Die Marschrichtung ist klar: "Die flächendeckende Versorgung unseres Landes mit leistungsfähigen Breitbandanschlüssen und der Aufbau von Hochleistungsnetzen sind wichtige Voraussetzungen für wirtschaftliches Wachstum, mehr Beschäftigung und steigenden Wohlstand". So ist es auf der Web-Seite www.zukunft-breitband.de des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zu lesen. Doch der Weg hin zu besagter Flächendeckung ist mit technischen und politischen Hindernissen gepflastert.
Aus diesem Grund revidierte die Bundesregierung ihr Ziel, dass bis 2014 etwa 75 Prozent der Haushalte Zugang zu Breitband-Anschlüssen mit 50 MBit/s haben stehen sollten. Das neue Ziel: Alle Haushalte erhalten bis 2018 solche High-Speed-Zugänge.
Derzeit, und wohl auch 2018, haben Privatkunden und Unternehmen die Wahl zwischen drei Zugangstechniken, die Datenraten von jenseits der 50-MBit/s-Grenze bieten:
• DSL (Digital Subscriber Line) über Kupferleitungen im Teilnehmeranschlussbereich (TAL): Erreicht werden Datenraten von bis zu 100 MBit/s beim Herunterladen und 40 MBit/s beim Versenden von Daten. Diese Werte gelten für die neue Technik VDSL2 Vectoring, die gegenwärtig implementiert wird.
• Kabel-TV-Netze auf Basis von Koaxial-Kabeln: Zu den Anbietern zählen Kabel Deutschland (Vodafone), Unity Media, Tele Columbus und Kabel BW. Ende des Jahres wird Kabel Deutschland privaten und Geschäftskunden Datenraten von 200 MBit/s zur Verfügung stellen. Damit wollen die Kabelnetz-Firmen das Abwandern von Nutzern zu Anbietern von VDSL2-Vectoring-Diensten verhindern, insbesondere zu Telekom Deutschland,
• Mobilfunk auf Basis von-Long-Term Evolution (LTE): Die Highspeed-Technik LTE (4G) bietet Downlink-Raten von bis 150 MBit/s. Sie ist bei der Telekom und Vodafone in zwei Versionen verfügbar: für mobile Nutzer und für den Einsatz zu Hause oder im Büro. Mit dem letztgenannten Angebot wollen die Mobilfunkfirmen insbesondere Nutzer auf dem Land ansprechen, wo keine VDSL- oder Kabel-TV-Netze verfügbar sind. Die Telekom und Vodafone sehen für solche Verbindungen Datenraten von bis zu 100 MBit/s (Downlink) vor. Zudem bietet auch Telefonica o2 LTE an, derzeit allerdings nur für im Mobilbereich.
VDSL2-Vectoring: Lebensverlängerung für Kupferkabel
Ein Kernelement der Breitbandstrategie in Deutschland ist nach wie vor die DSL-Technik. Nach Angaben des Telekommunikationsverbandes VATM entfielen 2013 von den 28,6 Millionen Breitband-Anschlüssen in Deutschland rund 22 Millionen auf DSL. Durch VDSL2-Vectoring erhält diese Technik neuen Auftrieb. Das Verfahren eliminiert Störungen, die bei der Datenübertragung über Kupferkabel auftreten und ermöglicht dadurch Datenraten (Downlink) von bis zu 100 MBit/s beziehungsweise 40 MBit/s beim Hochladen. Der Nachteil ist, dass sich dadurch die Leitungslänge verkürzt: Die 100 MBit/s im Downstream stehen nur auf einer Länge von etwa 300 Metern zur Verfügung - unter optimalen Bedingungen. Bei 800 Metern Distanz ist es bereits nur die Hälfte (50 MBit/s). Das heißt, die TAL (Teilnehmeranschlussleitung) muss relativ kurz gehalten werden.
In der Praxis erfordert Vectoring die Installation von Outdoor-DSLAMs (Digital Subsciber Line Access Multiplexer) anstelle der Kabelverteiler. Die DSLAMs sind über Glasfaserkabel mit den Vermittlungsstellen verbunden. Die Anbindung der Nutzer erfolgt über die vorhandenen Kupferleitungen. Ein Problem besteht darin, dass Vectoring nur dann funktioniert, wenn ein Telekommunikationsunternehmen Zugriff auf alle Kupferleitungen hat. Die bisherige Praxis, das ein Teil der Kabel an andere Netzbetreiber weitervermietet wird, ist somit obsolet.
