Stratege oder Techniker?

29.08.2005 von Karsten Eiß 
Analysten prognostizieren IT-Unternehmensberatungen ein moderates Wachstum. Dadurch verbessern sich auch die Jobchancen der Consultants.
Prognosen gehen davon aus, dass auch das deutsche Beratungsgeschäft in den nächsten fünf Jahren zulegt.

Geschäft ist genug da", sagt Rémi Redley, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU), über den Markt für IT-Beratungen. "In Unternehmen existiert ein Investitionsstau bezüglich IT-Aktivitäten, der sich jetzt so langsam auflöst", so Redley weiter. Auch Hartmut Lüerßen, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Lünendonk, sieht ein Ende der mageren Zeiten gekommen: "Von einem Boom zu sprechen wäre übertrieben, aber zumindest ein leichter Anstieg ist zu verzeichnen."

Hier lesen Sie …

• welches Know-how IT-Unternehmensberatungen heute benötigen;

• welche Aufgaben auf Consultants zukommen;

• warum sich manche Bewerber für mittelständische Beratungshäuser statt für Branchengrößen entscheiden.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

*74767: Entwicklung des IT-Beratungsmarktes;

*64160: Servicemarkt im Umbruch;

*62036: Rangfolge der Beratungshäuser.

Der Optimismus in der Branche wirkt sich auch positiv auf den Arbeitsmarkt für IT-Berater aus. Doch IT-Beratung ist nicht gleich IT-Beratung. Je nachdem, ob sich ein Anbieter auf Strategie- und Management-Beratung konzentriert oder als Dienstleister auch an der Umsetzung von Konzepten mitwirkt, unterscheiden sich die Anforderungen an die Mitarbeiter. "Die Frage nach dem Arbeitsmarkt für IT-Berater im Allgemeinen lässt sich schwer beantworten", bestätigt Joachim Domeier von der Personalberatung SCS.

"Ob ein Kandidat gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, hängt davon ab, ob er die Qualifikationen vorweisen kann, die aktuell gefragt sind." Strategieberater befassen sich konzeptionell und auf einer eher theoretischen Ebene mit einer Problemstellung und wenden wissenschaftlich fundierte Methoden an. IT-Dienstleister dagegen beschäftigen sich mehr mit der tatsächlichen Umsetzung der Konzepte. Doch Beratung und Dienstleistung wachsen mehr und mehr zusammen, der reine Programmierer ist immer weniger gefragt. "Dienstleistung ohne Consulting wird in Zukunft nicht mehr funktionieren", bestätigt BDU-Präsident Redley. Trotz der zunehmenden Annäherung von Dienstleistung und Beratung setzen die Anbieter unterschiedliche Schwerpunkte.

Informatiker oder Betriebswirt?

Die sd&m AG beispielsweise ist technisch orientiert und braucht Mitarbeiter mit einer fundierten Informatikausbildung. Das Münchner Unternehmen berät Konzerne wie Daimler-Chrysler oder die Münchener Rück nicht nur bei der Integration kritischer IT-Prozesse, sondern ist in der Regel auch an der Umsetzung beteiligt. "Wir suchen eben nicht den Absolventen der Betriebswirtschaft, der ein wenig Informatik versteht", sagt Edmund Küpper, Vorstandsvorsitzender der sd&m AG. "Unsere Berater müssen softwaretechnisch erstklassig sein."

Den Schwerpunkt auf das Consulting legt dagegen die Management-Beratung Insentis. Das Unternehmen aus Geisenheim im Rheingau versteht sich als neutrales Strategieberatungshaus mit Umsetzungskompetenz und hilft seinen Kunden sowohl als Berater bei der Strategiefindung als auch als Programm-Manager bei der Ausführung von IT-Projekten, beispielsweise im Rahmen von In- und Outsourcing-Vorhaben. Für Insentis-Geschäftsführer Bruno Rücker liegt die Aufgabe darin, "mit breitem Strategieverständnis und mit tiefem technologischem Know-how" den Kunden zu unterstützen. "Dafür benötigen Bewerber neben fundierter technologischer Kompetenz nachgewiesene Strategie- und Consulting-Erfahrung sowie die Fähigkeit, komplexe Problemstellungen zu bewältigen."

Sowohl technisch orientierte Berater als auch Kandidaten mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund beschäftigt EDS. Der IT-Dienstleister, mit knapp 120000 Mitarbeitern einer der Global Player im IT-Services-Markt, sieht sich als Bindeglied zwischen strategischer Management-Beratung und operativem Geschäft. "Vom technischen Berater erwarten wir eine geringere Breite an Wissen, dafür muss er in seinem Gebiet absoluter Spezialist sein", so Hagen Rickmann, Vice President Consulting Services Line für Zentraleuropa. Die eher betriebswirtschaftlich orientierten Berater verfügen in der Regel über kein solch tiefes IT-Fachwissen, bringen dafür aber Erfahrung in der Organisation von Prozessen mit. "Diese Mitarbeiter haben meist eine betriebswirtschaftliche oder pädagogische Ausbildung", schildert Rickmann.

Einsteiger oder alter Hase?

