Sprachlosigkeit zwischen DV-Oldies und Newcomern überwinden

Teamfähige C/S-Profis: Suche nach der Stecknadel im Heu

10.05.1996

Die IT-Welt, registriert der amerikanische Servicekonzern Deloitte & Touche, befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Bereits 1993 wurde mehr als ein Viertel aller Anwendungen für den Einsatz in Client-Server-Umgebungen entwickelt. Bis Ende 1995 ist deren Zahl auf über 50 Prozent gestiegen. Die Analysten berufen sich auf die Aussagen von rund 400 amerikanischen und kanadischen Chief Information Officers (CIOs) aus großen Konzernen und Institutionen. Die Quote wäre nach Meinung der US-Marktforscher noch höher, wenn der Arbeitsmarkt mehr Client-Server-Spezialisten hergäbe und sich die Umschulung von Mainframe-Experten weniger kompliziert gestalten würde.

"Diese Aussage trifft auch auf den deutschen Markt zu", bestätigt Brigitte Krcmar, Marketing-Leiterin bei der Integrata Training AG, Tübingen. Tatsächlich bremse der Mangel an Client-Server-Profis in vielen Fällen den Wechsel der Plattformen. Dazu komme die Überbewertung der technischen Komponenten. Diese Überschätzung sei zwar verständlich, denn ein neues Konzept könne sich nur durchsetzen, wenn alle erforderlichen Komponenten verfügbar und einsetzbar seien, doch eine erfolgreiche Umsetzung hänge auch von anderen Faktoren ab. Letztendlich würden die Probleme in nahezu allen Fällen im organisatorischen Umfeld auftreten.

Krcmar weist auf signifikante Veränderungen im Ausbildungsgeschäft hin. Noch vor einigen Jahren hätten die DV-Mitarbeiter eine homogene Gruppe gebildet - selbstbewußt und gut ausgebildet. Das Hauptanliegen der Computerprofis sei es gewesen, ihr Know-how auf dem neuesten Stand zu halten und dabei rechtzeitig neue Themen aufzugreifen.

Da qualifizierte Arbeitskräfte knapp waren, hätten die meisten Unternehmen ohne zu murren in die Qualifizierung ihrer DV-Mitarbeiter investiert. Dieses Bild habe sich mit dem Einzug von PCs und Netzen drastisch gewandelt. Dahinter stehe aber nicht nur die Ablösung von Großrechnern zugunsten von Client-Server-Architekturen, sondern die Verschiebung des reinen technikorientierten zu einem organisatorischen Blickwinkel. Angesichts dieser Veränderung registrieren manche IT-Verantwortliche mit Sorge die festbetonierte Denkweise ihrer älteren DV-Profis. Die Handhabung dieses Problems ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Während die einen ihren Oldies die Möglichkeit geben, Schritt für Schritt in die neue Umgebung hineinzuwachsen, bieten andere Unternehmen ihnen Jobs in rein technischen Bereichen an.

Wer nicht das Glück hat, beispielsweise mit Wartungsaufgaben eingedeckt zu werden, muß allerdings mit Entlassung rechnen, erklärt Bildungsexpertin Krcmar. Daß diese Perspektiven das Umdenken älterer Mitarbeiter nicht gerade fördern, kann Krcmar nachvollziehen. Im Gegensatz zu ihren älteren Kollegen könne die "Turnschuh-Generation" dagegen locker mit der geforderten dezentralisierten Denkweise umgehen. Krcmar: "Die Frage, was machen wir mit unseren älteren DV-Kollegen, ist in den Unternehmen derzeit ein wichtiges personalpolitisches Thema. Die vielen Entlassungen der vergangenen Jahre sprechen für sich."

Christian Neßlinger, Prokurist bei der Informatik Training GmbH in Radolfzell, plädiert für eine bessere Kommunikation zwischen den betagten und den jungen Computerprofis: "Für die Migration auf Client-Server werden sowohl DV-Experten benötigt, die seit vielen Jahren in der Groß-DV gearbeitet haben und nun auf die neue Technologie umsteigen wollen, als auch Neueinsteiger, die sich schnell in die Client-Server-Denkweise einarbeiten können."

Neßlinger rät den Unternehmen, die erfahrenen DV-Kollegen zusammen mit den Newcomern an einem Client-Server-Seminar teilnehmen zu lassen. Auf einer solchen Weiterbildungsveranstaltung sei es Aufgabe des Trainers, das Verständnis für die unterschiedlichen Probleme zu wecken. "Ein guter Ausbilder kann viel zur Lösung des Kommunikationsproblems beitragen", meint Neßlinger. Zudem sei es für beide Gruppen wichtig, zu lernen, sich nicht von den Schlagworten blenden zu lassen, sondern gemeinsam eine Plattform zu finden, von der aus die verschiedenen Varianten für ein C/S-Projekt erarbeitet werden können. Neßlinger: "Das größte Problem war und ist noch immer die mangelnde Kommunikation zwischen den Beteiligten."

Schützenhilfe erhalten die DV-Oldies auch von Stefan Albert, Leiter der Geschäftsstelle Technologie bei der CSC Ploenzke AG, Wiesbaden: "Wenn die PC-Welt mit der gleichen Ernsthaftigkeit betrieben werden soll wie die Mainframe-Welt, überlasse ich sie nicht nur irgendwelchen Youngstern von der Universität, sondern nutze auch das Betriebs-Know-how von älteren RZ-Mitarbeitern." Wenn es einem Unternehmen gelinge, die Zusammenarbeit zwischen einem gestandenen RZ-Mann und einem jungen LAN-Administrator zu fördern und die Synergieeffekte zu nutzen, sei dies die optimale Lösung.

Daß Client-Server-Profis nach wie vor begehrt sind, bestätigen auch die vielen Anzeigen in großen Tages- und Fachzeitungen. Fast allen gemein ist die Forderung nach einem Informatikstudium beziehungsweise einer informatiknahen Ausbildung. Soziale Kompetenzen wie Teamgeist, Kontaktstärke, Kommunikationsgeschick und Flexibilität rücken in den Vordergrund. Die Stellenanzeigen spiegeln die veränderte DV-Berufswelt wider: weg vom reinen Techniker hin zum teamfähigen Client-Server-und Netzwerk-Profi.