Eine Studie der Technischen Universität Dortmund in Kooperation mit verschiedenen Freelancer-Börsen zeigt, dass gerade in der IT-Branche Menschen zur Arbeit gehen, auch wenn sie nicht gesund sind. In Online-Untersuchungen berichten fast die Hälfte der Befragten über Muskel-/Skelettprobleme sowie über psychische Beschwerden. Experten warnen nun, dass gesundheitliche Probleme sowie Burnout bei Mitarbeitern sogar die Innovationskraft in der Branche bremsen könnten.
"Die IT-Branche ist nur eine Beispielsbranche", meint Studienleiter Rüdiger Klatt von der TU-Dortmund gegenüber pressetext. "65 Prozent der Alleinselbstständigen klagen über vermutlich arbeitsbedingte Muskel- und Skelettbeschwerden im vergangenen Jahr, 52 Prozent über psychische Probleme", schildert der Experte die Untersuchung. "Das heißt auch, dass die Betroffenen in den Krankenkassenstatistiken nicht auftauchen, da sie weiter arbeiten, auch wenn es ihnen nicht gut geht." Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es sich hier um ein Phänomen des Präsentismus handelt.
"Die Belastungen des Berufs sind so umfangreich, dass nur 30 Prozent der Freelancer sowie etwa 40 Prozent der abhängig Beschäftigten davon ausgehen, die Belastungen bis zum Rentenalter von 65 Jahren aushalten zu können", schildert Klatt. "Zehn Prozent der abhängig Beschäftigten und 14 Prozent der Freelancer gehen sogar davon aus, dass sie die Belastungen nicht einmal bis zum 50. Lebensjahr aushalten werden." Das Durchschnittsalter der Befragten lag bei 43 Jahren.
In der Sonnenscheinbranche
"Das Erschreckende daran ist, dass die relativ junge IT-Branche als Sonnenscheinbranche gilt", so Klatt. "Im leistungsorientierten männerdominierten Metier haben nun viele Angst zuzugeben, dass sie ausgebrannt sind oder psychische Probleme haben", meint Klatt. Es sei höchste Zeit, dass die Gesellschaft auf dieses Thema sensibilisiert wird. Klatt sieht zudem ein Abbremsen der Innovationskraft durch diese Rahmenbedingungen. "Aufgrund der demografischen Entwicklung ist auch nicht zu erwarten, dass neue und junge IT-Kräfte nachkommen."
"Mehr als die Hälfte der befragten Freelancer leiden unter Ängsten und negativen Emotionen. Ebenso viele berichten von Erschöpfung und Regenerationsunfähigkeit", schildert Klatt. Beides sei symptomatisch für Burnout. "Es sind nicht die langen Arbeitszeiten, die zu den psychischen Problemen führen, sondern die Art der Aufgaben sowie das Verhältnis zu Kollegen oder Kunden und - besonders bei den Freelancern - in der mangelnden Trennung von Arbeit und Privatleben."
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Doch Stress und die Arbeitsemotionen werden bei Freelancern nicht nur negativ eingeschätzt. "Ein Viertel der Befragten fühlt sich nicht erschöpft oder regenerationsunfähig", resümiert Klatt. Zwei Drittel der Alleinselbstständigen nennen eine starke oder sehr starke positive Leistungsorientierung und empfinden den beruflichen Stress als angenehm. Bei den abhängig Beschäftigten sind dies weniger als die Hälfte." Offenbar gebe es unter den Freelancern viele, die mit großem Spaß und Einsatz dabei sind, die durch ihre Arbeit nicht erschöpft sind und die gut abschalten können, erklärt Klatt.
Die Technische Universität Dortmund hat auf die Befragungsergebnisse reagiert und ein Konzept für ein Burnout-Präventionszentrum entwickelt. Erste Pilotnetzwerke werden derzeit im Münsterland sowie im Ruhrgebiet und im Rheinland aufgebaut. (pte)