Neuer Steuerbescheid wegen "neuer Tatsachen"?

Steuerlicher Streit um Dienstreisen

15.08.2011 von Renate Oettinger
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz: hat sich gegen die Änderung eines Steuerbescheides zuungunsten des Steuerpflichtigen ausgesprochen.

Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz hat soeben zu der Frage Stellung genommen, ob ein bereits ergangener Steuerbescheid wegen "neuer Tatsachen" zuungunsten des Steuerpflichtigen geändert werden kann, wenn die - widersprüchlichen - Angaben des Steuerpflichtigen in seiner Steuererklärung vom Finanzamt (FA) bei der Veranlagung zunächst übernommen worden waren.

Darauf verweist der Kieler Steuerberater Jörg Passau, Vizepräsident und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DUV Deutscher Unternehmenssteuer Verband e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die am 22.03.2011 veröffentlichte Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz vom 22. Februar 2011 zur Einkommensteuer 2003 bis 2005 (Az.: 3 K 2208/08).

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Im Streitfall hatte der Kläger als Bezirksverkaufsleiter einen Bezirk von 5 bis 9 Filialen zu betreuen. In seinen Einkommensteuererklärungen für die drei Streitjahre machte er keine Angaben zum ausgeübten Beruf, lediglich in der Steuererklärung 2004 gab er an, "Verkaufsleiter" zu sein. Er beantragte die Berücksichtigung von Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (an 199, 172 und 181 Tagen - 2003 bis 2005) und zusätzlich Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von rd. jeweils 2.800,- Euro (für 202, 205 und 222 Tage), wobei er jeweils eine Anlage "Reisekosten" mit Tagesberichten beifügte, die vom Veranlagungsbeamten u.a. mit dem Vermerk "Nachweise lagen vor" versehen wurde. Für 2005 legte er eine Anlage zu den Werbungskosten bei und vermerkte darauf "Reisekosten als Revisor lt. Wochenberichte", was vom Veranlagungsbeamten abgehakt wurde.

Nach einer Außenprüfung kam das beklagte FA zu der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Einsatzwechseltätigkeit - und damit für die Gewährung von Verpflegungsmehraufwendungen - nicht vorliegen würden, weil die verschiedenen Filialen als einheitliche regelmäßige Arbeitsstätte des Klägers zu beurteilen seien. Demgemäß ließ das FA in den geänderten Einkommensteuerbescheiden 2003 bis 2005 die bisher gewährten Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von jeweils rd. 2.800,- Euro nicht mehr zum Abzug zu (d.h. es wurden nur noch die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anerkannt).

Wer hat geschlampt: Steuerpflichtiger oder Finanzamt?

Dabei vertrat das FA die Ansicht, die Änderungen der Steuerbescheide seien wegen "neuer Tatsachen" möglich, denn der Kläger sei seiner Steuererklärungs- und Mitwirkungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Wenn der Kläger demgegenüber argumentiere, das beklagte FA habe den vorgelegten Steuererklärungen alle Informationen entnehmen können, um selbst festzustellen, ob es sich um eine Reisetätigkeit handele oder nicht, sei zu entgegnen, dass die Steuererklärung des Klägers als Arbeitnehmerfall im Rahmen eines Masseverfahrens nur einer eingeschränkten Ermittlungspflicht des FA unterliege.

Die vom Kläger angestrengte Klage war jedoch erfolgreich, so Passau.

Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, es sei unstreitig, dass es sich bei dem Aufsuchen der Filialen nicht um eine Reisetätigkeit handele, Verpflegungsmehraufwendungen also insofern grundsätzlich nicht anzusetzen seien. Eine Änderung der Bescheide sei aber auch bei Vorliegen "neuer Tatsachen" ausgeschlossen, wenn dem FA die nachträglich bekannte Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre.

Die hier entscheidungserhebliche Tatsache, dass der Kläger als Bezirksverkaufsleiter einen Bezirk von 5 bis 9 Filialen zu betreuen hatte - mit der rechtlichen Schlussfolgerung, dass diese Filialen regelmäßige Arbeitsstellen darstellten - sei dem FA zwar nicht bekannt gewesen, wäre ihm aber bei ordnungsgemäßer Erfüllung der behördlichen Ermittlungspflicht bekannt geworden.

Der Kläger habe zwar unzureichende Angaben zu dem ausgeübten Beruf gemacht, doch seien seine übrigen Angaben in den Steuererklärungen hinsichtlich der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einerseits und zu Reisekosten andererseits offenkundig widersprüchlich gewesen. Der Veranlagungsbeamte habe hinreichend Anlass gehabt, den sich daraus ergebenden Zweifeln nachzugehen und weitere Ermittlungen anzustellen oder den Kläger zu befragen. Denn es stelle sich die Frage, wieso der Kläger eine hohe Zahl von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstelle geltend gemacht (199, 172 und 181) habe, wenn gleichzeitig eine hohe Zahl von Dienstreisen mit langen Abwesenheitszeiten von der Wohnung geltend gemacht worden sei.

Rechtlich falschen Schluss gezogen

Offenbar habe der Beamte den falschen rechtlichen Schluss gezogen, dass der Kläger neben seinen Fahrten zur Arbeitsstätte noch Dienstreisen durchgeführt habe. Es hätte sich aber aufgedrängt, dass der Veranlagungsbeamte beim Kläger nachgefragt und ihn aufgefordert hätte, eine schlüssige Erklärung zu seinen widersprüchlichen Angaben abzugeben. Dies sei aber unterblieben, womit der Beamte seine Amtsermittlungspflicht verletzt habe. Dieser habe die vorgelegten Unterlagen gesehen, abgehakt und die Erklärungen noch am Tage ihres Eingangs zur maschinellen Verarbeitung freigegeben.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Revision wurde nicht zugelassen.

Passau empfiehlt, die Entscheidung zu beachten und ggf. steuerlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auf den DUV Deutschen Unternehmenssteuer Verband (www.duv-verband.de) verweist. (oe)

Weitere Informationen und Kontakt:

Jörg Passau, Steuerberater und Vizepräsident sowie geschäftsführendes Vorstandsmitglied des DUV, c/o Passau, Niemeyer & Collegen, Kiel, Tel.: 0431 9743010, E-Mail: info@duv-verband.de, Internet: www.pani-c.de und www.duv-verband.de