Datenqualität sichern

Stammdaten-Management braucht Ordnung

01.04.2013 von Rolf Scheuch
Wer seine Stammdaten aufräumen möchte, muss auch die Fachbereiche in die Pflicht nehmen. Dort entstehen schließlich die Daten, die zuletzt in den IT-Systemen landen. Ziel muss es sein, an dieser Stelle für Qualität zu sorgen.
Informationen sind nur dann brauchbar, wenn sie sich durch entsprechende Aktualität, Konsistenz, Semantik und Darstellung auszeichnen.
Foto: Shutterstock/SSSCCC

Mangelhafte Stammdaten bilden die Achillesferse vieler Organisationen. Fehlschläge, enttäuschte Erwartungen und unzufriedene Anwender sind die Folge. Die IT als die meist einzige Querschnittsorganisation sieht häufig die Schwächen und zieht das Stammdaten-Management an sich - bemüht, die Probleme zu lösen und nebenbei die Fachbereiche zum sinnvollen Umgang mit Stammdaten zu erziehen. Doch das ist definitiv keine erfolgversprechende Strategie für das Stammdaten-Management. Der Erfolg hängt vielmehr davon ab, dass die Fachabteilungen selbst mehr Verantwortung übernehmen.

Ziele und Aufgaben

Ordnungsrahmen: Strategie, Organisation und Architektur von Unternehmen lassen sich um Stammdatenmodelle erweitern.
Foto: Rolf Scheuch, Opitz Consulting

Die wesentlichen Ziele des Stammdaten-Managements liegen darin, die Qualität der Daten sicherzustellen und damit deren Wert zu erhöhen sowie eine nachhaltige Verwendung der Stammdaten in allen Wertschöpfungsprozessen mit dem Ziel der Nutzensteigerung zu gewährleisten. Für die Wertschöpfung sind die Fachbereiche verantwortlich. Auch die Nutzung von verlässlichen Informationen und Stammdaten in den Geschäftsprozessen liegt in der Verantwortung der Fachbereiche. Informationen sind allerdings nur dann brauchbar, wenn sie sich durch entsprechende Aktualität, Konsistenz, Semantik und Darstellung auszeichnen. Die Datenqualität zu sichern ist somit letztlich eine semantische und organisatorische Herausforderung, die am Entstehungs- und Verwendungsort der Stammdaten in den Fachbereichen bestanden werden muss.

Wozu der Aufwand?

Vier grundlegende Motive lassen sich für das Stammdaten-Management identifizieren.

  1. Anforderungen aus Governance, Risk and Compliance (GRC): Für Finanzdienstleister stellen Basel II, Solvency II und ähnliche Regularien notwendige "Übel" dar, die eine gesicherte Qualität der gemeldeten Daten erforderlich machen. Dieser Treiber verbessert nicht die Wertschöpfung - eher ist das Gegenteil der Fall -, doch ist die Erfüllung solcher Vorgaben eben Pflicht.

  2. Reduktion der Prozesskosten durch niedrigere Fehlerquoten, weniger Eskalationen wegen "schlechter" Stammdaten: Ein typisches Beispiel sind Call-Center-Agenten, die mit Kunden auf Basis eines Dashboards kommunizieren. Fehlerhafte Daten führen zu aufwendigeren Gesprächen und geringerer Kundenzufriedenheit.

  3. Effektivere Geschäftsprozesse: Die Verbesserung der Lieferantenbewertung und Optimierung des Einkaufs ist ein Paradebeispiel. Hat ein Unternehmen eine international konsolidierte, transparente Sicht auf die Lieferanten und ihre Verflechtungen, lassen sich bessere Konditionen aushandeln. Der strategische Einkauf kann so die Lieferanten einem Ranking unterziehen.

  4. Mehr Flexibilität für neue Geschäftsmodelle und neue Märkte: Die Einbeziehung von Unternehmenszukäufen ist ein Beispiel. Aus dem E-Commerce ist die Belieferung neuer Internet-Portale und elektronischer Marktplätze mit hochwertigen und an das Marktsegment angepassten Produktdaten eine große Chance für den Handel.

Ordnungsrahmen und Bereiche

Stammdaten-Management muss in einem unternehmensweiten Kontext implementiert werden. Dafür sollten Unternehmen ihre damit zusammenhängenden Geschäftsprozesse und IT-Systeme hinsichtlich der veränderten Datenverwendung überdenken. Ferner werden die Initiativen und Projekte selbst durch ein Führungssystem überwacht und gesteuert. Und zuletzt bettet sich die Strategie für das Stammdaten-Management in die generelle Unternehmensstrategie ein und trägt so mittelbar zu einer Verbesserung der Wertschöpfung bei.

Dies ist eine weitere Begründung, warum Stammdaten-Management kein IT-Projekt, sondern ein Vorhaben des Fachbereichs ist. Die IT liefert eine Infrastruktur für diese Geschäftstransformation und wirkt so am Stammdaten-Management mit, die Steuerung und Initiierung erfolgt jedoch über den Fachbereich.

