Best in Cloud 2014

Stefan Tai im COMPUTERWOCHE-Gespräch

01.10.2014 von Florian Kurzmaier
Die Politik hinkt in Sachen Digitalisierung weit hinterher, egal ob im Bereich der Innovationsförderung oder der Gesetzgebung im digitalen Bereich. Woran das liegt und warum auch disruptive Innovationen kein Übel sind, hat uns Professor Stefan Tai vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) verraten.

Professor Stefan Tai von der TU Berlin (ehemals vom Karlsruher Institut für Technologie) ist einer der wichtigsten deutschen Cloud-Experten. Beim COMPUTERWOCHE-Wettbewerb Best in Cloud, der am 22. und 23. Oktober 2014 in Frankfurt am Main stattfindet, ist Stefan Tai auch in diesem Jahr wieder Teil der Jury. Nachdem wir uns bereits mit seinem Co-Juroren Horst Westerfeld über die Versäumnisse der Politik gesprochen und einen Blick auf die Zukunft der deutschen IT-Infrastruktur geworfen haben, steht uns nun Professor Stefan Tai Rede und Antwort.

Hat sich die mit den Snowden-Enthüllungen verstärkte Diskussion um Datenschutz - auch im Zusammenhang mit Cloud Computing - inzwischen etwas beruhigt?

Stefan Tai: Wichtig ist, am Thema Datenschutz dran zu bleiben. Dies muss auch unabhängig von medialer Aufmerksamkeit oder eine öffentlich geführte gesellschaftliche Diskussionen passieren.

Sie waren lange am Karlsruher Institut für Technologie tätig, jetzt hat es Sie nach Berlin, Deutschlands Start-Up-Mekka, verschlagen. Warum haben IT- und Internet-Startups in Berlin Vorteile?

Stefan Tai: Berlin, meine Heimatstadt, ist eine faszinierende Metropole, die unterschiedlichste Menschen aus allen Teilen Deutschlands und der ganzen Welt anzieht. Diese Diversität der Menschen ist ein perfekter Nährboden für Ideenvielfalt und Innovationen, gerade auch in der und für die Cloud. Berlins Start-Up-Szene ist enorm lebhaft, europaweit einzigartig, und deshalb für Deutschland auch so wichtig und vielversprechend.

"Cloud-Standards haben derzeit noch nicht die Reife, um die diversen Anforderungen an Interoperabilität und Portabilität konsequent zu gewährleisten." - Stefan Stefan Tai?
Foto: Stefan Tai, Karlsruher Institut für Technologie

Anbieter wie Uber oder Airbnb sorgen im Moment für eine breite Diskussion. Internet-Angebote, die sich als Plattformen positionieren, scheinen traditionelle Branchen wie in diesen Fällen das Taxi- und das Hotelgewerbe anzugreifen. Ist hier mehr behördliche Regulierung nötig?

Stefan Tai: Regulierung ist dann nötig, wenn Gesetze eine ältere, überkommene Realität widerspiegeln und so für Schieflagen im Markt sorgen. Es sollten generell keine Hürden aufgebaut werden, die Innovationen bremsen oder gar verhindern und stattdessen einer reinen Besitzstandswahrung dienen. Wir erleben einen modernen Wettbewerb in sich verändernden Märkten. Und dazu gehören eben auch disruptive Innovationen. Ich halte es tatsächlich für vorteilhaft, die Internet-Ökonomie deshalb auch dediziert und verstärkt in der Politik zu verantworten.

Die Politik bemüht sich derzeit, dem Tempo der digitalen Entwicklungen standzuhalten. Vor einigen Wochen kam die "digitale Agenda" heraus, die gleich überall verrissen wurde. Soeben hat nun die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Johanna Wanka, die neue "Hightech-Strategie" der Bundesregierung vorgestellt. Haben Sie den Eindruck, dass die Politik wirklich verstanden hat, was digitale Revolution für die deutsche Volkswirtschaft bedeutet?

