor allem das 2011 übernommene und seither ständig weiterentwickelte Tool "Aster Analytics" in den Mittelpunkt gerückt. Es ist neuerdings auch als Cloud-Angebot über Amazon Web Services (AWS) verfügbar und soll ab Oktober zudem die Big-Data-Plattform Hadoop unterstützen.

Teradata will näher an die Business-Entscheider ran - ein Ansinnen, das nicht nur der Analytics-Spezialist hegt.
Foto: Teradata

Vor zwei Jahren hatte Teradata zudem ein Consulting-Unternehmen gekauft: Die derzeit etwa 200 Mitarbeiter der Tochter Think Big Analytics kennen sich besonders mit Open-Source-Projekten aus, offerieren neben technischer Beratung auch Architekturentwicklung und Implementierung und haben dabei stets den Business-Nutzen im Auge, wie Gründer und CEO Ron Bodkin beteuert (siehe auch: Teradata schlägt neue Wege ein).

Aus dem Open-Source-Dunstkreis hat Teradata einen weiteren Aspekt seiner neuen Strategie herausdestilliert: Die Produktentwicklungs-Zyklen sollen kürzer werden, so dass der Anwender künftig nicht mehr ein oder zwei Releases pro Jahr bekommt, sondern auch von inkrementellen Verbesserungen profitieren kann.

Eine gewisse Atrophie des Geschäfts mit dem Business

Mit der Konzentration auf die Business-Perspektive lassen sich Entscheider ansprechen, bei denen die Mittel für technische Innovationen im Allgemeinen lockerer sitzen als die Budgets der zentralen IT-Bereiche. Für die Marketing-interessierte Klientel gibt es mittlerweile eigene Events (Teradata Connect). Und selbst auf der traditionellen User-Group-Veranstaltung Teradata Partners, die heuer in Atlanta, Georgia, über die Bühne ging, war das Thema Business-Fokus allgegenwärtig.

Dabei ist eine solche Absichtserklärung eigentlich das, was im Englischen No-brainer heißt. Im Zuge der Digitalisierung hat sich längt herumgesprochen, dass IT-Entscheidungen zunehmend in die Fachbereiche wandern, wo Geschäfts- und IT-Know-how miteinander verwoben werden. Datenbasierte Entscheidungen müssen an jedem Arbeitsplatz gefällt werden können, die Entscheidung über entsprechende Tools und Anwendungen überlassen die Unternehmen nicht mehr nur den Technikern.

Auch für Teradata ist die neue Strategie eigentlich eine alte: Wie Marketing-Chef Chris Twogood bestätigt, adressierten schon die ersten Verkäufer des 1991 von NCR akquirierten und 2007 wieder ausgegliederten massivparallelen Datenbanksystems die Anwender in den Business-Bereichen. Irgendwann und irgendwie habe das Geschäft mit den Business-Kunden jedoch eine Art "Atrophie" erlitten: "Die Technik wurde für unsere Kunden immer wichtiger, und dann haben wir uns zu tief darauf eingelassen". Die jetzt verkündete Strategie läute eine "Verhaltensänderung" ein.

Das untermauerte der neue Teradata-CEO Victor Lund mit den Worten: "Früher waren wir technologiegetrieben, jetzt sind wir Business-fokussiert." Einen passenden Marketing-Claim hat Teradata auch schon formuliert: "Business driven by Technology." Ganz konkret verspricht Lund den Kunden, Teradata werde ihnen helfen, ein "Ökosystem" für die Datenanalyse aufzubauen. Damit hätten gerade die größeren Unternehmen massiv zu kämpfen.

Business, Architektur und Technik - in der Verbindung dieser drei Säulen sieht Europa-Chef Peter Mikkelsen einen Wettbewerbsvorteil von Teradata gegenüber Big-Data-Spezialisten, die sich vor allem auf die Beratung kaprizieren: "Unser Vorteil ist der, dass wir auch implementieren können."

Viele Management-Positionen neu besetzt

Wie die meisten seiner Management-Kollegen ist Mikkelsen schon viele Jahre im Unternehmen, aber seine jetzige Position bekleidet er erst seit einigen Monaten. Um den Jahreswechsel 2015/16 herum wurde fast die gesamte Teradata-Führungsriege ausgetauscht. Das Stühlerücken ging unter anderem zu Lasten des ehemaligen Zentraleuropa-Geschäftsführers Andreas Geissler, des langjährigen Topmanagers Hermann Wimmer, zuletzt Co-Präsident und Chef des Data-und-Analytic-Bereichs, sowie von Ex-CEO Michael Koehler.

