Streicheleinheiten für ERP-Anbieter

07.09.2005 von Uwe Küll
Die ERP-Zufriedenheitsstudie "Deutschland 2005" brachte ein besseres Ergebnis als im Vorjahr. Zu wünschen übrig lassen die Systeme allerdings nach wie vor an Benutzerfreundlichkeit.

Hier lesen Sie ...

  • was Deutschlands ERP-Anwender von ihren Systemen halten;

  • wo die Anbieter ihre Hausaufgaben gemacht haben - und wo nicht;

  • wohin sich die Anforderungen und die Software entwickeln.

Den größten Sprung machten die Systeme in Bezug auf Funktionalität, Flexibilität und Office-Integration. Verschlechterungen gab es in den Bereichen "Schnittstellen/Offenheit zu anderen Systemen", "Support/Engagement des Anbieters" sowie "Möglichkeiten zur firmenübergreifenden Integration" der Lösungen.

Auffällig unauffällig: Die Hersteller von Lösungen für große Unternehmen bleiben unter dem Durchschnitt aller Bewertungen.

Fehlende Flexibilität

Hauptkritikpunkt der ERP-Anwender bleibt die mangelnde Flexibilität der Software-Lösungen. Angesichts neuer Technologien lassen sich die Systeme aber inzwischen besser auf die jeweiligen Anforderungen der Unternehmen zuschneiden als vor einem Jahr. Entsprechend weniger wird auch eine mangelnde Unterstützung der Geschäftsprozesse durch unzureichende Softwarefunktionen bemängelt.

Auch die Anbindung von Office-Werkzeugen funktioniert mittlerweile spürbar besser. Und diese Möglichkeit wird in der betrieblichen Praxis offensichtlich auch begrüßt, wie sich aus dem verstärkten Einsatz von Microsofts "Excel" als Ergänzung zur ERP-Lösung ablesen lässt. Eric Scherer, Geschäftsführer der Zürcher i2s GmbH und Erfinder der ERP-Zufriedenheitsstudie, sieht hier einen wesentlichen Trend in der Entwicklung von ERP-Lösungen: "In Zukunft ist mit einer noch weiter gehenden Integration von Office-Werkzeugen auch über Excel hinaus zu rechnen. An erster Stelle ist hier Outlook zu nennen."

Weiterhin unzufrieden sind viele ERP-Anwender mit dem Aufwand für die Datenpflege und mit der Bedienerfreundlichkeit der Systeme, wenngleich es auch hier leichte Verbesserungen gab (0,52 Prozent beziehungsweise 0,45 Prozent). Beim Thema Datenpflege allerdings liegt der Fehler nach Ansicht von Scherer nicht unbedingt im ERP-System: "Hier ist dringend ein Kulturwandel auf Seiten der Anwender notwendig", meint der Berater aufgrund seiner Erfahrung aus vielen ERP-Einführungsprojekten. Er bezeichnet Daten als "Blut in den Venen jedes ERP-Systems". Ihr Wert sei vielerorts noch nicht richtig erkannt: "Die Pflege von Stammdaten ist ein eigener Geschäftsprozess, der durchdacht umgesetzt werden muss und auch Investitionen verlangt."

Verschärft hat sich aus Sicht der Anwender die bereits im letzten Jahr vielfach kritisierte Problematik der schwierigen Anbindung anderer Geschäftsapplikationen an das ERP-System. Angesichts des zunehmenden Softwareeinsatzes außerhalb der klassischen ERP-Themen Finanzen, Vertrieb, Logistik und Produktion ist dies eine Barriere auf dem Weg zu einer durchgängigen, zeitnahen Informationsversorgung.

Die Datenbasis

An der deutschen ERP-Zufriedenheitsstudie 2005 haben sich insgesamt 1766 Unternehmen beteiligt (+17 Prozent gegenüber 2004) und ihre Erfahrungen aus 2082 ERP-Projekten dokumentiert (+16 Prozent). Aus der Industrie rekrutiert sich mit zirka 70 Prozent der größte Teil der Anwender, die bei der Studie mitgemacht haben.