Unterschiedliche Anforderungen stellen die Beratungshäuser aber nicht nur an die Ausbildung ihrer Mitarbeiter. "Die Mehrzahl der Einsteiger kommt direkt von den Hochschulen", sagt sd&m-Chef Edmund Küpper. "Für die IT-Beratung stellen wir aber ausschließlich Bewerber mit Berufserfahrung ein." Bei der IDS Scheer AG haben frisch gebackene Absolventen gute Chancen, insbesondere wenn sie Wirtschaftsinformatik studiert haben oder gar aus dem Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Saarbrücken kommen, aus dem der vom Lehrstuhlinhaber August-Wilhelm Scheer gegründete Spezialist für Geschäftsprozess-Management hervorgegangen ist. "Sie bringen wichtige Grundlagen wie fundiertes betriebswirtschaftliches Know-how und Verständnis für Geschäftsprozesse mit und kennen unsere Aris-Produktpalette sehr gut", so Rosemarie Clarner, Personalleiterin bei IDS Scheer. Doch mehrheitlich sucht das international tätige Unternehmen nach Branchenexperten mit Berufserfahrung.

Dampfer oder Schnellboot?

Ausschließlich auf Berufserfahrene setzt Insentis. "Als Management-Beratung kann man nicht mit Hochschulabsolventen antreten", sagt Insentis-Geschäftsführer Rücker. Für Lünendonk-Geschäftsführer Lüerßen kann Berufserfahrung für die Unternehmen allerdings ein zweischneidiges Schwert sein. "Auf der einen Seite ist gerade in größeren Projekten Berufserfahrung unabdingbar, andererseits haben diese Profis Gehaltserwartungen, die beispielsweise in manchen IT-Beratungsfeldern aufgrund gesunkener Tagessätze nicht mehr durchsetzbar sind."

Ob ein Mitarbeiter zu einem Arbeitgeber passt, hängt auch von der Größe der Firma ab. Rücker, dessen Unternehmen derzeit ein Dutzend Beschäftigte hat, glaubt, dass sich viele Mitarbeiter in großen Beratungsfirmen wohler fühlen, weil sie dort im Windschatten des Brandings mitgezogen werden. "In einem kleineren Beratungshaus an der Erarbeitung einer eigenen Marke mitzuwirken, trauen sich nur wenige zu."

Eine, die sich dieser Aufgabe gestellt hat, ist seine Mitarbeiterin Kerstin Schulte. Die 37-Jährige hat sich nach Erfahrungen in Projekten bei T-Systems und T-Mobile zum Einstieg in einen kleinen Betrieb entschlossen: "Vor meinem Eintritt bei Insentis stand ich vor der Wahl, mich für die vermeintliche Sicherheit und den bekannten Namen eines Großunternehmens zu entscheiden oder zu einer kleineren Firma zu gehen." Sie sei ein Mensch, der das kalkulierte Risiko liebt. Bei Großunternehmen stören sie das hohe Maß an Bürokratie, eine gewisse Schwerfälligkeit, starre Strukturen und ein eingegrenzter Aufgabenbereich. Ihre Entscheidung hat Schulte nicht bereut. Sie schätzt es, dass sie bei Insentis in viele Tätigkeitsfelder involviert ist. So wird sie neben dem täglichen Projektgeschäft auch in Marketing, Vertrieb und Pressearbeit eingebunden. "Es ist viel spannender, ein Unternehmen aktiv mitgestalten zu können. In einem Konzern ist man dagegen nur ein kleines Rädchen." Ein weiteres Plus ist für die studierte Physikerin, dass sie von der langjährigen Erfahrung ihrer Kollegen profitiert. "Ich arbeite täglich mit Leuten zusammen, die seit vielen Jahren in verantwortungsvollen Positionen in der Branche tätig sind."

Doch nicht nur das Fachwissen spielt eine große Rolle. Unabhängig von Ausrichtung oder Größe des Unternehmens werden verstärkt Soft Skills wie Kommunikations- und Teamfähigkeit verlangt. Dadurch, dass die Berater manchmal täglich mit unterschiedlichen Kunden konfrontiert werden, ist die entsprechende soziale Kompetenz unerlässlich. "Unser Geschäft ist das Projektgeschäft. Das verlangt ein großes Kommunikationsgeschick", so Küpper von sd&m. "Dazu zählen neben allgemeinen Umgangsformen auch ein vernünftiges Maß an Konfliktfähigkeit und ein gutes Gespür für Menschen."

Noch mehr gilt dies für die reinen Strategieberater mit dem Schwerpunkt auf Coaching. Für Rücker bilden soziale Kompetenzen eine Grundvoraussetzung für einen Berater. "Management-Beratung ist selten konfliktfrei. Da ist Einfühlungsvermögen sowohl in die jeweilige Situation als auch in unterschiedliche Charaktere absolut notwendig." Bei international tätigen Unternehmen wie IDS Scheer und EDS sind neben Teamfähigkeit, analytisch-konzeptionellem und unternehmerischem Denken auch Mehrsprachigkeit, interkulturelle Kommunikation und Mobilität gefragt.

Insgesamt beobachtet nicht nur Lünendonk-Geschäftsführer Lüerßen eine gesteigerte Nachfrage nach qualifizierten Beratern. Auch BDU-Präsident Redley BDU sieht "einen zunehmenden Wettbewerb um gute Mitarbeiter". sd&m beispielsweise hat 2005 bereits 140 neue Leute eingestellt. Die Zahl könnte noch höher sein, aber es fehlt an passenden Bewerbern. Als Folge des hohen Anspruchsniveaus hat auch Insentis Schwierigkeiten, geeignetes Personal zu finden. Und auch für IDS Scheer gestaltet sich die Suche trotz monatlich 500 bis 600 Bewerbungen zunehmend schwerer. Jede dritte Bewerbung sortiert Personalerin Clarner aus, weil die Kandidaten nicht über die erforderlichen Qualifikationen verfügen, nicht zur Kultur des Unternehmens passen oder überzogene Gehaltsvorstellungen haben. (hk)