Kostenträchtige Storage-Landschaften

Speicher-Virtualisierung zu komplex

02.09.2009 von Holger Eriksdotter
Während die virtualisierte Server-Infrastrukturen im Rechenzentrum fast schon zum Standard-Repertoire gehören, verhalten sich die Unternehmen noch zurückhaltend, wenn es um die Virtualisierung der Desktop- und Storage-Landschaften geht. Diese Projekte sind ihnen oft zu kostenträchtig und zu komplex.
Die meisten Erwartungen setzen IT-Entscheider in die Hochverfügbarkeit und Performance von virtualisierten Storage-Landschaften. Dies zeigte eine Umfrage auf der VMWorld in Cannes.
Foto: NetApp

Virtualisierung gilt als der wichtigste Schlüssel für effizientere und flexiblere IT-Landschaften, für Kosteneinsparungen bei Hardware und Administration sowie für sinkende Ausgaben für Energieverbrauch und Klimatechnik. Ohne Zweifel hat sich das Thema vom Hype zum realen Markttrend entwickelt und ist in den Rechenzentren der Unternehmen angekommen. Die aktuellen Studien der Marktforscher sprechen eine klare Sprache: Die Virtualisierung der Server-Landschaften ist in vollem Gange. Mehr als die Hälfte der in diesem Jahr verkauften Server werden in virtualisierten Infrastrukturen ihren Dienst verrichten, hat IDC ermittelt. Ebenso steht nach Berechnungen der Analysten von Gartner auch dem Markt für Virtualisierungs-Software ein kräftiges Wachstum bevor: Die Ausgaben sollen in der Region Europa, Naher Osten und Afrika um 55 Prozent zulegen, von 330 Millionen Euro im vergangenen auf 512 Millionen in diesem Jahr.

Während in Zeiten knapper IT-Budgets vielerorts Investitionen gestrichen oder vertagt werden, scheint die Server-Virtualisierung davon kaum betroffen zu sein. Eine vom Microsoft in Auftrag gegebene Umfrage unter 281 IT-Verantwortlichen deutscher Unternehmen zeigt: Auch in der gegenwärtig angespannten Wirtschaftslage wollen 80 Prozent ihre Ausgaben erhöhen, wenn sich damit die Effizienz steigern oder Wettbewerbsvorteile erreichen lassen. Server-Virtualisierung und Konsolidierung gilt als der Königsweg: Trotz Kürzungen in vielen Bereichen wollen 43 Prozent der befragten IT-Experten hier vermehrt investieren und nur sieben Prozent die Ausgaben senken.

Die Vorteile der Virtualisierung lassen sich sowohl in den Broschüren der Anbieter von Hard- und Software als auch in den Analysen der Marktforscher nachlesen und sind im Kern unbestreitbar: Kostenvorteile bei Hardware und Administration, geringerer Bedarf an Stellfläche und Energie für Betrieb und Kühlung, einfachere Business-Continuity-Lösungen, weniger Ausfallzeiten und eine flexiblere Infrastruktur, die sich schneller und günstiger an Markt- und Businessanforderungen anpassen lässt.

Aber anders als bei der Server-Virtualisierung verhalten sich die Unternehmen zurückhaltender, wenn es um Virtualisierung ihrer Desktop- und Storage-Landschaften geht. Denn während sich die Investition in eine virtualisierte Server-Architektur oft schon nach ein bis zwei Jahren amortisiert, sieht die Rechnung bei Client-Projekten anders aus. Eine Kostenersparnis wird dabei nicht kurzfristig durch weniger und besser ausgelastete Hardware erzielt, sondern durch vereinfachte Administration, Software-Verteilung, Patch-Management und Remote-Wartung. Virtualisierungs-Projekte im Desktop-Infrastruktur Bereich sind deshalb in Zeiten knapper Kassen erheblich seltener anzutreffen als im Server-Bereich. Dennoch verheißt die Gartner-Studie auch hier einen deutlichen Schub. Zwar macht die Server-Software mit einer Steigerungsrate von 54,3 Prozent auf 244,8 Millionen Euro den weitaus größten Teil des Markts für Virtualisierungs-Software aus. Die größte Wachstumsrate aber verzeichnet das Marktsegment Hosted Virtual Desktops (HVD): Von zwölf Millionen Euro im Jahr 2008 soll sich der Umsatz mit HVD-Software in diesem Jahr auf 56,2 Millionen mehr als vervierfachen.

Speicher-Virtualisierung hinkt dem Server-Markt hinterher

Auch die Speicher-Virtualisierung hinkt dem Server-Markt noch hinterher. Die Gründe dafür sind vielfältig. Während der Einstieg in die Server-Virtualisierung sich relativ einfach mit der schrittweisen Migration einzelner Systeme bewerkstelligen lässt - oft angefangen mit Entwicklungs- und Test-Umgebungen -, entfaltet die Virtualisierung der Storage-Landschaft erst dann ihren vollen Effekt, wenn sie systemübergreifend die ganze oder zumindest große Teile der IT-Infrastruktur einbezieht. Die komplexe Technologie und die üblicherweise heterogenen Speicherlandschaften mit Geräten unterschiedlicher Hersteller machen entsprechende Storage-Projekte langwierig und unübersichtlich.

