Zwischen Entwicklern und SW-Häusern gibt es viele Streitpunkte

SW-Entwickler arbeiten mit einem beträchtlichen Risiko

15.06.1990

Im zweiten Teil seiner Besprechung typischer rechtlicher Probleme in der Software-Entwicklungspraxis behandelt Frank Koch* die Themenkreise: Verschwiegenheits- und Datenschutzverpflichtungen, Abwerbeverbote sowie Entwicklungsrechte in Joint-ventures mit DDR-Betrieben. Außerdem gibt der Jurist Hinweise, in welchen Fällen Rechtsschutzversicherungen für Entwickler sinnvoll sind.

In vielen Anstellungsverträgen mit Programmentwicklern finden sich festgelegte Verschwiegenheitsverpflichtungen, teilweise sogar in einzelnen Auftragsbedingungen. Bestimmte Programmentwicklungen und Kundendateien sollen vor der Konkurrenz geschützt werden.

Eine ausdrückliche Vereinbarung von Verschwiegenheitsverpflichtungen empfiehlt sich in jedem Fall. Solche Vereinbarungen haben eine Warnfunktion und erleichtern im Zweifelsfall die Beweisführung. Aber auch ohne entsprechende Vertragsbestimmungen bleibt der Auftrag- beziehungsweise der Arbeitgeber nicht ungeschützt. Den Programmentwickler treffen in jedem Fall vertragliche Nebenpflichten hinsichtlich der Diskretion, unabhängig von besonderen Vereinbarungen.

Höchstens drei Jahre Verschwiegenheitspflicht

Der unter die Verschwiegenheitspflicht fallende Bereich darf allerdings nicht beliebig ausgedehnt werden. Probleme könnten zum Beispiel entstehen, wenn aufgabenunabhängige, berufliche Fachkenntnisse eines Mitarbeiters in den Bereich seiner Verschwiegenheitsverpflichtung einbezogen werden sollen. Im Ergebnis liefe eine solche Vereinbarung auf ein Karenzentschädigungspflichtiges Wettbewerbsverbot hinaus, das einer besonderen ausdrücklichen Vereinbarung bedarf und höchstens für zwei Jahre wirksam geregelt werden kann (vergleiche die °° 74 und 75 im Handelsgesetzbuch).

Ein Abwerbeverbot kann vereinbart werden

Probleme sind auch hier bei der Frage der Abgrenzung möglich. Natürlich darf zum Beispiel der Entwickler nicht alle Kfz-Händler aus der Kundenadreß-Datei seines früheren Arbeitgebers anschreiben und diesen eine eigene Parallelentwicklung anbieten.

Dagegen muß er keine Schwierigkeiten befürchten, wenn er aus Branchenverzeichnissen alle Kfz-Händler heraussucht oder entsprechendes Adreßmaterial von Händlern erwirbt und auf dieser Basis eine Werbeaktion für ein Parallelprodukt startet, das er aufgrund seines besonderen Fachwissens erstellt hat .

Für den Arbeitgeber stellt sich die Frage, ob er dem Mitarbeiter aufgrund einer besonderen Vereinbarung untersagen kann, derartige Parallelprodukte überhaupt nachvertraglich zu vermarkten. Bereits ein eingeschränktes Verbot stellt nämlich möglicherweise ein in vollem Umfang Karenzentschädigungspflichtiges Wettbewerbsverbot dar . Beide Seiten werden hier genau prüfen müssen, welches ihre tatsächlich schützenswerten Interessen sind und ob sich die jahrelange Zahlung von Karenzentschädigungen für die Absicherung gegen die Konkurrenz lohnt.

Zwischen einem Softwarehaus und dessen Kunden kann vertraglich ein "Abwerbeverbot" vereinbart werden. Will der Kunde nicht Schadenersatz zahlen, so darf er keinen Mitarbeiter des Softwarehauses abwerben . Dieses Verbot stellt, was das Verhältnis des Software-Anbieters zu seinen Mitarbeitern angeht, in aller Regel ebenfalls ein Karenzentschädigungspflichtiges Wettbewerbsverbot dar. Dem Mitarbeiter ist untersagt, eine anderweitige gewerbliche Tätigkeit aufzunehmen.

