Showdown mit Oracle

Spione und Eitelkeiten - SAP auf der Anklagebank

28.10.2010
Die alte Fehde zwischen SAP und Oracle steuert auf ihren Höhepunkt zu. Ein US-Gericht muss klären, ob die Deutschen die Amerikaner ausspioniert haben. Es könnte brenzlig werden - und unterhaltsam.

Noch kann Europas größter Softwarekonzern SAP feiern. Die neue Unternehmens-Doppelspitze Bill McDermott und Jim-Hagemann Snabe legte am Mittwoch einen Gewinnsprung und ein sattes Umsatzplus fürs dritte Quartal vor. Die neue Stärke nach der Krise können die Walldorfer gut gebrauchen. Am Montag (1. November) beginnt vor einem Gericht in der kalifornischen Stadt Oakland ein gefährliches Verfahren gegen die Deutschen. Der Vorwurf: Industriespionage.

Der Erzrivale Oracle bezichtigt das Unternehmen aus dem baden-württembergischen Walldorf, Geschäftsgeheimnisse gestohlen zu haben und verlangt Schadenersatz in Milliardenhöhe. Letztlich geht es dabei aber wohl nicht nur um Geld, sondern auch um persönliche Eitelkeiten. Oracle-Chef Larry Ellison und SAP-Mitgründer Hasso Plattner sind sich spinnefeind. Seit Jahren lässt Ellison keine Gelegenheit aus, Plattner und sein Unternehmen schlecht zu machen.

Servicemitarbeiter der kleinen US-Tochterfirma TomorrowNow lieferten SAP letztlich ans Messer. Die Mitarbeiter hatten Oracle-Produkte im Auftrag von Firmenkunden gewartet. Um die Oracle-Software aber in Schuss halten zu können, luden die Mitarbeiter mehrfach Daten von der Website des Rivalen herunter - und genau das hätten sie nicht tun dürfen. Oracle entdeckte die illegalen Downloads und verklagte SAP 2007.

SAP gab den Datenklau längst zu und erklärte sich auch bereit, den tatsächlich verursachten Schaden zu ersetzen. "Allerdings muss die Entschädigung angemessen sein", sagt ein Firmensprecher. Und genau hier scheiden sich die Geister: Während SAP in Millionen denkt, nennt Oracle eine Milliardensumme. SAP legte vorsorglich schon mal weitere 60 Millionen Dollar zur Seite und erhöhte die Rückstellungen damit auf 160 Millionen Dollar (rund 115 Millionen Euro).

Der Gerichtssaal auf heimischem Boden scheint für die Amerikaner die perfekte Bühne. Die Liste der möglichen Zeugen liest sich wie ein Who-is-Who der Unternehmenssoftware-Welt: Ellison und Plattner sind dabei, aber auch SAP-Finanzchef Werner Brandt und der ehemalige SAP-Chef Léo Apotheker. Mit dessen Vorladung trat Oracle-Chef Ellison gleich auch noch Hewlett-Packard vors Schienbein. Apotheker ist vor kurzem auf den Chefposten beim weltgrößten Computerbauer berufen worden, der mit Oracle bei Servern konkurriert.

Höchster Unterhaltungswert

Aus heiterem Himmel trat Ellison in der Nacht zu Mittwoch noch einmal nach. Er wiederholte seine Vorwürfe, dass das "System der Industriespionage" unter Apothekers Schutz gestanden habe. "Ein großer Teil des Diebstahls passierte, als Herr Apotheker Vorstandsvorsitzender von SAP war." Das werde er vor Gericht beweisen - auch wenn der HP-Verwaltungsrat alles tun werde, um seinen neuen Firmenchef zu verstecken, bis das Verfahren vorbei sei.

Ellison hatte Oracle mit milliardenschweren Zukäufen zum zweitgrößten Anbieter von Software gemacht, mit der Unternehmen ihre Geschäfte steuern und überwachen. Dazu gehört etwa die Buchhaltung oder die Verwaltung von Kundendaten. Nummer eins in dem Geschäft ist aber weiterhin SAP - was Ellison ungemein wurmt.

Ein Aufeinandertreffen von Ellison und Plattner im Gerichtssaal könnte höchsten Unterhaltungswert haben. Die Feindschaft zwischen den beiden treibt teils seltsame Blüten. Als während einer Regatta bei der Jacht von SAP-Mitgründer Hasso Plattner der Mast brach, soll ein Boot von Oracle einfach vorbeigesegelt sein. Der Legende nach revanchierte sich Plattner auf seine Art: Er zeigte der anderen Crew den nackten Hintern.

Egal ob Seemannsgarn oder nicht: Die Geschichte zeigt, dass eine gütliche Einigung vor Gericht eher unwahrscheinlich ist. SAP hat die Tochterfirma TomorrowNow übrigens schon vor zwei Jahren dichtgemacht. Der offizielle Grund: Das Wartungsgeschäft rechnete sich nicht. (dpa/ajf)