Bertelsmann/Arvato möglicher Käufer

Telekom stellt Adresshändler SAF auf den Prüfstand

25.09.2008
Die Deutsche Telekom hat nach Informationen aus Konzernkreisen ihre Tochter SAF Unternehmensverbund, einen der größten Adresshändler Deutschlands, auf den Prüfstand gestellt.

Derzeit werde ein Verkauf der in Heidelberg angesiedelten Gruppe geprüft, erfuhr die Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX am Donnerstag aus den Kreisen. SAF verwertete auch Daten der vielen Millionen Kunden der Telekom. Erfasst sind 32 Millionen Bankverbindungen und 47 Millionen Adressen.

Die Telekom zählt die Tochter nicht zum Kerngeschäft. Noch ist unklar, ob SAF tatsächlich veräußert wird. Erschwert würde eine solche Transaktion dadurch, dass bei der Firma Daten der Telekom lagern. Diese könnten nicht ohne weiteres an andere Unternehmen übergeben werden, hieß es in den Kreisen. Wegen der öffentlichen Diskussion um die Bespitzelung von Aufsichtsräten und Journalisten seien zudem Zweifel in der Konzernführung aufgekommen. Als möglicher Käufer gilt den Kreisen zufolge der Bertelsmann-Konzern, der mit dem Erwerb seine Tochter Arvato stärken könnte. Der Medienkonzern und die Telekom äußerten sich nicht dazu.

Die Telekom gerät wegen SAF in den Fokus von Datenschützern. Der Leiter des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), Thilo Weichert, bemängelte, dass bei Stichproben eine gesetzlich vorgeschriebene Information an die Betroffenen ausgeblieben sei. Bei drei von dpa-AFX über das Online-Portal von SAF durchgeführten Bonitätsabfragen wurde keiner der Betroffenen informiert. "Das ist eindeutig unzulässig und entspricht nicht dem Datenschutzgesetz", sagte Weichert in Kiel.

Dem Gesetz nach müssten die Betroffenen bei einer erstmaligen Abfrage zeitnah informiert werden. "Dazu gibt es ein geregeltes Verfahren." Die Mitteilung ist oftmals der einzige Weg, über den die Menschen von der Datenspeicherung Kenntnis erhalten. Die Telekom-Tochter begründete das Ausbleiben zunächst damit, das nur bei Negativmerkmalen die Betroffenen informiert werden müssten, räumte dann aber ein, dass "selbstverständlich" bei Erstabfrage eine Mitteilung verschickt werden müsse.

Im vergangenen Jahr setzte SAF mit 500 Beschäftigten 65,2 Millionen Euro um und erzielte dabei einen Gewinn von 53,5 Millionen Euro. Kunden von SAF sind neben der Telekom Unternehmen aus der Finanz-, Telefon- und Energiebranche.

Porträt: Die Datensammler der Telekom

Ein schmuckloses Gebäude am Rande von Heidelberg. Im Eingangsbereich Linoleum, Glasschränke mit alten Telefonkabeln und ein Aufzug, der zu Zeiten der Bundespost eingebaut wurde. Dieser fährt herauf in den vierten Stock, wo Peter Bürker sein Büro hat. Bürker ist Chef des SAF Unternehmensverbunds. Kaum jemand kennt die Firma, dafür kennt die SAF-Gruppe fast jeden Bürger - zum Teil erschreckend genau. Das Unternehmen ist einer der größten Datensammler Deutschlands; und das dank der Kundendaten des Mutterkonzerns Deutsche Telekom.

Die Heidelberger Tochter ist im verschachtelten Konzernkonstrukt für Außenstehende kaum auffindbar. Auch im Büro von Bürker sucht man vergeblich nach einem Hinweis auf die Telekom. Dabei arbeitet die SAF-Gruppe erfolgreich in einem stark wachsenden Markt. Die Firma mit ihren 500 Mitarbeitern handelt mit Daten von vielen Millionen Menschen. Ein heikles Thema, nicht erst seit dem kürzlich aufgedeckten illegalen Handel mit Daten zehntausender Bürger. SAF ist davon nicht betroffen.