Tipps für das richtige Stammdaten-Management
Tipp 1
Unternehmen, die sich daranmachen, im eigenen Datenbestand aufzuräumen, sollten zunächst Raum für das Stammdaten-Management schaffen.
Tipp 2
Ermöglichen Sie im nächsten Schritt des MDM-Projekts ein Controlling.
Tipp 3
In der folgenden Phase des MDM-Vorhabens gilt es, die betroffenen Systeme und Datenflüsse zu identifizieren.
Tipp 4
Start simple - keep it simple.
Tipp 5
MDM-Projekte sind komplex.
Tipp 6
Den Projektauftrag möglichst klar formulieren.
Tipp 7
Infrastruktur und Applikationen.
Tipp 8
Achten Sie auf den richtigen Ressourcen-Mix.
Tipp 9
Widmen Sie den Schnittstellen viel Zeit.
Tipp 10
Vorsicht mit den Testdaten.
Tipp 11
MDM-Projekte produktiv setzen.
Tipp 12
Das Stammdaten-Management in Betrieb halten.

Der im Folgenden vorgestellte Ordnungsrahmen strukturiert die wesentlichen Elemente und dient als Richtschnur für die Vorgehensweise. Das Modell baut auf dem Business Engineering auf, einem am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen entwickelten Ansatz zur Gestaltung von Geschäftstransformationen, die auf dem strategischen Einsatz von IT-Systemen basieren. Das Business Engineering unterscheidet die drei Ebenen

1. Strategie

Stammdaten-Management als Fundament: Ein funktionierendes Stammdaten-Management bildet die Basis für sämtliche darauf aufbauenden Business-Applikationen und somit auch die damit verbundenen Prozesse.
Foto: Rolf Scheuch, Opitz Consulting

Bei Kommunikation und Controlling von mittel- oder langfristigen Vorhaben mit organisatorischen Veränderungen werden Visionen und Strategien eingesetzt. Das Team entwirft für die Organisation und das Management ein Leitbild (Vision) für das Stammdaten-Management. Dieses vermittelt den Zweck des Stammdaten-Managements, motiviert die Veränderung, skizziert die Ziele und beschreibt Leitlinien für Handlungen. Hierbei ist sicherzustellen, dass das Leitbild des Stammdaten-Management nicht den etablierten Unternehmenszielen widerspricht.

Aus der Vision mündet das Operationalisieren auf einer abstrakten Ebene durch die Formulierung der Strategie mit Initiativen für das Stammdaten-Management. Die Strategie legt die Aktivitätsfelder fest und spiegelt die Wünsche sowie Wertvorstellungen der Entscheidungsträger wider. In Verbindung mit der Vision beschreibt die Strategie die Erwartungen an einen möglichen zukünftigen Zustand. Letztlich werden daraus die Roadmap inklusive der Meilensteine entwickelt sowie Initiativen für ein begleitendes Veränderungs-Management festgehalten.

2. Organisation

Das Vorhaben bildet ein Querschnittsthema im Unternehmen. Daher sind Tätigkeiten, Prozesse, Funktionalität und Strukturen des Stammdaten-Managements über die unterschiedlichen Geschäftsbereiche hinweg zu koordinieren. Dafür erforderlich ist ein eigenes Führungssystem sowie eine spezifische Ablauf- und Aufbauorganisation für das Stammdaten-Management. Ferner sind auch Anpassungen an der Ablauf- und Aufbauorganisation der operativen Unternehmenseinheiten wichtig. Grundlage der Gestaltung der Ablauf- und Aufbauorganisation sind die Anforderungen an das Stammdaten-Management, die in der Funktionsarchitektur festgehalten werden.

Das Führungssystem des Stammdaten-Managements operationalisiert die Vorgaben der Stammdaten-Management-Strategie. Es bestimmt die Ausgangssituation, legt die Prozesse und Organisation fest und ordnet die Kennzahlen den relevanten Geschäftsprozessen zu. Standards und Vorgaben im Umgang mit Stammdaten müssen in die operativen und wiederkehrenden Arbeitsabläufe im Unternehmen eingebettet werden. Das betrifft die operativen Kernprozesse und deren Aktivitäten, die Anwender im Rahmen ihrer Linienfunktion beziehungsweise Rollen betreiben. Ferner müssen Stammdaten-Management-spezifische, administrative Prozesse sowie die Governance implementiert werden.

Grundlage der Prozesse ist eine adäquate Aufbauorganisation. Die Mitarbeiter werden entsprechend ihren Rollen in den Prozessen disziplinarisch in die Aufbauorganisation eingebunden. Dies kann in ihrer ursprünglichen Linienfunktion oder in einer fachlichen Berichtslinie, etwa in Form einer Matrixorganisation, erfolgen.

