E-Business, ERP und SCM

Standards für firmenübergreifende Prozesse fehlen

26.03.2009 von Frank Niemann
Firmen aus der Fertigungs- und Automobilindustrie bemängeln fehlende Standards für E-Business. So ließen sich Medienbrüche, manuelle Arbeiten und Verzögerungen vermeiden. Dies ergab eine Studie der SupplyOn AG und der Wirtschaftsverband Stahl und Metallverarbeitung e.V. (WSM).
Für diese Abläufe nutzen Firmen heute E-Business-Plattformen.

Befragt hatten der SCM-Spezialist SupplyOn AG und der Wirtschaftsverband Stahl und Metallverarbeitung e.V. (WSM) rund 700 Manager, die in Zulieferbetrieben der Fertigungs- und Automobilindustrie für Vertrieb, Logistik und andere kundennahe Bereiche zuständig sind. Die Betriebe wickeln bereits elektronische Transaktionen mit anderen Firmen ab und sehen solche Konzepte auch als geeignet an, dem Preis- und Innovationsdruck zu begegnen - wirtschaftlich angespannte Situation vieler Zulieferbetriebe ist hinlänglich bekannt. Allerdings sind die Firmen laut der Studie gezwungen, sich mit zahlreichen, unterschiedlichen E-Business-Plattformen auseinandersetzen. Hohe Administrations- und Schulungsaufwand seien die Folge. Hinzu kommt: Für die unterschiedlichen Prozesse sind Daten in einer jeweils anderen Form aufzubereiten. Sie würden am liebsten mit möglichst vielen ihrer Kunden über eine einheitliche Plattform kommunizieren können, lautet das nicht ganz überraschende Resümee des Werks.

SupplyOn selbst betreibt eine E-Business-Plattform für die Automobilindustrie, somit verwundert die Motivation für die Studie nicht. Eigenen Angaben zufolge hat SupplyOn jedoch nicht nur die eigenen Kunden befragt.

Continental mahnt E-Business-Standards für Zulieferer an

Um Prozesse für verschiedene Kunden einheitlich abwickeln zu können, sind Standards erforderlich, die es noch nicht gibt. "Die Automobil- und Fertigungsindustrie ist gehalten, sich auf verbindliche Standards für E-Business zu einigen - im Sinne der gesamten Zulieferbranche", so Günter Fella, Senior Vice President bei Continental, der in der Studie zu Wort kommt. Das Unternehmen verwendet wie auch Bosch, ZF und Schaeffler die SupplyOn-Plattform. Schaeffler ist derzeit in den Schlagzeilen, weil die Firma trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten den Konkurrenten Continental übernehmen will.

Auf der ERP-Suche?

Bei der Suche nach einem passenden ERP-System hilft Ihnen der ERP-Matchmaker von Trovarit und der COMPUTERWOCHE.

"Es ist wichtig, dass sich die großen Industrieunternehmen auf eine gemeinsame Plattform zur Abwicklung von Lieferantenprozessen verständigen", SupplyOn-Chef Markus Quicken. Dabei sei es jedoch nicht damit getan, nur Datenformate abzustimmen. "Gemeinsame Formaten bietet nur einen begrenzten Mehrwert, wenn darauf keine standardisierten Prozesse aufsetzen."

SCM-Prozesse für Lieferabrufe und Angebotsprozesse

Hauptsächlich nutzen die Unternehmen E-Business-Plattformen für Lieferabrufe, Angebots- und Auktionsprozesse und die Reklamationsabwicklung. Seltener jedoch für Abläufe wie Kanban oder Vendor-Managed Inventory.

Prozessnutzung nach Firmengröße.

Neben SupplyOn exisiteren noch eine Reihe weiterer Plattformen, die für Unternehmen E-Business-Dienste für firmenübergreifende Abläufe in der Logistik und dem Einkauf anbieten, darunter Crossgate, GXS, Sourcing Parts, Newtron, IBX sowie Pool4Tool.

"Die Potenziale elektronischer Prozesse können nicht voll ausgeschöpft werden, wenn die Prozessoptimierung entweder an der Grenze des eigenen Unternehmens endet oder die Bereitschaft auf Seiten des Lieferanten fehlt, da diesem der eigene Nutzen elektronischer Prozesse nicht klar ist", so Thomas Dieringer, Geschäftsführer Selected Services GmbH, dem Betreiber des Lieferantenportals Pool4tool.

Speziell bei Logistik- und Qualitätsprozessen könnten Lieferanten über Online-Plattformen, wie sie die genannten Hersteller böten, auf Grundlage vorhandener Normen wie EDIFACT, VDA oder QDX (Quality Data Exchange) die Daten über integrierte Clearing-Center direkt an ihr ERP-System anbinden. Dabei entstünde kein zusätzlicher Aufwand in der täglichen Kommunikation.

Für einige Abläufe gibt es noch keine Standardformate

Wofür Unternehmen E-Business-Plattformen künftig nutzen wollen.

Allerdings gibt es für viele Prozesse noch keine Standards. Sie fehlten beispielsweise für die Angebotsabgabe, dem Ausfüllen von Cost-Breakdowns (Kostenaufschlüsselungen) bei Ausschreibungen sowie dem Rückmelden von Lieferanten- und Artikelstammdaten. Daher seien die Lieferanten hier gezwungen, manuell zu arbeiten, um kundenspezifische Formulare auszufüllen.

SuppyOn-Manager Quicken gibt zudem zu bedenken, dass Spezifikationen wie QDX für die Nachrichtenintegration von Maschine zu Maschine und somit für große Unternehmen relevant seien. "Die kleinen Unternehmen brauchen eine standardisierte Möglichkeit zur Prozessabwicklung über ein Portal, welches nur einen Internet-Browser und -Zugang erfordert."

Zur Studie

Ziel der Studie war es zum einen herauszufinden, wie verbreitet elektronische Prozesse in der Automobil- und Fertigungsindustrie heute, fast zehn Jahre nach dem E-Business-Hype, tatsächlich sind. Wie intensiv nutzen die Firmen E-Business-Plattformen zur Kommunikation mit ihren Lieferanten? Welche Prozesse wickeln sie häufig über diese Systeme ab?

Zudem wollte SupplyOn herausfinden, warum Betriebe elektronische Prozesse - obwohl sie nachweislich so viele Vorteile bieten - oft nur sporadisch nutzen.