Die Bundesnetzagentur hat deshalb ein Verfahren entwickelt, damit nicht nur die Telekom als mit Abstand größter Betreiber der Netzinfrastruktur VDSL2-Vectoring anbieten kann. Wer Vectoring einsetzen und somit einen Outdoor-DSLAM installieren möchte, muss dies der Netzagentur verbindlich zusagen. Sie steuert über ein Vergabeverfahren auf Basis einer Vectoring-Liste die Umrüstung von Netzen auf die neue Technik.
Platzhirsch ist die Telekom
Bislang engagiert sich vor allem die Telekom im Bereich VDSL2-Vectoring. Sie will bis 2016 rund 24 Millionen Haushalte beziehungsweise Gebäude mit der Technik versorgen - rund doppelt so viel wie bislang. Konkurrenten wie Vodafone, Telefonica O2 und 1&1 sind ebenfalls mit auf den Vectoring-Zug aufgesprungen.
Kritiker monieren, dass durch Vectoring der Ausbau von Glasfasernetzen (Fibre to the Home, Fiber to the Curb) weiter verzögert wird. Über Lichtwellenleiter könnten je nach Faser-Typ bis zu 1 GBit/s frei Haus beziehungsweise Wohnung geliefert werden. Dem stehen die hohen Kosten gegenüber, den der Umbau der bestehenden Infrastruktur mit sich bringen würde.
Kommende Standards: Bis zu 10 GBit/s über Kupferkabel
Der Kampf Kupfer gegen Glasfaser geht mittlerweile in eine neue Runde. Mit G.fast wird unter Ägide der International Telecommunication Union (ITU) eine Erweiterung von DSL entwickelt. Sie sieht Datenraten von bis zu 1,25 GBit/s vor (Phase 2). G.Fast wird als Nachfolger von VDSL2-Vectoring gehandelt. Es wird jedoch mit Sicherheit noch einige Jahre dauern, bis diese Technik in Deutschland zum Zuge kommen wird, auch in diesem Fall wegen der Kosten.
Ein Nachteil von G.fast ist, dass sich die Übertragungsdistanzen weiter vermindern. Bei der Version mit 700 MBit/s sind 100 Meter angedacht, bei der mit 1,25 GBit/s ganze 70 Meter. Das bedeutet, dass in diesem Fall in ein Gebäude mit mehreren Teilnehmern Glasfaserkabel bis zum Kellerraum oder den Etagenverteilern geführt werden müssen. Von diesen ausgehend, übernehmen Kupferleitungen den Transport der Daten auf den letzten Metern.
Bis zu 200 MBit/s über das TV-Kabel
Von VDSL Vectoring und G.Fast wollen sich die Betreiber von Kabel-TV-Netzen nicht ins Bockshorn jagen lassen. Sie kontern die Technik der Deutschen Telekom mit vergleichbaren Angeboten. Branchen-Primus Kabel Deutschland, eine Tochter von Vodafone, zeigte beispielsweise auf der diesjährigen Internationalen Funkausstellung (IFA), dass über das Fernsehkabel Daten mit bis zu 1 GBit/s übermittelt werden können. Derzeit stellt das Unternehmen Geschäftskunden allerdings maximal 100 MBit/s beim Download und 12 MBit/s beim Versenden von Dateien zur Verfügung. Damit erreicht der Anbieter nach eigenen Angaben 14,3 Millionen Haushalte in Deutschland.
Ab November 2014 startet Kabel Deutschland die Einführung von Diensten mit 200 MBit/s, allerdings nicht in deutschen Großräumen, sondern in Koblenz, Saarbrücken und Wilhelmshaven. Bis Ende des laufenden Geschäftsjahres am 31. März 2015 will Kabel Deutschland rund 1,8 Millionen Haushalte mit den neuen Internetbandbreiten versorgen. Sechs Monate später sollen es nahezu drei Millionen Haushalte sein. Auch Mitbewerber von Kabel Deutschland wie Tele Columbus bieten Datenraten von 150 MBit/s an.
Ein Nachteil von Kabel-TV-Netzen ist, dass sie vorzugsweise in Städten und stadtnahen Regionen zur Verfügung stehen. Darin wird sich auch künftig wenig ändern. Die Anbindung von ländlichen Regionen ist für die Netzbetreiber unwirtschaftlich. Als flächendeckende Breitband-Technik kommen TV-Kabel somit nicht in Betracht.
