Dommermuth blitzt ab

Spoerr gewinnt die nächste Schlacht um Freenet

11.08.2008
Auch wenn Freenet-Chef Eckhard Spoerr die jüngste Auseinandersetzung um die Zukunft von Freenet gewonnen hat - der Kampf um Geld und Macht ist noch längst nicht beendet.

Von einer Schlammschlacht, einem Show-Down und einem beispiellosen Akt war im Vorfeld die Rede. Eckhard Spoerr, Vorsitzender des Telekommunikationsunternehmen Freenet, sollte am Freitag auf der Hauptversammlung in Hamburg gestürzt werden. Aber die Marathonsitzung nahm für den Freenet-Gründer ein gutes Ende. Der Antrag der Großaktionäre United Internet und Drillisch, die 26 Prozent kontrollieren, fand keine Mehrheit. Nur knapp 36 Prozent der Aktionäre unterstützen den Antrag. Spoerr machte seinen Gegenspielern sogar ein Friedensangebot: "Wir können auch ein Bier gemeinsam trinken, so schlimm ist es doch nicht."

Der Redebedarf aufgebrachter Aktionäre war so groß, dass mitunter das Mikrofon abgestellt wurde. Zornige Aktionäre, die Klarheit beim milliardenschweren Kauf des Mobilfunkanbieters Debitel fordern, Nachfragen, ob Spoerr einen Teil seines Vermögens nach Südafrika transferiert habe und nicht zuletzt Klagen über den ewigen Streit zwischen Vorstand sowie Drillisch und United Internet. "Diese ständigen Streitigkeiten um Macht und Geld gehören endlich beendet", ruft ein Aktionär.

Eckhard Spoerr - bislang kam er bei Freenet aus jeder brenzligen Situation unbeschadet heraus.
Foto: Eckhard Spoerr

Der 40-jährige Spoerr hatte alles getan, um eine Mehrheit zu organisieren. Ein Insider verrät: "Schon im Vorfeld wurde heftig in den Kulissen geschoben, damit Spoerr den Posten behalten kann." Und Drillisch-Vorstand Vlasios Choulidis griff schon am Morgen der Entscheidung voraus: "Ich glaube nicht, dass wir die nötige Mehrheit dafür erhalten werden." Das Anti-Spoerr-Lager hatte eine Armada an Anwälten aufgeboten, die das Aktionärstreffen mit Dutzenden Wortmeldungen und Nachfragen in die Länge zogen. So oder so: In Unternehmens- und Aktionärskreisen wird erwartet, dass Spoerr den Posten in den kommenden Monaten niederlegen könnte.

Wie kam es zu der Eskalation? Für United-Internet-Gründer Ralph Dommermuth und Drillisch-Vorstand Choulidis war Ende 2007 die Zerschlagung von Freenet beschlossene Sache. United Internet wollte die Internet-Sparte, Drillisch das Handygeschäft. Doch im Frühjahr holte der Freenet-Chef zum Gegenangriff aus: Mit dem Kauf des doppelt so großen Mobilfunkanbieters Debitel schaffte Spoerr den mit 19 Millionen Kunden drittgrößten Handy-Anbieter nach T-Mobile und Vodafone.

Die langfristige Entscheidung über den Verbleib Spoerrs fällt einer, der am Freitag gar nicht auftritt: Der Investor Permira - der durch den Verkauf von Debitel nun 25 Prozent an Freenet hält. Dem Vernehmen nach stößt Spoerrs Vorgehen auch bei Permira auf Kopfschütteln - zumal keine Ergebnisverbesserung in Sicht ist. Bauen konnte Spoerr auch auf den Pensionsfonds Hermes, der künftig einen Vertreter in den Aufsichtsrat entsendet.

Die Aktionäre im Congress Centrum Hamburg sind sauer - viele stehen aber trotz allem hinter Spoerr. Einen solch "grotesken Versuch der Aktionärsverdummung" habe er in 30 Jahren auf Hauptversammlungen noch nicht gesehen, sagt ein Aktionär. Statt ein attraktives Übernahmeangebot zu machen, wollten United Internet und Drillisch die freien Aktionäre für ihre Abwahlpläne gewinnen und so versuchen, "ohne einen Cent zu zahlen" Freenet einfach zu übernehmen.

Der Freenet-Aufsichtsratsvorsitzende und frühere RTL-Manager Helmut Thoma macht klar, dass der Aufsichtsrat "keine wie auch immer geartete Grundlage" für eine Abwahl sehe. Hermes-Vertreter Stephan Howaldt fordert, sich wieder mehr ums Tagesgeschäft zu kümmern. Robert Weber, Anwalt der Drillisch AG, hingegen geht scharf mit dem Vorstand ins Gericht: Ein strategisches Konzept fehle und die Aktie habe 55 Prozent an Wert binnen eines Jahres verloren.

Angesichts der scharfen Wortgefechte und vieler unzufriedener Aktionäre stellt sich die Frage, wie lange sich Spitzenverdiener Spoerr an der Spitze des 1999 gegründeten Unternehmens aus Büdelsdorf halten kann. Das Ergebnis schrumpft seit Quartalen; ein Umsatzplus hält Spoerr erst in ein bis zwei Jahren für möglich. So sorgt seine Aussage, die Geschichte des Unternehmens sei "geprägt von kontinuierlicher Dynamik" bei so manchem für Kopfschütteln.

Wie andere Aktionärs äußerte aber auch Hermes Kritik an der Freenet-Führung: Unter Verweis auf Spoerrs Gehalt - im vergangenen Jahr 4,4 Millionen Euro - hatte Hermes-Sprecher Howaldt Zurückhaltung bei der Manager-Entlohnung angemahnt: "Halten sie Maß." Einige Aktionäre hatten zudem eine ihrer Meinung nach fehlende Transparenz beim milliardenschweren Kauf des Telekomunternehmens Debitel kritisiert. Die Aktionäre lehnten bei der Versammlung eine Abwahl von Teilen des Aufsichtsrats ab. Auch eine Sonderprüfung, mit der die Übernahme von Debitel durchleuchtet werden soll, wird es nach ihrem Beschluss nicht geben.

Nach der entscheidenden Hauptversammlung will Spoerr den Konflikt mit den Großinvestoren beilegen. "Wir müssen nun Ruhe in das Unternehmen bringen und die Integration von Debitel vorantreiben", sagte Spoerr nach dem Aktionärstreffen am Freitag in Hamburg der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Er werde dazu in den kommenden Tagen das Gespräch mit Ralph Dommermuth suchen, dem Chef von United Internet. Ziel sei, die Streitigkeiten zu beenden und das Unternehmen nach vorne zu bringen.

Die Übernahme wird Freenet bis ins kommende Jahr belasten, wie Spoerr einräumte. Er stellte zwar einen operativen Gewinn (Ebitda) von 450 Millionen Euro in Aussicht, allerdings sind dabei nicht die Kosten für den Konzernumbau eingerechnet. Zuvor hatte er ein Ergebnis in mindestens dieser Höhe in Aussicht gestellt - von zusätzlichen Belastungen war dabei nicht die Rede. (dpa/ajf)