Die Teilnehmer der Studie - zu zirka 55 Prozent IT-Leiter oder ERP-Fachverantwortliche - konnten ihre Zufriedenheit anhand von 28 Kriterien mittels einer Schulnoten-Skala dokumentieren.

Die ERP-Zufriedenheitsstudie "Deutschland 2005" ist Teil einer länderübergreifenden Initiative im gesamten deutschsprachigen Raum, die im Jahr 2003 von der Züricher Intelligent Systems Solutions (i2s) GmbH (www.i2s-consulting.com) ins Leben gerufen wurde. Die Trovarit AG, ein auf die Softwareauswahl spezialisiertes Marktforschungs- und Beratungshaus, leitet den deutschen Teil der Initiative und stellt mit dem "IT-Matchmaker (www.it-matchmaker.com/)" das Werkzeug für alle Länderkampagnen.

Der Studienbericht "Anwenderzufriedenheit ERP/Business Software Deutschland 2005" umfasst rund 200 Seiten und ist ab 19. September zum Preis von 600 Euro erhältlich. Teilnehmer der Studie bekommen 50 Prozent Rabatt. Weitere Informationen und Bestellung: www.erp-z.de oder www. it-matchmaker.de. Hier finden Interessenten auch Informationen zur Präsentation der Studienergebnisse am 29. September in Frankfurt.

Kritisch sehen Anwender auch die Möglichkeiten der firmen- und standortübergreifenden Vernetzung von ERP-Systemen. Offenbar haben die Anbieter auf die höheren Anforderungen durch Globalisierung und Internationalisierung noch nicht adäquat reagiert. Schließlich fällt die wachsende Kritik von ERP-Anwendern am Support und Engagement vieler Anbieter im laufenden ERP-Betrieb auf. Möglicherweise haben die Bemühungen der Hersteller um mehr (Kosten-)Effizienz hier die Kundenzufriedenheit beeinträchtigt.

Bestnoten für die Kleinen

Insgesamt bestätigt die von der Trovarit AG und der i2s GmbH in Kooperation mit der computerwoche erarbeitete ERP-Zufriedenheitsstudie "Deutschland 2005" das Bild des Vorjahres: Nach dem Votum von mehr als 1700 Teilnehmern schneiden Kleinanbieter und Spezialisten für Branchensoftware besser ab als die Generalisten und die großen ERP-Pakete.

Gewinner und Verlierer

Bei vielen Lösungen bestätigen sich die Ergebnisse aus 2004 im Wesentlichen. Deutliche Änderungen (> 0,2 Punkte) ergeben sich bei

Anbietern:

Sage Office Line/Sage Software,

Inforcom/Infor Business Solutions,

Pollex-LC/Pollex-LC GmbH,

Mast/SRZ GmbH

Fepa/Planat,

Abas/Abas AG (auf sehr hohem Niveau),

Miclas/ERP4All AG

Systemen:

Foss/Ordat GmbH,

Mast/SRZ GmbH

Miclas,

Abas (auf sehr hohem Niveau),

Psipenta/Psipenta GmbH

Dafür sieht Dr. Karsten Sontow, als Vorstand der Trovarit AG Leiter der ERP-Zufriedenheitsstudie in Deutschland, zwei wesentliche Ursachen: "Erstens steigen mit der Projektgröße Belastung und Risiken der Anwender signifikant, und zweitens fällt es größeren ERP-Herstellern mit umfangreicher Kundenbasis schwerer, sich intensiv um einen einzelnen Kunden zu kümmern. Hier sind kleinere Anbieter in einer besseren Ausgangsposition, die viele von ihnen auch zu nutzen wissen".