Ein weiteres Manko ist, dass es sich um eine "Shared-Medium"-Technik handelt. Der Betreiber stellt in einem Cluster mit mehreren Hundert Teilnehmern (Wohnungen, Büros) eine Bandbreite von beispielsweise 400 MBit/s oder 1 GBit/s zur Verfügung. Alle Teilnehmer teilen sich diese Bandbreite. Das bedeutet, es kann zu größeren Schwankungen der Netto-Bandbreite kommen, etwa wenn neue Teilnehmer oder "Power-User" wie Unternehmen in einem Cluster hinzukommen. Dann muss der Netzbetreiber entweder das Cluster unterteilen oder mehr Bandbreite bereitstellen.
Hoffnungsträger für das Land: LTE
In Regionen, in denen bestenfalls ISDN oder DSL mit 1 oder 2 MBit/s zur Verfügung steht, soll die Mobilfunktechnik LTE die Digitale Agenda retten. Zu diesem Zweck haben die Telekom und Vodafone "Indoor-LTE-Pakete" geschnürt. Sie sehen Datenraten von mittlerweile bis zu 100 MBit/s (Downlink) vor. Die Verfügbarkeit des Dienstes sei weitgehend sichergestellt, so die Service-Provider. In circa 70 Prozent des Bundesgebiets ist die Technik demnach verfügbar.
Das Problem: Laut Untersuchungen im Auftrag der Bundesnetzagentur stand die vertragliche zugesicherte Maximalbandbreite von LTE im Jahr 2013 nur 17 Prozent der Nutzer zur Verfügung. Mehr als 59 Prozent mussten sich mit maximal 50 Prozent der vom Provider angegebenen Datenrate zufrieden gegeben. Dieses Vorgehen ist zwar auch bei VDSL und, wenn auch nicht im selben Maße, bei Kabel-TV zu verzeichnen. Doch befriedigend ist die Situation nicht.
Hinzu kommen zwei weitere Faktoren: Auch Mobilfunk ist ein Shared Medium. Also je mehr Teilnehmer, desto geringer die Bandbreite, die pro Teilnehmer zur Verfügung steht. Zudem sehen die gängigen Verträge für Privatkunden zwar ein monatliches Datenvolumen von maximal 30 GByte vor. Doch ist dieses erschöpft, wird die Transferrate bis zum Ablauf des Abrechnungsmonats auf 384 kBit/s reduziert.
LTE-Datenraten sinken
Die Beratungsfirma OpenSignal, die Daten über die Performance und Nutzung von Mobilfunknetzen in aller Welt sammelt, gab im April 2014 die durchschnittlichen Downlink-Geschwindigkeiten in deutschen LTE-Netzen mit 13,2 MBit/s (o2), 12,4 MBit/s (Telekom) und 9,6 MBit/s (Vodafone) an. Nach Angaben von OpenSignal sind dies niedrigere Werte als in anderen Staaten wie Frankreich oder Schweden. Die Datenraten in Deutschlands LTE-Netzen hätten sich im Vergleich zu diesen Ländern zudem seit Ende 2013 weiter verringert.
Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass immer mehr Nutzer in LTE und entsprechende Endgeräte einsetzen und das LTE-Mobilfunknetz immer stärker nutzen. In puncto Breitbandversorgung heißt das, dass die Netzbetreiber schnellstens nachrüsten müssen. Angesichts der hohen Kosten, die eine LTE-Infrastruktur verursacht, sind Ad-hoc-Nachbesserungen jedoch unwahrscheinlich.
Trend: Breitband-Mobilfunkverbindungen in Gebäuden
Breitbandverbindungen über Mobilfunk innerhalb von Gebäuden galten bislang als schwer umsetzbar. Das ändert sich derzeit. So haben der Huawei und Vodafone im Sommer 2014 mit dem LampSite-Systeme eine Technik vorgestellt, die in Geschäftsgebäuden 3G-, 4G- und Wireless-LAN-Verbindungen bereitstellt. Die Grundlage bilden Mikro-Funkzellen, die mithilfe von modularen Basisstationen eingerichtet werden. Diese Stationen lassen sich zudem mit LTE-Modulen bestücken und an das "normale" Mobilfunknetz von Vodafone anbinden.