Gegenüber den Mitarbeitern bedarf ein solches Abwerbeverbot besonderer Vereinbarungen, auch wenn es nur Teilbereiche des Marktes - zum Beispiel bestimmte Konkurrenten oder Kunden - betreffen mag. Entgegen mancher Auffassung in der Praxis bringen also auch Abwerbeverbote in Arbeitsverträgen die Verpflichtung des Arbeitgebers mit sich, Karenzentschädigungen zu zahlen.

Anderes gilt freilich für Abwerbeverbote in Verträgen mit freien Entwicklern. Solche Verbote sind grundsätzlich während der jeweiligen Auftragsausführung wirksam zu vereinbaren. Nachvertraglich darf ein freier Programmentwickler allerdings nicht auf unbegrenzte Zeit daran gehindert werden, für Konkurrenten oder Kunden des Auftraggebers tätig zu werden. Derartige zeitlich oder räumlich unbegrenzten Verbote sind unwirksam.

Die Verpflichtung zur Verschwiegenheit ist nicht mit der Verpflichtung das Datengeheimnis zu wahren identisch. Das gesetzliche Datengeheimnis schützt nämlich nicht primär interne Informationen des datenverarbeitenden Betriebes, sondern alle Daten derer, die von einer personenbezogenen Datenverarbeitung betroffen sind - seien es Kunden, Arbeitnehmer oder Dritte, wie zum Beispiel Ehegatten.

Das Bundesdatenschutzgesetz verlangt deshalb ausdrücklich in ° 5 fünf eine entsprechende Verpflichtung der mit dieser Datenverarbeitung beschäftigten Personen. Zudem muß der Arbeitgeber sicherstellen, daß der Mitarbeiter diese Verpflichtung zur Kenntnis nimmt. Dies geschieht durch die Unterzeichnung einer getrennten schriftlichen Betstätigung seitens des Arbeitnehmers.

Mißtrauen gegenüber dem einzelnen Mitarbeiter ist mit dieser formellen, gesetzlich vorgeschriebenen Verpflichtungsform also nicht verbunden. Hegt der Arbeitgeber dieses Mißtrauen, so darf er den jeweiligen Entwickler überhaupt nicht mit der personenbezogenen Datenverarbeitung betrauen.

Die schriftliche Verpflichtungserklärung nach dem Datenschutzrecht ersetzt kein Wettbewerbsverbot. Dieses muß wiederum gesondert vereinbart werden.

Der Wirtschaftsaufbau in der DDR verlangt besondere Anstrengungen - auch im DV-Bereich. Software-Anbieter werden zunehmend Leistungen vor Ort, auf DDR-Gebiet, erbringen müssen. Dies hat auf bestehende Vertragsverhältnisse teilweise beträchtliche Auswirkungen.

Software-Entwickler sollten in diesem Zusammenhang genau prüfen, wer eigentlich ihr

Vertragspartner ist: das bundesdeutsche Softwarehaus, ein (Noch-)VEB- oder ein Joint-venture aus beiden. Weiter sollten Sie unbedingt klären, ob auf Ihre Entwicklungsarbeit bundesdeutsches oder DDR-Recht angewendet wird. Im letzteren Fall ist auch bei einer zu erwartenden Einführung bundesdeutschen Rechts mit längerfristigen Übergangsregelungen zu rechnen, die in der Praxis bestimmte Rechtsnachteile für Programmentwickler bedeuten können.

