Start Amadeus

Start Amadeus: Die Köpfe hinter dem Urlaubsklick

22.01.2001 von Gabriele Müller
Im Tourismus geht heute nichts mehr ohne Informationstechnik. Wer von einem freundlichen Menschen im Reisebüro in Sekundenschnelle die Bestätigung bekommt, ob sein gewünschtes Hotel noch freie Zimmer hat, verdankt das meist einem Unternehmen aus Bad Homburg.

Ayers Rock wird auf einem Display sichtbar. Eine Schrift informiert über Wetter, Entfernung vom Standort, Sprache und Währung. Die Luft flimmert, die Temperatur liegt bei 45 Grad Celsius. Die untergehende Sonne taucht den Felsen in glühendes Rot. Plötzlich leuchten auch die Wände rings umher rot. Was sich anhört wie aus einem Science Fiction Film, fasziniert jeden Besucher, der das Foyer der Start Amadeus GmbH betritt.

Bei Europas größtem Hersteller von Reisevertriebssystemen dreht sich alles um zwei Themen: Reisen und Datenverarbeitung. Nur logisch, dass sich das Unternehmen auch für seine neue Firmenzentrale in Bad Homburg etwas Besonderes hat einfallen lassen: eine Installation mit einem „virtual Globe“, die moderne Medien und Architektur miteinander verbinden soll. Staunen und Ausprobieren inklusive. Der Blick fällt durch eine Holzkonstruktion mit vielen unregelmäßigen Schlitzen auf eine Kunststoffwand. Sie verändert die Farbe analog zu der Klimazone, in die der Besucher gerade auf dem großen Globus in der Mitte des Raumes reist.

Nur Reiseprofis erkennen auf Anhieb, dass die rechteckigen Aussparungen in der Holzwand genau das Aussehen einer ganz bestimmten Bildschirmmaske wiedergeben. Die sieht der Reisebüroexpedient immer dann, wenn sich ein Kunde für ein Angebot entschieden hat und buchen möchte. Gleich ob Luxushotel in Florida oder Fähre nach Mykonos: Möglich machen die Buchung fast immer Produkte und Entwicklungen von Start Amadeus.

Rund 85 Prozent der PCs in den deutschen Reisebüros arbeiten mit dem System Start. Weltweit lassen sich darüber Angebote von 426 Airlines, rund 50 00 Hotelgesellschaften, 50 Mietwagenfirmen, 165 Reiseveranstaltern sowie von fast 400 Event-Anbietern buchen. Dazu kommen Systeme für das Reisebüro-Management, die bargeldlose Abwicklung des Zahlungsverkehrs oder Internet-Plattformen. Das war 1976, als die „Start Studiengesellschaft zur Automatisierung für Reise und Tourismus GmbH“ gegründet wurde, noch nicht abzusehen. Gesellschafter damals: Deutsche Bundesbahn, Lufthansa, TUI, abr, DER und Hapag-Lloyd. Heute sind es noch zwei - die Lufthansa AG und die Amadeus Travel Distribution, eines der weltweit größten globalen Distributionssysteme.

Ein Traditionsunternehmen also, das aber großen Wert nicht nur auf ein zeitgemäßes Erscheinungsbild legt, sondern auch auf moderne Methoden der Mitarbeitergewinnung und -bindung. Das zeigt sich zum Beispiel in der Gestaltung der neuen Büroräume. „Wir haben uns vor zwei Jahren entschieden, mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart im Rahmen des Forschungsprojekts Office 21 ein völlig neues Bürokonzept zu entwickeln“, erinnert sich Stefan Gerhardt, Leiter des Bereichs Human Resources. Eine erste Analyse ergab: Wo Reise- und IT-Experten häufig in gemeinsamen Projekten beschäftigt sind, wird überwiegend kreative, kommunikative Teamarbeit geleistet. Darum hat sich das Unternehmen für die Einrichtung von so genannten halboffenen Bürostrukturen entschieden.