3. Architektur

Das Stammdaten-Management wird unternehmensweit implementiert. Um das zu vertretbaren operativen Kosten zu ermöglichen, ist die Unterstützung der Prozesse mittels IT nötig. Das bezieht sich zum einen auf die manuell unterstützten Prozesse des Stammdaten-Managements selbst, zum anderen auf die automatisierten Prozesse der Datenaufbereitung und -verteilung. Hierzu ist eine klare Systemarchitektur inklusive aller Abhängigkeiten und Beziehungen notwendig. Diese beschreibt die Ist-Situation wie auch die geplante Soll-Architektur. Folgende Sichten sind für das Stammdaten-Management-Vorhaben notwendig:

Die Gestaltungsbereiche sind:

Die Anwendungssysteme und die Kandidaten für Stammdaten-Management werden hinsichtlich der Bereitstellung der Funktionen geprüft und nach definierten Kriterien bewertet. Die Anwendungs- und auch Integrationskomponenten basieren auf einer Infrastrukturplattform, die gesondert bei der Infrastrukturarchitektur betrachtet wird.

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Organisation

Organisation: Sind die MDM-Hausaufgaben gemacht, muss das Team nur noch steuern.
Foto: Rolf Scheuch, Opitz Consulting

Stammdaten werden meist in einer Vielzahl anderer Initiativen verwendet. Somit unterstützt das Stammdaten-Management als Fundament auch zahlreiche andere IT-Initiativen, an deren Zielen wiederum verschiedene Geschäftstreiber interessiert sind. Um Synergien zu erreichen und Ineffizienzen zu vermeiden, muss ein Stammdaten-Management-Vorhaben mit bestehenden Initiativen abgestimmt werden. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass es organisatorisch nicht sinnvoll ist, das Stammdaten-Management einer einzelnen Initiative aus der Liste der existierenden Initiativen zuzuordnen, da die Ziele des Stammdaten-Managements unternehmensweit sind. Es gibt jedoch Ausnahmen, wenn etwa eine Initiative dominant und hoch priorisiert ist sowie dringend des Stammdaten-Managements bedarf. Typische Beispiele sind die Harmonisierung der CRM/ERP-Landschaft oder die Einbeziehung neuer IT-Systeme im Zuge eines Mergers. In der Regel ist das Stammdaten-Management jedoch nicht punktuell ausgerichtet.

Planung

Bei der Planung der Stammdaten-Management-Organisation stellt sich oft die Frage, ob und inwieweit das damit betraute Team auch operative Tätigkeiten übernehmen soll. Die Herausforderung lässt sich anhand zweier Gegenpositionen darstellen:

In der Praxis werden in aller Regel Mischformen praktiziert werden. Eine große Rolle spielt hierbei, welchen Reifegrad das Unternehmen bei der Implementierung des Stammdaten-Managements und der benachbarten Initiativen erreicht hat.

Neben der grundlegenden Ablauf- und Aufbauorganisation sind weitere organisatorische Aspekte für Stammdaten-Management zu berücksichtigen:

Budgetierung

Je nachdem, wie die Aufbau- und Ablauforganisation gestaltet ist und vor allem, wie groß die operative Verantwortung ist, wird eine Kostenplanung und gegebenenfalls sogar ein explizites Budget nötig. Da Stammdaten-Management selbst - gerade in einer Management-Ausprägung - nicht direkt wertschöpfend im Unternehmen agiert, stellt sich die Frage der Kostenverteilung. Dafür sind unterschiedliche Modelle vorstellbar, beispielsweise eine Gemeinkostenverteilung oder eine verursachungsgerechte Verrechnung, jeweils mit ihren Vor- und Nachteilen. Schon im Rahmen der Stammdaten-Management-Planung sollte dafür ein geeignetes Modell gefunden werden. Spannender als die Kosten ist allerdings der Nutzen: Es empfiehlt sich, nicht nur ein Kostenverrechnungs-Modell aufzustellen, sodern auch den Nutzen im Unternehmen zu verrechnen - also von vornherein beispielsweise mittels Kennzahlenmodellen klar aufzuzeigen, dass Stammdaten-Management nicht nur Kosten verursacht, sondern in Kernwertschöpfungs-Prozessen Nutzen erzeugt. Wird dagegen nur der Aufwand betrachtet, ist Stammdaten-Management wie jeder zentrale Kostenträger zu anfällig für Kostensparprogramme.

Personal

Grundlegend ist bei einem Rollenmodell zu beachten, die Rollen so zuzuschneiden, dass sie nicht konfligieren. Zudem ist es sinnvoll, die Rollen so zu definieren, dass einzelne Inhaber mehrere Rollen einnehmen können. Schließlich ist auch die Stellenbildung Gegenstand der Organisationsgestaltung. Beim Stammdaten-Management bestehen keine Besonderheiten in der Ausgestaltung eines Rollenmodells und der Stellenbildung. Beides erfolgt analog zu anderen Programm- und Projektorganisationen oder strategischen Initiativen. (ba)