Strategiewechsel: Startups rüsten zum Überlebenskampf

14.01.2002 von Manfred Bremmer
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nach dem dramatischen Ende des Dotcom-Hypes trifft Startups nun die Phase der Konsolidierung. Viele Newcomer haben jedoch aus der Krise gelernt, indem sie die Gefahren erkannten und ihre Strategien entsprechend änderten. Das Heidelberger Beratungshaus Rarecompany sammelte im Rahmen einer Befragung bei 130 Firmen Erfahrungswerte aus den vergangenen 24 Monaten und versuchte, Erfolgsfaktoren herauszusondieren.

Während des Booms der New Economy galt es als Erfolgsrezept, wie zu Goldgräberzeiten so schnell wie möglich seine Claims abzustecken. Das Konzept "Time-to-market" stand dabei im Vordergrund, erfolgte jedoch oft auf Kosten der Marktanalyse. So ließen die Produkte häufig die Wünsche des Kunden außer Acht oder überforderten ihn gar.

Mittlerweile sind die Startups vorsichtiger geworden: So urteilten 72 Prozent der von Rarecompany befragten Unternehmen, der Zielmarkt müsse mindestens ein Jahr vor der Gründung intensiv beobachtet werden. Dabei ist zu überprüfen, ob er krisensicher, ausbaufähig und auch langfristig nachfrageorientiert ist. Lediglich zehn Prozent hielten auch eine sehr kurzfristige Analyse des Marktes für erfolgversprechend. Für 85 Prozent ist außerdem die Beobachtung des Wettbewerbsumfeldes vor der Gründung entscheidend.

Die Unternehmen scheinen dabei aus schlechter Erfahrung zu sprechen: So erklärten 78 Prozent der Befragten, dass ihre Firmen unter mangelnder Nachfrage, beziehungsweise unter einem gesättigten Markt litten. Etwas über die Hälfte der Studienteilnehmer bewerteten diesen Umstand zumindest als wichtigen wachstumsgefährdenden Faktor.

Im Gegensatz dazu sahen dagegen nur rund ein Viertel der Teilnehmer in dem rauhen Wirtschaftsklima einen hohen Risikofaktor. So halten selbst bereits etablierte Firmen eine Anpassung des Businessplans für erforderlich, wenn sich eine Veränderung des Marktumfelds abzeichnet. Allzu häufige Wechsel des Geschäftsplans führen dagegen zu Verzögerungen und - schlimmer noch - zu einem Verlust der Glaubwürdigkeit. So ist für knapp die Hälfte eine konsequente Umsetzung der unternehmerischen Idee - ohne jedoch den Markt aus den Augen zu verlieren - entscheidend, um den Geschäftsplan weiter zu entwickeln.

Die Studie


Rarecompany befragte im Zeitraum vom 1. August bis 3. September 2001 Vertreter von insgesamt 131 Firmen aus den Bereichen Hightech, Software, M-Commerce und Life-Science. Die Unternehmen wurden im Schnitt vor vier Jahren gegründet, etwa ein Viertel entstand im Jahr 2000. 57 Prozent der Teilnehmer sahen ihre Company in der Wachstums- und Kooperationsphase, 22 Prozent beurteilten ihre Firma als bereits unabhängig und wirtschaftlich erfolgreich.
Nahezu jedes zweite Unternehmen fällt in die Kategorie mit zehn und 50 Mitarbeitern, die zweitgrößte Gruppe beschäftigt sogar 100 oder mehr Angestellte. Rund die Hälfte der Firmen finanziert sich mit Venture-Capital, 30 Prozent unterhalten sich bereits durch den eigenen Cashflow. Immerhin 15 Prozent sind privat finanziert.
Ein Viertel der Unternehmen erwirtschaftete im Geschäftsjahr 2000 bzw. 2000/2001 1-5 Millionen Euro Umsatz.
Die komplette Studie kann hier als PDF-Dokument geladen werden.

Nach Ansicht der befragen Unternehmen etablieren sich am besten kleine ausbaufähigen Produkte, die in einem Nischenmarkt schnell wachsen können und auf sehr hohe Akzeptanz treffen. Dabei würden sich 85 Prozent der Teilnehmer lieber als Qualitäts- als Kostenführer sehen. Als wichtigste Erfolgsfaktoren nannten die Befragten eine feste Kundenbindung und die Konzentration auf Marktsegmente mit hohem Wachstum.