Manfred Götz und Stefan Gerhardt (v.l.) vor dem virtuellen Globus

Was das heißt, demonstrieren Stefan Gerhardt und Manfred Götz, Leiter Personal-Marketing, bei einem Rundgang durch die Büroräume. „Es gibt keine unbeweglichen Wände mehr, stattdessen Paneele als Sichtschutz, die nach Bedarf eingesetzt und umfunktioniert werden können. Zum Beispiel in einen nahezu tropischen hängenden Garten oder in eine Art Pinwand, an der gerade die neuesten Arbeitsergebnisse auf Papier festgehalten werden. Etwas, das geschlossen ist, gibt es allerdings doch: Jeder Einheit von sechs Arbeitsplätzen ist eine „Denkerzelle“ als Refugium zugeordnet, die auch als Technik- oder Archivraum genutzt werden kann. „Wir werben zwar nicht offensiv mit diesem Konzept bei den Kandidaten“, sagt Götz. „Aber wir überzeugen sie gern direkt von den Vorteilen eines solchen Systems.“ Start Amadeus sucht Mitarbeiter rund um die Datenverarbeitung, insbesondere Softwareentwickler und Systemanalytiker. Da haben nicht nur Uniabsolventen eine gute Chance, sondern auch Quereinsteiger, die fachlich geschult und mit den Produkten des Unternehmens vertraut gemacht werden.

Für den besonders talentierten Nachwuchs gibt es die Aufnahme ins Future-Team. Einmal jährlich dürfen ein Kaufmann, ein Informatiker und ein Vertriebsmitarbeiter für drei Monate reisen. Sie testen dabei keine neuen Ferienorte, sondern können frei vom Arbeitsalltag neue Projekte anstoßen, die für das gesamte Unternehmen den Weg ins E-Business weisen sollen. Was erwarten die Bewerber vom Unternehmen? Götz ist sich sicher: „Vor allem die Informatiker fragen immer wieder nach interessanten Arbeitsinhalten und den Möglichkeiten, sich fachlich und menschlich weiterzuentwickeln. Sie wollen neue Themen und neue Aufgaben.“ Die offene Arbeitsumgebung und das mit 34 Jahren verhältnismäßig niedrige Durchschnittsalter der Mitarbeiter werden an zweiter Stelle genannt.

Auch wenn qualifiziertes Personal hier wie überall dringend gesucht wird, kann von hohen Traumgehältern in einer vermeintlichen Traumbranche nicht die Rede sein. „Wir wollen ein gerechtes Gehaltsgefüge“, betont Gerhardt. Das bedeutet für Hochschulabgänger einen Einstieg bei rund 80 000 Mark im Jahr. „Das kann sich bei entsprechender Erfahrung und Qualifikation in mehreren Jahren aber auch auf bis zu 150 000 Mark erhöhen“, fügt er hinzu. Dafür sorgen auch flexible Gehaltsanteile als Leistungsanreize, die in Zielgesprächen vereinbart werden.

Dazu kommen flexible Arbeitszeit und Telearbeitsmodelle, die auch für einen verhältnismäßig hohen Frauenanteil sorgen. Von den 800 Mitarbeitern sind insgesamt 40 Prozent weiblich, im Bereich IT arbeiten immerhin noch 20 Prozent Frauen. Eine davon ist Beatrice Sipf, 36 Jahre alt und Diplom-Informatikerin. Vor rund sieben Jahren hat sie als Systemanalytikerin im Softwareentwicklungsbereich für Pauschalreisen und Versicherungen angefangen und damals schon internationale Anbieter, Kunden und Partner des Unternehmens betreut.

Seit rund zwei Jahren leitet sie die Abteilung Basisapplikationen Anwendungssoftware. Das heißt für sie, eine Server-Basis für die zentralen Anwendungen des Unternehmens zu entwickeln und bereitzustellen, Administrationsverfahren zu entwickeln und zu pflegen sowie ihre Abteilung strategisch auszurichten: „eine vielseitige Aufgabe und ein Produkt, mit dem ich mich identifizieren kann“, sagt Sipf. Dazu kommt, dass ihr Bereich verantwortlich für Softwareentwicklungsprojekte ist und „von der Analyse über das Design bis hin zur Umsetzung und Betreuung im Betrieb die ganze Entwicklung verfolgt und betreut“.

 Aber wenn sie gefragt wird, was sie an ihrem Job besonders schätzt, dann kommt auch diese Antwort: „Ich arbeite gern in einem unkomplizierten kollegialen Team, in dem Selbstorganisation und Eigenverantwortung groß geschrieben werden.“ Das besteht übrigens in ihrer Abteilung zur Hälfte aus Kolleginnen. Mit denen und anderen „Betroffenen“ hat sie denn auch in der Nacht vom 1.1.2000 um zwei Uhr früh gechattet, „weil es keine Y2K-Probleme gab, aber alle gespannt und aufgeregt das System kontrollierten und dabei tolle Gespräche zustande kamen“.