Laut einer Umfrage unter 268 IT-Entscheidern auf der diesjährigen VMworld in Cannes stehen bei der Implementierung einer virtualisierten Storage-Umgebung für 24,8 Prozent der Befragten Kostensenkungen im Vordergrund, für 20,3 Prozent war ein flexibles Management die wichtigste Motivationen. Dabei sollten die virtualisierten Storage-Umgebungen unterschiedlichste Ansprüche erfüllen: 21,9 Prozent erwarteten eine verbesserte Verfügbarkeit und Performance, für 18,8 Prozent stand Desaster-Recovery im Vordergrund, 17,7 Prozent rechneten mit größerer Speicher-Effizienz.

Ein Drittel der auf der VMWorld in Cannes Befragten IT-Entscheider denken bei Virtualisierung an Server-Virtualisierung und ein Viertel an Storage-Effizienz. Zehn Prozent verbinden mit Virtualisierung die Themen Datenschutz und Business Contiunity.
Foto: NetApp

Dabei sind die Themen Kostensenkung und flexibles Management eng verbunden: Zwar können Anwender in der Regel mit einer deutlich verbesserten Auslastung virtualisierter Systeme rechnen, allerdings nimmt gleichzeitig die Komplexität der Storage-Landschaft zu. Um aber das erwartete Einsparpotenzial tatsächlich auszuschöpfen, bedarf es eines umfassenden Verständnisses - und entsprechend ausgebildeten Personals. An beiden scheint es in vielen Unternehmen noch zu fehlen: Nach einer Studie von Techconsult aus dem letzten Jahr verfügte nur jeder zehnte Betrieb über virtualisierte Speicherumgebungen, weitere zehn Prozent planten deren zukünftigen Einsatz.

Als Hauptgrund für ihre Zurückhaltung gaben die Unternehmen an, dass ihr Speicheraufkommen nicht so hoch sei, dass sie einen Bedarf an virtualisierten Speicherlösungen hätten. Angesichts des überall rasant steigenden Speicherbedarfs und der Tatsache, dass insgesamt fast zwei Drittel der Befragten eine ineffektive und kostenträchtige Auslastung ihrer Storage-Kapazität von unter 50 Prozent verzeichneten, liegt die Vermutung nahe, dass es noch andere Motive gibt. Aufschlussreich sind die danach genannten Gründe: "Wir haben uns noch zu wenig mit Virtualisierung beschäftigt", "Die Technologie ist zu komplex" und "schwierige Administration" gaben die IT-Verantwortlichen zu Protokoll.

"Storage-Virtualisierung in dem Sinne, dass durch die besonders effiziente Virtualisierung nahe an der Speicherebene eine klare Trennung zwischen der logischen und physikalischen Schicht möglich wird, verstehen nur 38 Prozent der Befragten", sagt Studienautor und Analyst Denis Mrksa. Für seine Studie hatte er 203 deutsche IT-Entscheider befragt. "Bezüglich der Speichervirtualisierung liegen bisher noch ein fehlendes Lösungsverständnis und ein Mangel an praktischer Umsetzungsmöglichkeit vor. Hier sind die Anbieter gefragt, ihre Lösungen dem Anwender näher zu bringen und ihn bei der Entwicklung ganzheitlicher Virtualisierungskonzepte zu unterstützen", resümiert Mrksa.

Der Speichermarkt befindet sich im Umbruch

Nach Einschätzung der Marktforscher von IDC befindet sich der Speicher-Markt gerade im Umbruch. Zwar bestehe in den Unternehmen nach wie vor Interesse an Virtualisierungslösungen, in erster Linie gehe es derzeit aber darum, kurzfristig Kosten zu reduzieren. Wegen knapper Budgets würden deshalb Ausgaben für neue Projekte vorerst auf Eis gelegt und statt dessen vor allem günstigere Storage-Lösungen angeschafft, die schnelle Abhilfe bei drängenden Problemen versprechen, schreiben die Marktforscher von IDC in ihrem aktuellen Storage-Report "Understanding User Needs in a Changing Economic Climate."

Man kann wohl davon ausgehen, dass mit der Erholung der Wirtschaft und weniger knappen IT-Budgets die Virtualisierung der Storage-Landschaften erneut auf die Agenda der IT-Verantwortlichen gerät. Denn damit die zunehmende Dynamisierung der IT-Infrastrukturen, die im Serverbereich bereits in vollem Gange ist, nicht von den historisch gewachsenen, statischen Speichersystemen ausgebremst wird, sind Investitionen in virtualisierte Storage-Systeme der nächste logische Schritt.