Einer der ersten Nutzer der Technik ist der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb). Das Problem des Senders: Er residiert in einem denkmalgeschützten Gebäude mit dicken Mauern, die eine Mobilfunk-Versorgung auf konventionellem Wege unmöglich machten.
Praxis: Deutlich weniger Bandbreite als zugesichert
Ein Faktor, den es im Zusammenhang mit Breitbandverbindungen in der Praxis zu berücksichtigen gilt, ist die Diskrepanz zwischen Anspruch - oder besser gesagt den Zusagen der Provider - und Wirklichkeit. In den meisten Fällen wird die vertraglich zugesicherte Bandbreite nicht erreicht. Rechtlich ist das in Ordnung, weil sich die Service-Provider in ihren Geschäftsbedingungen auf mögliche technische Hürden berufen, die eine Bereitstellung der Dienste erschweren. Dazu zählen die Qualität der Leitungen, speziell innerhalb von Geschäfts- und Privatgebäuden, die Ausbaustufe des Netzes sowie Gegebenheiten wie die Abschattung von Mobilfunkmasten in Innenstädten durch Gebäude.
Messungen, welche die Bundesnetzagentur zwischen Januar und Dezember 2013 im Bundesgebiet durchführen ließ, ergaben allerdings, dass die Diskrepanzen teilweise erheblich sind. Demnach erhielten beispielsweise nur 5,4 Prozent der Kunden, die bei ihrem Service-Provider ein DSL-Angebot mit 8 bis 18 MBit/s gebucht hatten, die vertraglich zugesicherte volle Bandbreite.
Etwas besser sah es laut der Agentur bei Verbindungen mit Übertragungsraten im Bereich 25 MBit/s bis 100 MBit/s aus. Bandbreiten ab 50 MBit/s sind nicht nur für private "Power-User" relevant, sondern auch für kleine und mittelständische Unternehmen. Im Bereich 25 bis 50 MBit/s stand immerhin in 25,5 Prozent der Fälle die zugesicherte maximale Bandbreite (bis 50 MBit/s) zur Verfügung. Bei Verbindungen mit 50 bis 100 MBit/s konnten 41,3 Prozent der Nutzer auf volle Bandbreite zurückgreifen.
Verbesserungsbedürftig ist laut der Untersuchung auch das Angebot an mobilen Breitbandverbindungen. Die Mehrzahl der Nutzer von LTE-Verbindungen zwischen 55,2 Prozent (Stadt) und 59,2 Prozent (Land) musste sich 2013 mit 50 Prozent der eigentlich vom Provider zugesagten Bandbreite begnügen.
Fazit: Breitband ja - aber nicht überall
In einem sind sich Telekommunikationsfachleute einig: Die ideale Lösung für eine "Gigabit-Gesellschaft" wäre ein flächendeckender Ausbau der Glasfasernetze. Doch das unterblieb bislang, vor allem aus Kostengründen. Die bestehende Telefoninfrastruktur auf Basis von Kupferkabeln hat in Westdeutschland zwar schon etwa 50 Jahre auf dem Buckel, lässt sich aber dank Vectoring und später G.fast weiterhin nutzen.
Es zeichnet sich zudem ab, dass Breitband-Dienste über das Kabel-TV-Netz an Bedeutung gewinnen. Immerhin verzeichnen Anbieter in diesem Segment leichte Zuwächse. Wenig Hoffnung darauf, dass kabelgestützte Breitband-Verbindungen vom 50 MBit/s und mehr bis Ende des Jahrzehnts in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen werden, dürfen sich Bewohner ländlicher Gebiete machen. Die Kosten sind für die Netzbetreiber schlichtweg zu hoch. Hinzu kommt, dass die Bundesregierung im Spätsommer 2014 klargestellt hat, dass sie den Ausbau einer Breitband-Infrastruktur nicht fördern kann - oder will. Einzelne Bundesländer wie Bayer haben zwar Zuschüsse von bis zu 10 Milliarden Euro in Aussicht gestellt, wollen aber diese Aufgabe nicht alleine schultern.
De facto läuft somit alles auf folgendes Szenario hinaus: Breitband ja, aber mit Datenraten im dreistelligen Bereich nur in (Groß-)Zentren. Die Befürworter einer solchen Strategie haben neben den Kosten ein weiteres Argument auf ihrer Seite: den Trend in Richtung Urbanisierung, der in auch Deutschland zu beobachten ist. (mb)