Stefan Tai: Es sei mir als ein Vertreter aus dem wissenschaftlichen Umfeld die persönliche Meinung erlaubt, dass ich die Forschungsförderung in Deutschland für sehr überarbeitungswürdig erachte, insbesondere für die angewandte IT-Forschung. Politische Programme versuchen immer, sehr viele Interessen zu berücksichtigen - darunter auch solche, die einer "digitalen Revolution" womöglich entgegenwirken. Wir haben hier einen Zielkonflikt zwischen "Gut aussehen" und "das Potenzial wirklich ausschöpfen".

Best in Cloud 2014 - Die Finalisten
BÜROTEX metadok GmbH
mit dem Projekt “Cloud SaaS Lösung myAmber DMS” für den Referenzkunden GEFAKO Getränkegroßhandel
Best in Cloud 2014 - Die Finalisten
Die folgenden 21 Projekte aus den Kategorien SaaS, IaaS und PaaS dürfen sich über das Nominee-Zertifikat und einen Auftritt auf der großen Bühne von Best in Cloud 2014 freuen
Comarch S.A.
mit dem Projekt "SFA Mobile Sales Force Apps"
EURO-LOG AG
mit dem Projekt “Smart Vendor Relationship – das Projekt „Vendor Score Card“” für den Referenzkunden INGRAM MICRO Distribution GmbH
Fabasoft
mit dem Projekt "Collaboration Cloud"
Frings Informatic Solutions GmbH
mit dem Projekt “Virtuelle High Volume SAP Multichannel ACD” für den Referenzkunden Sky Deutschland Fernsehen GmbH & Co. KG
ITyX Solutions AG
mit dem Projekt “Multichannel Service Arbeitsplatz” für den Referenzkunden Haufe-Lexware Services GmbH & Co. KG
Kommunales Rechenzentrum Minden-Ravensberg/Lippe
mit dem Projekt “krz DataBox – Zertifizierter Cloud-Speicherdienst für öffentliche Verwaltungen” für den Referenzkunden Stadt Detmold
LINTRA Solutions GmbH
mit dem Projekt “Malteser TeamSuite 2.0 – Helferdatenbank mit SharePoint Online und Office 365? für den Referenzkunden Malteser Business Service (SoCura GmbH)
MHP Software GmbH
mit dem Projekt “Multi-Carrier Sendungsverfolgung mit Shiptrack.com – Track & Trace” für den Referenzkunden FRANKEN Planungs- und Organisationsmittel GmbH
MID GmbH
mit dem Projekt “smartfacts – The Model Warehouse bei BNP Paribas Real Estate” für den Referenzkunden BNP Paribas Real Estate
Novadex GmbH
mit dem Projekt “Abheben in die Cloud. Individualisierte Kataloge für die Reisebranche” für den Referenzkunden Eversfrank Preetz
pds GmbH
mit dem Projekt “Transfer von betriebswirtschaftlicher ERP-Software in die Cloud” für den Referenzkunden Wefers GmbH
yQ-it GmbH
mit dem Projekt "Erstellung einer Branchenlösung für Chiro- & Naturheilpraxen als Ausbau und Anpassung des ERP-Systems SilvERP" für den Referenzkunden Naturheilzentrum Seckenheim
PIRONET NDH Datacenter AG & Co. KG
mit dem Projekt “Cloud-Enabling für Softwarehersteller und ISVs” für den Referenzkunden intratech GmbH
SAP SE
mit dem Projekt “SAP IT Cloud Strategie 2.0 – Monsoon” für den Referenzkunden SAP SE
Amazon Web Services Germany GmbH und direkt Gruppe GmbH
mit dem Projekt “Solvency II Prozesse in der Cloud” für den Referenzkunden Talanx AG
Computacenter AG & Co oHG
mit dem Projekt “Aufbau der „My-KVH Cloud“” für den Referenzkunden Kassenärztliche Vereinigung Hessen
Claranet
mit dem Projekt “Leica Fotopark” für den Referenzkunden Leica Camera AG
NFON AG
mit dem Projekt “1 Cloud-Telefonanlage für 200 Filialen” für den Referenzkunden J.E. Schum GmbH & Co. KG
Progress Software GmbH
mit dem Projekt “AKIOMA Config! – webbasierte flexible Produktkonfiguration, ganz ohne Programmierung” für den Referenzkunden AKIOMA Software KG

Die COMPUTERWOCHE hat den Wettbewerb Best in Cloud vor vier Jahren gestartet, um zu zeigen, was in der Cloud alles möglich ist. Sie waren von Beginn an Jurymitglieder. Wie lautet Ihr Zwischenfazit?