Oliver Ratzesberger, Chief Product Officer bei Teradata, legte die Produktvisionen des Konzerns dar.
Foto: Teradata

Die Nachfolger kommen überwiegend nicht von außen, sondern haben einen großen Teil ihrer beruflichen Laufbahn bei Teradata absolviert. Neue Impulse von jenseits der Unternehmensgrenzen bringt allenfalls Oliver Ratzesberger mit: Der gebürtige Österreicher kam vom Teradata-Kunden eBay und zeichnet jetzt als Chief Product Officer für die Entwicklung der Teradata-Produkte verantwortlich. Ihm ist zuzutrauen, dass er die Business-Perspektive an die Techniker und die internen Berater heranträgt. In Atlanta bestritt er bereits einen großen Teil der "Main Session".

Mit RACE schnell zum Business-Vorteil vordringen

Auf dass den schönen Worten auch Taten folgen können, heuert Teradata derzeit verstärkt Data Scientists und Business-Analysten an. Die sollen die rund 150 Business-Berater verstärken, die das Unternehmen eigenen Angaben zufolge schon an Bord hat. Da solche Spezialisten nicht von den Bäumen fallen und auch nicht massenhaft von den Universitäten ausgespuckt werden, dürfte Teradata sie von Consulting-Unternehmen oder auch direkt aus den Anwenderunternehmen rekrutieren, was man verständlicherweise nur ungern einräumt.

Um die Arbeit der Business-Berater zu vereinfachen, hat Teradata die RACE-Methode entwickelt. Das Acronym steht für "Rapid Analytic Consulting Engagement". Dabei handelt es sich um eine, so das Teradata-Versprechen, "technologieunabhängige" Beratungsmethode, die potenziellen Kunden innerhalb von sechs bis zehn Wochen einen Überblick über den erzielbaren Mehrwert und die möglichen Risiken eines geplanten Datenanalyse-Vorhabens verschaffen soll.

Federführend in Sachen RACE ist der Teradata-Bereich "Analytics Practice". Allerdings werden sich die vier- bis sechsköpfigen Beraterteams idealerweise immer aus unterschiedlichen Kompetenzen zusammensetzen. Neben technisch versierten "Scientists" sollten ihnen auch Architekturexperten und mit dem kundenspezifischen Geschäft vertraute Business-Consultants angehören.

Den Kern der RACE-Methode bilden die "Teradata Business Value Frameworks", quasi eine Best-Practices-Sammlung, in die Erfahrungen aus mehreren tausend Kundenprojekten eingeflossen sind. An ihnen können sich die Berater grob orientieren, um zu ermitteln, was geht und was es am Ende bringen könnte.

Ein Kunde, der diese Beratungsleistung in Anspruch nehmen will, muss dafür einen fünf- bis (niedrigen) sechsstelligen Euro-Betrag veranschlagen. Im Gegenzug bekommt er eine Aufbereitung seiner Daten sowie eine Berechnung des Return on Investment (RoI). Im Prinzip wäre RACE damit auch für kleinere oder zumindest mittlere Unternehmen, beispielsweise für den deutschen Mittelstand, interessant. Allerdings konzentriert sich Teradata von jeher auf größere Unternehmen mit Skalierungsbedarf.

Daran will auch der neue deutsche Geschäftsführer Sascha Puljic nichts ändern. Die Teradata-Produkte könnten ihre Vorteile nun einmal vor allem dort ausspielen, wo Auswertungen über extrem große und heterogene Datenbestände gefragt sind. Und das seien zwar nicht ausschließlich, aber häufig Großunternehmen, denen man beispielsweise helfen wolle, "digitale" Geschäftsmodelle zu entwickeln oder herauszufinden, wo das Internet of Things für sie interessant sein könnte. Schließlich ist die Auswertung relevanter Sensor-Daten eine klassische Aufgabe für leistungsstarke Datenanalyse-Systeme.

Als ein ebenfalls spannendes Thema haben die Teradata-Berater die "Customer Journey" identifiziert. Hinter diesem Schlagwort verbirgt sich die Auswertung des Entscheidungsprozesses, der einen Interessenten zu einem Kunden macht. Die dabei an den unterschiedlichen Kontaktpunkten aufgelaufenen Daten lassen sich zu wertvollen Informationen für Marketing und Vertrieb des Anbieters verdichten.

Transparente Abfragen - wo immer die Daten auch liegen

Um die bereits angesprochene Heterogenität der Datenhaltungs- und -auswertungssysteme zu bewältigen, hat Teradata in Atlanta eine Reihe von Techniken angekündigt, die alle darauf abzielen, den Anwender von der Komplexität abzuschirmen. Die dafür geprägten Marketing-Begriffe lauten "Teradata Everywhere" und "Borderless Analytics". In diesem Zusammenhang ist vor allem das Produktportfolio "Teradata Unity" zu nennen. Es besteht aus den Komponenten "Director", "Loader", "Ecosystem Manager" und "Data Mover". Diese Softwarewerkzeuge sollen integrierte Abfragen über unterschiedliche Teradata-Systeme erlauben - schnell, präzise und für den Anwender transparent.

