Dulden, abmahnen oder kündigen?

Surfen am Arbeitsplatz - was ist rechtens?

08.12.2009 von Thorsten Lehmkühler
Ein Arbeitsplatz ohne Internetzugang ist kaum noch vorstellbar. Zunehmend sehen sich Arbeitgeber daher veranlasst, verbindliche Regeln für den betriebsbezogenen Einsatz des Internets aufzustellen.
Wer am Arbeitsplatz privat surft, muss auf der Hut sein.

Eine ausschweifende private Nutzung des Internet während der Arbeitszeit kann nicht im Interesse des Arbeitgebers sein. Aber was ist bei einem festgestellten Fehlverhalten zu tun? Für die arbeitsrechtliche Beurteilung, ob eine Abmahnung erteilt, ordentlich verhaltensbedingt oder gar fristlos gekündigt werden kann, sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Bestand ein ausdrückliches Verbot der privaten Internet-Nutzung? Wurde während oder außerhalb der Arbeitszeit privat im Internet gesurft? In welchem zeitlichen Umfang geschah dies, und welche Kosten sind dem Arbeitgeber dadurch entstanden? Wurden zusätzlich Dateien aus dem Internet heruntergeladen, und konnte dadurch ein Imageverlust des Arbeitgebers eintreten?

Außerordentliche Kündigung rechtens

Hat der Arbeitgeber ausschließlich die dienstliche Nutzung des Internet-Zugangs gestattet, liegt in der privaten Verwendung dieses Betriebsmittels durch den Arbeitnehmer (E-Mail-Verkehr, Surfen im Internet) eine Pflichtverletzung, die auch den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ohne vorausgegangene Abmahnung rechtfertigen kann. Andererseits kann der Arbeitgeber selbst durch eine Untersagung des privaten Gebrauchs einer betrieblichen E-Mail-Adresse nicht verhindern, dass sich eine tarifzuständige Gewerkschaft zwecks Information und Werbung über diese Adresse an die Arbeitnehmer wendet (BAG, Urteil vom 20.01.2009 - 1 AZR 515/08).

Pornografische Inhalte nicht per se verboten

Nicht selten gestattet der Arbeitgeber jedoch die private Nutzung. Oder zumindest duldet er sie, was zu einer betrieblichen Übung führen kann. Nutzt der Arbeitnehmer dann während der Pausenzeiten das Internet, ist dies grundsätzlich folgenlos, sogar wenn er Internet-Seiten mit pornografischem Inhalt besucht.

Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn der Mitarbeiter während der Arbeitszeit privat im Internet surft. Hier verletzt er nicht nur seine vertraglichen Pflichten, wenn er den Internet-Zugang außerhalb des gestatteten Rahmens (vollständiges Verbot der privaten Nutzung oder private Nutzung nur während der Pausenzeiten) verwendet. Darüber hinaus liegt der Verstoß in der Vernachlässigung seiner Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht. Die Pflichtverletzung wiegt hierbei umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung seine Arbeitspflichten vernachlässigt.

In einem vom Bundesarbeitsgericht am 07.07.2005 (2 AZR 581/04) zu entscheidenden Fall nutzte der Mitarbeiter innerhalb von drei Monaten 19 Stunden lang das Internet zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit, obwohl dies vom Arbeitgeber ausdrücklich untersagt worden war. In diesem Fall hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) ebenso wie in einer weiteren Entscheidung zur exzessiven Internet-Nutzung vom 27.04.2006 (2 AZR 386/05) die außerordentliche Kündigung aufgrund des zeitlichen Umfangs der Internet-Nutzung und der damit einhergehenden Vernachlässigung der Arbeitspflicht trotz fehlender Abmahnung für wirksam erklärt.

In zwei weiteren Entscheidungen vom 12.01.2006 (2 AZR 179/05) und 31.05.2007 (2 AZR 200/06) knüpft das BAG an seine strenge Rechtsprechung zum Internet-Surfen an und stellt klar, dass im Fall erheblicher Beeinträchtigungen durch privates Surfen auch ohne vorherige Abmahnung eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein kann - selbst dann, wenn die private Nutzung des Internets im Betrieb nicht ausdrücklich untersagt war.

Zeit, Kosten und Imageverlust

Entscheidend für die Rechtsprechung sind der zeitliche Umfang und das damit einhergehende Versäumnis bezahlter Arbeitszeit, die zusätzlichen Kosten sowie die Gefahr von Beeinträchtigungen des betrieblichen Netzes durch das Herunterladen erheblicher Datenmengen, aber auch der Imageverlust durch das Aufrufen pornografischer oder gar strafrechtlich relevanter Websites. Letzteres kann zu einer unzumutbaren Belastung des Arbeitsverhältnisses werden, die unter Umständen ebenfalls zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.

Aus Arbeitgebersicht empfiehlt sich in jedem Fall, die Nutzung des Internets zu privaten Zwecken generell zu untersagen und gegebenenfalls eine schriftliche Einwilligung des Arbeitnehmers nach Paragraf 4 a BDSG zur Speicherung der besuchten Internet-Seiten einzuholen, um das private Surfen am Arbeitsplatz auch nachweisen zu können. Ansonsten sind die Kontrolle von E-Mails und aufgerufenen Websites sowie deren Auswertung im Prinzip untersagt - wegen des grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechts sowie nach Maßgabe der Bestimmungen des Telemediengesetzes und des Bundesdatenschutzgesetzes.