Stefan Tai: Der Wettbewerb demonstriert auch im vierten Jahr eine Vielfalt erfolgreicher Cloud-Lösungen. Ich schätze dabei besonders, dass Erfolgsgeschichten im Vordergrund stehen. So sehen wir in dem Wettbewerb eindrucksvoll, welche Lösungen in der Wirtschaft real geschaffen wurden und zu einem konkreten Mehrwert geführt haben.

Cloud Computing gehört zu den wichtigsten Triebfedern für IT-Innovationen. Das Tempo der Branche ist enorm. Haben Sie den Eindruck, dass die Anwender hier mithalten können? Und müssen sie das überhaupt?

Stefan Tai: Das Tempo ist in der Tat rasant, und Anwender können davon profitieren. Das setzt natürlich voraus, dass sie sich auf die hohe Geschwindigkeit einstellen. Sie brauchen einen Radarschirm, um den Markt kontinuierlich zu beobachten und müssen sich auch konkret mit neuen Cloud-Angeboten und -Technologien auseinandersetzen. Wenn das gelingt, können sie von der rasanten Entwicklung profitieren. Wichtig ist es, Veränderungen als die Norm zu verstehen.

Manche Anwender fürchten die Cloud, weil sie sich nicht zu stark in Abhängigkeit begeben wollen. Ist das nicht auch in typischen On-premise-Szenarien der Fall? Ist die Flexibilität in der Softwarenutzung nicht vielleicht sogar ein Vorteil der Cloud-Lösungen?

Stefan Tai: Lock-in-Effekte sind nicht Cloud-spezifisch, sondern in vielen Bereichen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit vorhanden. Durch die vielfältigen und zum Teil auch schnelllebigen Entwicklungen in der Cloud mag hier sogar eher das Gegenteil der Fall sein. Grundsätzlich sollte sich ein Anwender stets darüber im Klaren sein, welche Angebote er für welche Zwecke nutzt. Neben kommerziellen Angeboten gibt es auch zunehmend viele und gute Open-Source-Lösungen. Auch lassen sich föderierte Systeme gestalten, die Angebote verschiedener Anbieter integrieren, um somit potenzielle Lock-in-Effekte von vornherein zu minimieren. Cloud-Standards dagegen haben derzeit noch nicht die Reife, um die diversen Anforderungen an Interoperabilität und Portabilität konsequent zu gewährleisten.

Viele Unternehmen fürchten erhöhte Sicherheitsrisiken insbesondere beim Einsatz von Public-Cloud-Lösungen. Sind die Befürchtungen berechtigt? Wo sehen Sie die größten Gefahren?

Stefan Tai: Public Clouds sind Web-Angebote und verändern damit - wie das Web selbst - unsere Gesellschaft sowie die Unternehmen und ihre Geschäftsmodelle. Auch wenn die Veränderungen teils berechtigte Befürchtungen auslösen, sind sie nicht aufzuhalten. Lassen Sie uns deshalb - sozusagen im Spirit von Best in Cloud - an praktikablen Lösungen arbeiten und diese betonen. Dazu gehört dann beispielsweise, Sicherheitsbedürfnisse für konkrete Fälle, aber nicht generell zu bestimmen und zwischen technischen, rechtlichen, wirtschaftlichen aber auch kulturellen Herausforderungen und Lösungen zu unterscheiden.

Zum Schluss möchte ich nochmal auf Best in Cloud zurückkommen: Seit 2011 hat die Jury über 100 Cloud-Projekte für den Wettbewerb zugelassen. Gibt es ein Projekt, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist? Warum?

Stefan Tai: Für mich ist eher die Bandbreite der Einreichungen als ein einzelnes Projekt beeindruckend.

Vielen Dank für das Gespräch und bis zum 22. Oktober in Frankfurt!