Für den nicht ganz unwahrscheinlichen Fall, dass ein Unternehmen neben Teradata auch andere Systeme für die Datenspeicherung und -auswertung nutzt, hat der Anbieter ebenfalls eine Lösung in petto. Sie heißt "Querygrid". Damit lassen sich Daten aus anderen kommerziellen Systemen, beispielsweise von SAS Institute oder Oracle, aber auch aus Open-Source-Projekten wie Hadoop oder Cassandra, in ein und dieselbe Abfrage einzubeziehen.

Wie Teradatas Chief Technology Officer, Stephen Brobst, erläutert, orchestriert Querygrid die Verarbeitung einer Anfrage über verschiedene Systeme. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Konnektoren und Programmierschnittstellen (APIs). Der Kunde, genauer gesagt: sein Lösungsarchitekt, definiert, welchen Teil der Abfrage er auf welchem System erledigt haben will ­- und das Querygrid besorgt den Rest.

Der Kern des "Grid" besteht, so Brobst, aus einem Apache-Projekt namens "Presto", das Teradata gemeinsam mit Facebook initiiert hat. Die quelloffene Software wird von Teradata supportet sowie im Rahmen des Querygrid-Angebots vermarktet.

Presto ermöglicht laut Brobst vor allem einen schnellen und verlässlichen Zugriff auf Big-Data-Speichersysteme wie Hadoop. Die Geschwindigkeit wird durch InMemory-Verarbeitung erzielt. Hier ist wohl der Grund dafür zu suchen, warum die Datenauswertungs-Software "Business Objects" auf den Teradata-Konferenzen heute nicht (mehr) präsent ist: Seit 2008 gehört das ursprünglich aus Frankreich stammende Business Objects zum SAP-Angebot, und die Walldorfer haben bekanntlich eine eigene InMemory-Technik ("HANA") entwickelt, die zwar ergänzend zu Teradata genutzt werden könnte, aber doch eher als Konkurrenz wahrgenommen wird.

Managed Cloud von Deutschland aus

Relativ spät hat sich Teradata entschlossen, mit den gängigen Public-Cloud-Angeboten zu kooperieren. Nach eigener Darstellung aber genau zum richtigen Zeitpunkt: Auch die Kunden seien ja erst seit kurzem bereit, ihre kritischen Systeme einem Dritten anzuvertrauen, so das Statement des Teradata-Managements.

Die komplette Teradata-Datenbanksoftware ("Teradata Everywhere") wird laut Ankündigung spätestens zum Jahresende nicht nur auf AWS, sondern auch auf Microsoft Azure angeboten. Daneben unterstützt Teradata die Installation seines Produktportfolios in "privaten" Clouds. Darüber hinaus offeriert das Unternehmen in den USA sowie demnächst auch in Europa eine "Managed Cloud". Sie wird auf den schnellen "Intelliflex"-Appliances betrieben und schließt die Datenbankadministration sowie wahlweise auch Zusatzdienstleistungen wie Information Analytics as a Service ein.

Dieses Angebot soll bewusst nicht mit den Public Clouds konkurrieren, beteuert Teradata. Es wende sich an Großkunden, die schnell und ohne viel eigenen Aufwand "mal etwas ausprobieren", also beispielsweise Tests fahren wollten. Wie Zentraleuropa-Geschäftsführer Puljic vorschlägt, könnten auch Third-Party-Anbieter die Plattform nutzen, um auf dieser Basis eigene Services zu offerieren.

In den USA ist Teradata mit diesem Angebot schon am Markt. In den kommenden Wochen sollen auch die europäischen Anwender davon Gebrauch machen können. Mit Rücksicht auf deren Sicherheitsbedürfnis wird Teradata die Managed Cloud von Frankfurt aus betreiben und verspricht, die Daten physisch dort zu belassen.

Analyse ohne Systemgrenzen

Über all diese Cloud-Varianten können die Anwender mit Hilfe von "Teradata Unity" ihre Workloads verteilen, so verspricht der Anbieter. Public-, Private- und Managed-Cloud-Umgebungen würden sich so mitsamt den on premise betriebenen Systemen zu einem hybriden Ökosystem ergänzen. Auf dieses Weise ließen sich nicht nur Beanspruchungsspitzen kappen, sondern auch unterschiedliche Nutzergruppen adäquat bedienen. Auch unter dem Sicherheitsaspekt wichtig: Die Daten müssen nicht mehr physisch bewegt werden, sondern lassen dort analysieren, wo sie gerade sind. Spätestens im Frühsommer des kommenden Jahres will Teradata zudem Features bereitstellen, die eine Datenbankreplikation "auf Knopfdruck" ermöglichen - sinnvoll beispielsweise für Qualitätssicherung und Entwicklertests.

Die neue Generation des Querygrid, angekündigt für das Jahresende, stellt eine einheitliche Syntax bereit, mit der sich alle genannten Zielsysteme verbinden lassen. Glänzen soll sie auch mit neuen Sicherheits-Features wie Datenverschlüsselung und einem Leistungs-Monitoring.