Der 58-jährige Bürker zeigt sich wie andere Datenhändler verschlossen auf Fragen nach Kunden, Umsatz und erfassten Datenmengen. Nennt mal ein Volumen von drei, dann von zwölf Millionen Daten. Eine ziemliche Untertreibung: In einer der dpa-AFX vorliegenden Präsentation, mit der die Firma auf Kundenwerbung ging, heißt es: "Einmaliger Abdeckungsgrad der gesamten deutschen Bevölkerung". In Zahlen sind das: 32 Millionen Bankverbindungen und 47 Millionen Adressen. Täglich kommen neue hinzu, eingesammelt über die Telekom oder bei Behörden. Mit allen Gerichten und Meldebehörden hat SAF nach eigenen Angaben Verträge geschlossen, um Einblick in deren Bestände zu erhalten. Meldet etwa jemand Insolvenz an, wird dies auf den SAF-Rechnern gespeichert.

Gedeckt wird der Zugriff auf die Telekom-Daten durch das Kleingedruckte in den Telefonverträgen. Diese Zweitverwertung der Kundenbeziehung lohnt sich: Zuletzt setzte SAF 65,2 Millionen Euro um und verdiente dabei 53,5 Millionen Euro. Und das Geschäft soll wachsen: Mit verstärkten Vertriebsaktivitäten will SAF den Druck auf die Konkurrenten Schufa, Creditreform und die Bertelsmann-Tochter Arvato erhöhen.

Die Kunden der SAF-Gruppe - neben der Telekom Finanzinstitute, Energie- und Telekomfirmen wie debitel und edis - überprüfen mit den Daten ihre Kunden. Die Informationen haben es in sich: Über das Internet können die Kunden Telefonnummern und Adressen abrufen. Als besonders solide gelten zudem die Aussagen zur Bonität, da die Telekom anhand der Telefonrechnungen der vergangenen Jahre ein Bild der Zahlungsmoral liefern kann.

Rege genutzt wird auch der Online-Zugriff von SAF auf die Einträge bei den Meldeämtern: Alleine in Berlin würden monatlich zwischen 30.000 und 40.000 Adressen beim Meldeamt abgefragt, sagt Bürker. Pro Jahr wird damit rein rechnerisch rund jeder zehnte Berliner überprüft. Die Palette der Dienstleistungen reicht weiter: Auf Bestellung schickt SAF eigene "Ermittler" los, um Leute aufzuspüren. Mit Erfolg, wie Bürker sagt: In 60 Prozent der Fälle hätten frühere Nachbarn Informationen über den Verbleib gesuchter Personen. Rund 350.000 mal im Jahr rücken die Ermittler aus.

Den Datenschützern ein Dorn im Auge

Für die Kunden sind die Datensammler unverzichtbar geworden, um das Risiko von Zahlungsausfällen zu verringern. Datenschützern sind SAF & Co indes ein Dorn im Auge. Thilo Weichert, Datenschutzbeauftragter in Schleswig-Holstein, vertraut auch renommierten Firmen nicht: "Für keine Auskunftsdatei würde ich die Hand ins Feuer legen. Deren Ziel ist die Gewinnmaximierung." Dies müsse er immer wieder feststellen.

Die Firma SAF ist bei Erstabfrage verpflichtet, die Bürger darüber zu informieren. Laut Bürker wird die entsprechende Mitteilung automatisch verschickt. Stichproben ergaben Lücken: Bei drei von der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX durchgeführten Abfragen über das Online-Portal von SAF wurde keiner der Betroffenen informiert. Für Weichert keine Überraschung, er habe dies häufig in der Branche beobachtet. Für die Betroffenen ist die Mitteilung oftmals der einzige Weg, um herauszufinden, wo Daten über sie lagern. Bleibt die Mitteilung aus, ist das ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz.

Bürker beschreibt SAF im Gesamtkonzern als Vorreiter in Sachen Datensicherheit: "Bei konzerninternen Datenschutz-Überprüfungen schneiden wir immer sehr gut ab." Die Sorge um Datenschutz bei SAF könnte sich für die Telekom bald erledigen. Wie aus Konzernkreisen verlautete, prüft die Telekom einen Verkauf der Gruppe. Möglicher Käufer sei Arvato aus dem Bertelsmann-Konzern. Bei einem Zusammenschluss würde wohl der größte Datenpool Deutschlands entstehen. (dpa/tc)