SAP führt bei der Stabilität

Den Branchenspezialisten kommt darüber hinaus zugute, dass ihre Produkte die Geschäftsprozesse der Kunden oft auch ohne umfangreiche Anpassungen recht gut abdecken. Gleichzeitig verfügen ihre Berater über ausgeprägte Branchenerfahrung und sprechen daher meist "die Sprache des Kunden". Die größeren ERP-Anbieter sind dagegen im Vorteil, wenn es um technische Aspekte wie die Performance und Stabilität der ERP-Infrastruktur geht, was bei großen Installationen vielfach eine wesentliche Rolle spielt. Marktführer SAP beispielsweise schneidet bei der Stabilität um 0,11 Noten besser ab als der Durchschnitt. Im Wettbewerb um ihre Kunden spielen die größeren ERP-Anbieter neben einer soliden Leistung weitere Trümpfe aus: Internationale Präsenz und Projekterfahrung sowie die großen Beratungs- und Entwicklungsressourcen. Wenn es um das Preis-Leistungs-Verhältnis geht, werden diese Aspekte jedoch offenbar wenig ge- würdigt:

Hier kommen die großen, meist teureren System deutlich schlechter weg, SAP etwa liegt gar fast eine ganze Note (-0,9) unter dem Durchschnitt und bildet damit in dieser Kategorie das Schlusslicht. Hier rangiert der Maschinenbauspezialist Schrempp EDV (Sivas), der auch bei der Anwenderzufriedenheit Bestnoten erzielt, mit 0,68 Noten über dem Durchschnitt an der Spitze, obwohl Sivas nicht zu den billigsten ERP-Produkten zählt.

Probleme in der Einführung

Die Einführung einer neuen ERP-Lösung stellt Unternehmen vor große Herausforderungen: Neben den Investitionen belastet auch der personelle Aufwand die Unternehmen erheblich. Das zeigt ein Blick auf die "Top 5" unter den Problemen bei der ERP-Einführung:

Datenmigration,

knapper Zeitplan,

zu viele Systemanpassungen,

unzureichende Prozessabbildung sowie

fehlende (personelle) Ressourcen.

Laut Trovarit-Vorstand Sontow wird der Einführungsaufwand in der Praxis oft unterschätzt, so dass eine hohe Auslastung der Projektbeteiligten durch das Tagesgeschäft zu Engpässen im Hinblick auf die Implementierung führt.

Kernanforderung Integration: Die Schnittstellenproblematik hat sich verschärft.

Angesichts der Termin-, Kapazitäts- und Budgetproblematik erscheint vor allem das Projekt-Management verbesserungsbedürftig. Das deckt sich auch mit den Erkenntnissen von Reiner Martin, Professor an der FH Konstanz und Mitglied im Exper- tenrat der Studie. Immerhin verzeichnet er in diesem Bereich zunehmendes Engagement der Softwarefirmen: "ERP-Anbieter erkennen ein konsequentes Projekt-Management zunehmend als Wettbewerbsfaktor. Viele erarbeiten derzeit durchgängige Methoden und Werkzeuge dafür." Allerdings weist Martin auch darauf hin, dass sich solche Aktivitäten oft noch in einem recht frühen Stadium befinden: "Zurzeit muss man durchaus noch kritisch hinterfragen, ob die vorhandenen Ansätze auch tatsächlich in den Projekten verwirklicht werden". i2s-Chef Eric Scherer, der ERP-Implementierungen in Unternehmen aller Größenordnungen begleitet hat, verweist an dieser Stelle auf die Eigenverantwortung der Anwender.

Er bescheinigt dem Mittelstand einen Vorbildstatus: "Beim Projekt-Management zeigt sich, dass hier die Mittelständler führend sind. Sie haben einige ausreichend qualifizierte Projektmitarbeiter, ertrinken aber noch nicht in der Komplexität der eigenen Entscheidungsorganisation." Gefragt seien zunächst weniger Methoden. Vielmehr komme es auf die interne "Entscheidungseffizienz" an. Da deren Ergebnisse im Projekt letztlich auch den langfristigen Nutzen der eingeführten Systeme mitbestimmen, liegt es wohl nicht nur an diesen selbst, dass auch in diesem Jahr wieder die Bestnoten an Software für klei- ne und mittlere Unternehmen gingen.