Dies gilt auch nicht zuletzt für den Rechtsschutz von Software: Nach DDR-Recht ist Software nicht urheberrechtlich schutzfähig - so ein Urteil des Bezirksgerichts Leipzig vom 14. September 1979 (Neue Justiz 1981, S. 236). Softwarebezogene Entwicklungs- und Wartungsleistungen, zum Beispiel das Updating, genießen also keinen Schutz nach den urheberrechtlichen Bestimmungen in der DDR - weder zivil- noch strafrechtlich .

Ein wettbewerbsrechtlicher Schutz von Software besteht ebenfalls nicht. Die eigentlichen Entwicklungsleistungen sollten deshalb bis zur Rechtsangleichung tunlichst in der Bundesrepublik erfolgen und als fertige Produkte in das Joint-venture eingebracht oder in die DDR importiert werden.

Auch können Softwarehäuser ihre Entwickler nicht unmittelbar für ihr Joint-venture arbeiten lassen, wenn sie hierdurch dem bestehenden Arbeits- und Sozialversicherungsrecht der DDR unterliegen. Den Angestellten ist auf einseitiger Basis weder der Wechsel des Arbeitgebers noch der des Rechts zumutbar, das auf das Anstellungsverhältnis zur Anwendung gelangt.

Lohnen sich Rechtsschutzversicherungen? Sie sind grundsätzlich dann wertvoll, wenn Kostenrisiken aus allgemeinen arbeitsvertraglichen Beratungen und Streitigkeiten abgedeckt werden sollen. Darüber hinaus lohnen sie sich, wenn Entwickler selbständig den Vertrieb von Eigenprodukten organisieren wollen, ohne dabei wettbewerbsrechtliche Probleme mit dem früheren Arbeitgeber zu riskieren .

Teilweise neigen Versicherungen zu einer engen Auslegung der zu gewährenden Kostendeckung. Deshalb muß der unmittelbare Zusammenhang der schutzrechtlichen Frage mit dem Arbeitsverhältnis herausgearbeitet werden. {= |}

Westliche Rechtsmaßstäbe sollten in der DDR gelten

Bundesdeutsche Softwarehäuser können mit DDR-Betrieben Gemeinschaftsunternehmen (Joint-ventures) gründen. Bis zur Einführung einer Wirtschafts- und Rechtsunion empfiehlt es sich hier, die Software-Entwicklungen als Leistungen des bundesdeutschen Partners für das Joint-venture zu vereinbaren und zu definieren. Außerdem sollten Anstellungsverhältnisse mit Programmentwicklern ebenfalls über das westdeutsche Softwarehaus organisiert werden.

Nur unter diesen Voraussetzungen kann der Software-Anbieter die Anwendung von DDR-Recht auf die Entwickler sowohl extern gegenüber dem Joint-venture-Partner in der DDR als auch intern gegenüber den eigenen Mitarbeitern vermeiden. Außerdem lassen sich so Unsicherheiten über die urheberrechtliche Schutzfähigkeit von Software umgehen.

Die Anwendung bundesdeutschen Rechts sollte zur Klarstellung nach Möglichkeit ausdrücklich vereinbart werden. Ob und inwieweit sich bestehende Kooperationsverträge entsprechend ergänzen lassen, muß im Einzelfall genau geprüft werden. Ausgeschlossen sind solche Ergänzungen jedoch zumeist nicht, allein schon deshalb, weil bisher ohnehin klare Vereinbarungen zu diesen Fragen sehr oft fehlen.

Die auf DDR-Gebiet zu vermarktende Software ist möglichst durch technische Programmsperren zu schützen, soweit sich diese anwendungsneutral implementieren lassen. Rechtlich besteht für Software im Gebiet der DDR in keiner Weise ein Schutz gegen Raubkopien durch Dritte.

Die Vereinbarung eines bundesdeutschen Gerichtsstandes stößt erfahrungsgemäß bei DDR-Betrieben auf Vorbehalte. Hier empfiehlt sich als Ausweg die Vereinbarung eines Schiedsgerichts in Zürich oder Wien unter gleichzeitiger Anwendung bundesdeutschen Rechts vor diesem Schiedsgericht.