Den Ansatz "Time-to Market" haben inzwischen Kriterien wie die Wahl von motivierten (89 Prozent) und qualifizierten (85 Prozent) Mitarbeitern in der Rangliste überholt. Ein branchenerfahrenes Gründerteam halten 82 Prozent der Teilnehmer der Studie für unerlässlich. Für entsprechend bedrohlich empfinden 89 Prozent der Befragten den Markteintritt neuer und insbesondere großer Konkurrenten, da sie die Abwerbung von qualifizierten Mitarbeiter befürchten.

Bestand früher die Tendenz der Abwanderung von Angestellten von Großunternehmen, so hat sich dieses Prinzip bereits mit den ersten Anzeichen einer Konsolidierung umgekehrt. Die Überlebenden der (anhaltenden) Krise können laut Studie auf das während des Dotcom-Booms übliche rapide künstliche Wachstum gerne verzichten.

Sechs Erfolgsregeln für das erfolgreiche Überleben

Abgeleitet von den Erkenntnissen der Studie hat Rarecompany sechs wichtige Erfolgsregeln abgeleitet:
1. Nachfrage- und marktorientierte Geschäftsentwicklung statt Expansion und Innovation!
2.Organisches erfolgsorientiertes Wachstum statt Expansion mit Investitionsmitteln !
3. Professionalität und Ausbau des Gründerteams statt Rekrutierung aus dem Freundeskreis!
4. Kontinuierliches Controlling und Risk-Management vom ersten Tag an!
5. Strategische Partnerschaften als Wachstumsgarantie!
6. Trotz visionärer Ideen die Bodenhaftung nicht verlieren!

Sie setzen statt dessen auf eine schrittweise natürliche Expansion. So begeben sich nun 45 Prozent der Befragten eigenen Angaben zufolge erst dann in die nächste Wachstumsphase, wenn ihre bisherigen Aktivitäten stabilisiert und integriert sind. Ausschlaggebend ist dabei für jeweils die Hälfte von ihnen ein sicheren Kundenstamm beziehungsweise ein zumindest ausgeglichenes Geschäftsergebnis.

Die verbleibenden 55 Prozent können sich vorstellen, bereits bei einer teilweisen Stabilisierung der Unternehmung neues Wachstumsziele anzusteuern. Mehr als acht von zehn Teilnehmer sind jedoch der Ansicht, dass zu einem solchen Schritt der Cash-flow-Anteil an der Finanzierung mindestens bei zwischen 25 und 50 Prozent liegen sollte. Außerdem finden knapp ein Drittel der Befragten, dass bereits bei der Erstellung des Businessplans ein Verantwortendlicher für das Finanz- und Risk-Management gefunden werden muss. 

Im Bereich Organisation halten drei von vier Teilnehmern die sorgfältige Auswahl der Führungskräfte für eine der beiden wichtigsten Erfolgsfaktoren. Weitere 72 Prozent stellten fest, dass es jetzt wichtig ist, früher das Gründerteam durch erfahrene Manager zu erweitern, um zu verhindern, dass diese überfordert werden oder den Herausforderungen aus dem Branchenumfeld nicht gewachsen sind.

Partnering statt Do-it-yourself

Der wachsende Markt mit hohem Wettbewerb verlangt von den jungen Unternehmen eine Fokussierung der Geschäftstätigkeit. Dabei bewerten 72 Prozent der Befragten Partnerschaften mit anderen Unternehmen als wichtig bis sehr wichtig. 88 Prozent sehen in Vertriebspartnerschaften einen entscheidenen Erfolgsfaktor. Informelle Treffs wie "First Tuesday" verlieren dagegen mehr und mehr an Bedeutung.

Während der Boomphase der New Economy stellten Venture-Capital-Gesellschaften ihre Finanzmittel oft bereitwillig einem eher euphorie- als erfahrungsgetriebenen Management zur Verfügung. Nun, da der Geldfluss nahezu versiegt ist, kritisieren immerhin 32 Prozent der Befragten, dass in ihren Unternehmen erst spät ein Finanz- und Risk-Management integriert wurde. Als Resultat verschwanden viele anfangs erfolgversprechende Unternehmen vom Markt.