Telekom und ver.di begraben das Kriegsbeil - vorerst

13.06.2007
Die zentrale Frage in der jetzigen Situation ist: Wie kommen ver.di und die Telekom zu einem Abschluss der Verhandlungen, bei dem beide Seiten ihr Gesicht wahren und das Ergebnis gegenüber ihren Interessengruppen als Erfolg verbuchen können?

Während Telekom-Chef René Obermann auf einer Fachtagung in Düsseldorf seine Strategie vorstellte, rauchten in einem Bonner Hotel die Köpfe der ver.di-Tarifkommission: Daumen rauf oder Daumen runter für neue Verhandlungen mit der Telekom über den geplanten Stellenumbau beim Bonner Konzern. Am gestrigen Nachmittag dann grünes Licht für die ver.di-Verhandlungskommission unter Führung von Lothar Schröder, mit dem Management offizielle Gespräche über die Auslagerung von 50.000 Arbeitsplätzen in Service-Betriebe (T-Service) wieder aufzunehmen.

"Nachdem erkennbar ist, dass sich die Telekom nach wochenlangem Streik auf ver.di zu bewegt, sind wir bereit, uns an den Verhandlungstisch zu setzen", sagte Schröder. Diese Linie der Gewerkschaft hatte sich bereits seit einigen Tagen angedeutet, nachdem der neue Personalchef der Telekom, Thomas Sattelberger, mit einem nachgebesserten Angebot hierzu das Signal gegeben hatte.

Ver.di-Mann Schröder zeigte sich am Mittwoch verhalten optimistisch im Gespräch mit dem Inforadio vom "rbb": "Es gibt vielleicht eine realistische Chance, die geplanten Einkommenseinbußen notfalls unter Einrechnung künftiger Tarifrunden vom Tisch zu bringen und die Gehälter der Beschäftigten zu schützen". Neben der Sicherung der vorhandenen Einkommen gehe es ver.di auch um einen Kündigungsschutz, der den Betroffenen in den neuen Gesellschaften Sicherheit biete. Schröder sagte, der Streik werde etwas zurückgenommen. "Wir werden jetzt sukzessive immer mehrere tausend Beschäftigte aus dem Streik rausnehmen. Aber wir sind durchaus in der Lage, wieder hochzufahren, wenn sich bei den Verhandlungen zeigen sollte, dass die Telekom doch nicht zu dem steht, was sie in Aussicht gestellt hat", sagte Schröder.

Seit einem Monat wird bei dem Bonner Riesen gestreikt, weil der Vorstand den Beschäftigten einiges abverlangt. Sie sollen ab dem 1. Juli in neue Service-Töchter wechseln und dort länger zu ungünstigeren Bedingungen arbeiten, sprich für weniger Geld. Obermann hat der Telekom einen strikten Sparkurs verordnet, damit das Unternehmen und vor allem die angeschlagene Festnetzsparte im Wettbewerb bestehen kann. Zwischen 500 Millionen und 900 Millionen Euro will der Telekom-Chef durch Einschnitte bei den Gehältern und dem Hereinholen von Fremdarbeiten in den Konzern einsparen.

Den Weg zurück an den Verhandlungstisch bereitete Sattelberger, indem er ver.di ein verbessertes Angebot mit einem Erfolgsbonus und Investitionen in die Weiterbildung in Aussicht stellte. Damit wurde ver.di eine Brücke für den Wiedereinstieg in Gespräche gebaut. "Beide Seite müssen ihr Gesicht wahren können", lautet die Devise von Sattelberger. Das heißt, ver.di muss einen Kompromiss seinen Mitgliedern als Erfolg verkaufen können und die Telekom darf ihre Sparziele nicht aus dem Auge verlieren.

Keine Frage, mit dem Amtsantritt von Sattelberger vor einem Monat kam frischer Wind in den fest gefahrenen Arbeitskonflikt. Zuvor hatten sich die Tarifpartner in mehreren Verhandlungsrunden in der Frage, was kann den Beschäftigten zugemutet werden und was nicht, hoffnungslos verrannt. Intern wirbt Sattelberger bereits für eine engere Zusammenarbeit mit ver.di, um künftig Auseinandersetzungen wie um T-Service zu vermeiden.

Noch nie war die Lage so verfahren wie jetzt: Lange Zeit sah es so aus, als ob sich beide Seiten in eine Sackgasse manövriert hätten. Die Telekom beharrte starr auf Lohnkürzungen, was ver.di ablehnen musste. "Warum sollten die Telekom-Mitarbeiter weniger verdienen, wenn gleichzeitig beim Konkurrenten Arcor die Löhne erhöht werden", sagte ein ver.di-Vertreter. Telekom-Chef Obermann verteidigt den Umbau hingegen als unumgänglich, um Wettbewerbsnachteile gegenüber der Konkurrenz auszugleichen. Ohne drastische Schritte droht die Telekom zum Übernahmekandidaten zu werden, warnte Obermann in Düsseldorf. Finanzinvestoren könnten den Konzern übernehmen und anschließend zerschlagen. "Ich glaube nicht, dass wir kurzfristig bedroht sind - aber langfristig."

Wer jetzt wen an den Verhandlungstisch zurückgebracht hat, darüber darf gestritten werden. Nach Ansicht von Schröder ist es vor allem der Streik gewesen, der den Vorstand zum Umdenken veranlasst hat. Doch in den vergangenen Wochen ist auch klar geworden, dass die schärfste Waffe der Gewerkschaft mit zunehmender Dauer des Arbeitskonflikts stumpfer geworden ist. Zwar räumt die Telekom partielle Verzögerungen unter anderem bei der Abarbeitung von Neuaufträgen und bei Entstörungen ein, aber ein Aufschrei der Empörung unter den Kunden ist ausgeblieben. (dpa/ajf)

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