Sparwut in deutschen IT-Abteilungen wird zum Risiko

06.07.2006
Deutsche IT-Manager zeigen sich in einer Umfrage von Accenture und IDC wenig phantasievoll und kennen nur eine Priorität: Bei der IT-Infastruktur geht es um Kostensenkung. Mit dieser Haltung sind sie inzwischen allein auf weiter Flur.

Simples Cost-Cutting bezeichnen 60 Prozent der insgesamt 117 befragten IT-Verantwortlichen aus Deutschland als größte Herausforderung (siehe: Kostenkontrolle überfordert IT-Abteilungen). Es folgen - in unmittelbarem Zusammenhang mit der ersten Priorität - Konsolidierung und Standardisierung der Infrastruktur (51 Prozent). An dritter Stelle stehen mit jeweils knapp 40 Prozent das Modernisieren und bessere Nutzen der vorhandenen IT-Umgebung sowie die richtigen Entscheidungen in Sachen neuer Technologie zu treffen.

In anderen europäischen Ländern, die in den vergangenen Jahren von der konjunkturellen Entwicklung ebenfalls nicht verwöhnt waren, sieht das ganz anders aus. Italiener und Franzosen wollen vor allem die Service-Levels verbessern, den Wert der IT für das Business anheben sowie die Governance-Strukturen optimieren. Auch das Nachdenken über neue Technologien, also der Prozess der Entscheidungsfindung, genießt einen höheren Stellenwert als bei uns.

Laut Accenture besteht in Deutschland ein unübersehbarer Konflikt zwischen der allgegenwärtigen Sparwut und dem gleichzeitigen Bestreben, den Wert der IT für das Business zu erhöhen. Mehr als die Hälfte der Befragten bekundete, die Performance der IT verbessern zu wollen. Noch größer ist aber die Menge derjenigen, die einfach nur die Kosten senken möchten.

Insgesamt sagten 23 Prozent der Befragten, sie möchten ihr Budget für Infrastruktur (Rechenzentrum, Netzwerke, Hardware, Sicherheit, einschlägige Services) senken, 27 Prozent gehen von einer Steigerung aus und die Hälfte will die Ausgaben einfrieren. Weltweit planen der Studie zufolge dagegen 40 Prozent der Unternehmen, ihre Budgets für Infrastruktur anzuheben. In Frankreich hegen sogar 70 Prozent der Befragten etwaige Pläne.

In der Studie heißt es wörtlich: "Deutsche IT-Verantwortliche laufen Gefahr, ihre IT-Infrastruktur bewahren und den Status Quo lediglich inkrementell verbessern zu wollen. Sie investieren ihre Zeit in Benchmarking und das Verbessern einzelner Prozesse aus Kostensicht anstatt Wege zu finden, damit das gesamte Unternehmen durch IT Vorteile erringen kann." Natürlich sei es richtig, den laufenden Betrieb optimal zu unterstützen. Wenn man dabei aber die Chancen, die sich durch grundsätzliche Modernisierungsmaßnahmen ergäben, außer Acht lasse, stelle dies ein Risiko für das Unternehmen dar (siehe: Veränderungen durch IT sind vergleichbar mit Industrieller Revolution).

Ideal wäre es, so die Accenture-Studie, eine Infrastruktur zu haben, die flexibel genug für Veränderungen ist, aber stabil genug, um die Betriebskosten gering zu halten. Das sei zurzeit fast nirgendwo der Fall. Die meisten IT-Manager rieben sich an kurzfristigen Aufgaben auf und investierten kaum Zeit, um sich mit strategischen IT-Angelegenheiten zu beschäftigen.

Accenture hat auch gefragt, welche konkreten Aktionen die IT-Verantwortlichen planen, um ihre Ziele zu erreichen. Dabei wird zwischen kurzfristigen (die nächsten sechs bis zwölf Monate) und langfristigen Maßnahmen (13 bis 36 Monate) unterschieden. Mindestens die Hälfte der Befragten ist demnach kurzfristig mit der Konsolidierung und Standardisierung der Rechenzentren sowie der Plattformen und Betriebssysteme befasst. Ähnlich groß ist das Interesse an einer Einführung des Itil-Frameworks (IT Infrastructure Library) oder eines vergleichbaren Regelwerks zur Organisation von IT-Prozessen (siehe: Der Streit um das Service-Management).

Längerfristig steht indes für mehr als 40 Prozent der Befragten die Implementierung neuer Infrastrukturprodukte im Mittelpunkt der Bemühungen. Sie ist auf kurze Sicht nur für 17 Prozent der Interviewteilnehmer ein Thema. Binnen drei Jahren wolle außerdem ein Drittel die IT-Governance verbessern und ein Business Service Management (BSM) einführen, um die IT-Ressourcen näher an die Unternehmensziele heranzuführen (siehe: Wo sich IT-Kosten auszahlen).

Virtualisierungs-Muffel

Während die Accenture-Untersuchung auf internationaler Ebene ergab, dass Unternehmen in großem Stil Virtualisierungstechniken einsetzen, um so ihre Rationalisierungsziele zu erreichen, schrecken die Deutschen davor zurück. Entsprechende Initiativen im Server-, Speicher- oder Netzwerkumfeld sind weit seltener geplant als in anderen Ländern - die Untersuchung macht die extremen Budgetzwänge dafür verantwortlich (siehe: Virtualisierung fordert den Administrator).

"Möglicherweise gibt es in der Industrie Aufklärungsbedarf, welche potenziellen Vorteile Virtualisierung in Rechenzentrumsumgebungen bietet", mutmaßen die Urheber der Studie. Vor dem Hintergrund, dass die Unternehmen konsolidieren und ihre Ressourcen besser nutzen wollen, um die Kosten zu senken, sei es seltsam, dass Virtualisierung so wenig verbreitet sei. (hv)