Es geht aufwärts

Tagessätze für IT-Dienstleistungen steigen

19.08.2008
Die IT-Tagessätze entwickeln sich nach oben. Doch von dem Trend können nicht alle Dienstleister und Freiberufler gleichermaßen profitieren. Gefragt sind Berufserfahrung und spezielle Tätigkeitsfelder.

Ein Großteil der deutschen IT-Dienstleister rechnet aktuell wieder mit steigenden Preisen. Dieser Aufwärtstrend - seit Jahren herbeigesehnt - hat lange auf sich warten lassen. Denn obwohl bereits 2006 ein Konjunkturaufschwung zu verzeichnen war, konnten Preissteigerungen kaum durchgesetzt werden, berichten die Analysten des Marktforschungsunternehmens Pierre Audoin Consultants (PAC). Diese positive Tendenz wird ihrer Meinung nach jedoch nicht homogen ausfallen, da die Entwicklung der Tagessätze von zahlreichen, oftmals sehr unterschiedlichen Faktoren beeinflusst wird.

Der IT-Markt unterliege einem stetigen Wandel, weshalb sich Fachkräfte mit immer neuen Themen auseinandersetzen müssen. So erfordern die zahlreichen gesetzlichen Änderungen (etwa REACH, Solvency II, Compliance-Richtlinien), aber auch neue Technologien ein immer spezielleres Know-how der Arbeitskräfte. Folglich werde die Qualifizierung von Fachkräften ein zunehmend wichtiges Kriterium auf dem IT-Markt, erwartet PAC. Dieser Trend begegne auf dem deutschen Markt einer anderen starken Entwicklung: dem zunehmenden Fachkräftemangel. Derzeit seien am Markt für viele Themenbereiche nur sehr begrenzt Spezialisten zu finden. Durch den zunehmenden Mangel sieht PAC überproportional steigende Preise für hoch qualifizierte Mitarbeiter. Der Preisanstieg für gering qualifizierte Kräfte werde unter dem Marktdurchschnitt erwartet, da die Nachfrage hiernach künftig stärker auch durch Near- beziehungsweise Offshore-Ressourcen abgedeckt werden könnte.

Neben der Qualifizierung der Mitarbeiter übe auch die Berufserfahrung einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Tagessätze aus, so PAC-Beraterin Kerstin Dirtheuer. "Ausgelöst durch den Crash 2001 haben die Unternehmen nur sehr wenig Kapital in die Ausbildung von Junior-Beratern gesteckt. Diese fehlenden Investitionen haben jedoch entscheidend zum Fachkräftemangel auf dem deutschen IT-Markt beigetragen." Der geringeren Anzahl an erfahrenen Fachkräften stehe nunmehr die steigende Nachfrage nach mitunter sehr erfahrenen Ressourcen gegenüber. Somit würden sich erfahrene Mitarbeiter auf einer ausgezeichneten Verhandlungsbasis bewegen - da ihre langjährige Erfahrung und das damit erworbene Know-how immer dringender auf dem Markt benötigt werden.

Einen ähnlichen Trend hat auch Ulrich Dietz, Vorstandsvorsitzender der GFT Technologies AG, im Segment der freiberuflichen Dienstleister ausgemacht. "Qualifizierte und hoch spezialisierte IT-Berater sind Mangelware am Markt und entsprechend sind Auftraggeber bereit, angemessene Stunden- und Tagessätze zu bezahlen." Immer wichtiger werde dabei die Verbindung fachlicher mit sozialer Kompetenz, so Dietz, dessen Unternehmensbereich Resourcing freiberufliche IT-Experten für Projekte vermittelt. "Für unsere Kunden ist die oberste Priorität, den passenden Projektmitarbeiter zu finden, Projekte entsprechend erfolgreich durchzuführen und dadurch wettbewerbsfähig zu bleiben." Erst danach werde der Kostenfaktor relevant.

Dabei würden die altbekannten Marktgesetze von Angebot und Nachfrage gelten: Besonders "wertvoll" seien zum einen IT-Freiberufler, die sich auf Nischenthemen spezialisiert haben; zum anderen Experten, die in großer Zahl benötigt werden, beispielsweise im SAP-Bereich. Und: "Auch für Mitarbeiter, die bereit sind, in Auslandseinsätzen Projekte zu realisieren, werden tendenziell eher steigende Tagessätze akzeptiert", so Dietz. Einen Preisverfall bei IT-Dienstleistungen, wie er unlängst von einem Benchmark-Experten diagnostiziert worden war, kann der GFT-Chef nicht feststellen.

Ein Einflussfaktor, der von vielen IT-Dienstleistern kritisch beobachtet wird, ist die zunehmende Präsenz insbesondere indischer IT-Dienstleister sowie die Ost-Erweiterung der Europäischen Union. Obwohl die Marktanalyse von PAC ergeben hat, dass bei Onsite-Preisen bisher keine gravierenden Veränderungen zu erwarten sind, muss PAC zufolge dennoch mit einem "steigenden Preisdruck im Commodity-Umfeld" gerechnet werden. Ein Bereich, der die Auswirkungen der Preisentwicklung widerspiegelt, ist das SAP-Umfeld. Die Umstellung auf das neue SAP ERP-Release gehe mit deutlichen Veränderungen hinsichtlich der Anforderungen an die SAP-Berater einher. Commodity-Leistungen würden vermehrt von Offshore-Ressourcen übernommen, andererseits werde der Bedarf an hochqualifizierten Spezialisten im SAP-Umfeld immer weiter steigen, erwarten die Analysten. Als Folge entwickeln sich die Preise im Commodity-Umfeld unter dem Marktdurchschnitt, während SAP-Spezialisten aufgrund der steigenden Nachfrage auf dem Markt überdurchschnittliche Preise durchsetzen können. (ajf)