Sourcing: Jeden Service separat bewerten

04.08.2006 von Karin Quack
Altana Pharma sammelt Erfahrungen mit einer erst im Entstehen begriffenen Strategie.

Behalten oder Auslagern? Die Altana Pharma AG will diese Frage nicht pauschal beantworten. Im Rahmen seiner IT-Strategie orientiert sich das Pharmaunternehmen mit Hauptsitz in Konstanz seit einigen Jahren am Operating-Modell "IS-Lite" von Gartner. Unter anderem erforderte es strukturelle Änderungen der IT-Organisation, beispielsweise ein dediziertes Vendor-Management. So entstand die Abteilung IT Service & Vendor Management unter der Leitung von Andreas Dietz.

Wohl dosiertes Outtasking gehört zur "schlanken" IT bei Altana Pharma.

Akut wurde das Sourcing-Thema durch eine konkrete Fragestellung: 2004 stand in Konstanz der Umzug in ein neues Konzerngebäude an. Plötzlich musste das Pharmaunternehmen entscheiden, ob es das RZ-Equipment bewegen oder den Rechenzentrumsbetrieb nach außen verlagern sollte. Diese Frage war die "Initialzündung" für eine grundsätzliche Sourcing-Strategie, berichtet Dietz. Da der Abriss des alten Gebäudes definitiv beschlossen war, habe es jedoch keine Zeit gegeben, "lange zu überlegen". Innerhalb von sechs bis acht Wochen habe Altana Pharma eine "Highlevel-Strategie" entwickelt, die als grundsätzliche Entscheidungshilfe dienen sollte. Sie besagte beispielsweise, dass

Wie immer die Entscheidung in Sachen Rechenzentrum lauten würde - sie sollte mit den im Sourcing-Grobkonzept niedergelegten Grundsätzen übereinstimmen. Letztendlich entschied sich Altana Pharma, das RZ weiter in Eigenregie zu betreiben. "Die Leistungsanbindung wäre zu teuer geworden", so die Begründung von CIO Dietmar Lummitsch.

Aber die Richtung war nun vorgegeben: Unter Dietz’ Regie unterscheidet Altana Pharma einzelne IT-Services, die zu "Towers" zusammengebaut werden - beispielsweise für Büro-Infrastruktur, Security-Services, RZ-, SAP- oder Netzbetrieb. Für jeden Tower fällt separat eine Entscheidung darüber, wer ihn bereitstellen soll.

Im Falle einer Auslagerung will das Pharmaunternehmen nur Ergebnisse einfordern, aber keine Einzelleistungen defininieren. "Sonst vergessen wir womöglich eine Leistung, und daran scheitert dann das Gesamtergebnis", erläutert Dietz.

Rollenwandel der IT

An die Stelle der Leistungsdefinition treten also Service-Level-Agreements (SLAs). Sie beziehen sich auf Endanwender-relevante End-to-End-Prozesse und bestimmten sowohl die Außenbeziehung gegenüber externen Dienstleistern als auch das Binnenverhältnis zwischen IT und Anwendern. Letzteres ist laut Lummitsch notwendig, um einen Rollenwandel der IT zu vollziehen - vom Service-Provider zum Business-Enabler.

Als CIO trägt Dietmar Lummitsch die Verantwortung für die Sourcing- Strategie.

Im kommenden Jahr wird Altana Pharma voraussichtlich ein Projekt starten, das die detaillierte Definition einer Sourcing-Strategie als Ziel verfolgt. Derzeit bemühen sich Dietz und Lummitsch um die Unterstützung der Konzernleitung, denn die Strategie soll auch für die weltweiten Niederlassungen verbindlich werden.

Das Alphanet als Testfall

In der Zwischenzeit sammeln die beiden IT-Manager Erfahrungen mit der Highlevel-Strategie - in Form eines gerade unterzeichneten Dienstleistungsvertrags mit Hewlett-Packard. Er bezieht sich auf die Office-Infrastruktur, von Altana Pharma, im Unternehmen "Alphanet" genannt.

Das neue Abkommen ersetzt eine vor drei Jahren ebenfalls mit HP geschlossene Partnerschaft, die zum einen ohnehin auslief und zum anderen nicht mehr zeitgemäß war. "Das Abkommen war generisch gewachsen, weil kontinuierlich Leistung zugekauft worden war", formuliert Lummitsch. Darüber hinaus habe es nicht den Abläufen entsprochen, wie sie in der "IT Infrastructure Library" (Itil) definiert und bei Altana Pharma verbindlich sind. Was dem CIO vor allem missfiel, war jedoch, dass es zu viele Schnittstellen zwischen Kunde und Dienstleister sowie zu angrenzenden Systemen gab.

Projeksteckbrief

  • Projektart: Umsetzung einer Highlevel-Sourcing-Strategie an einem konkreten Fall.

  • Branche: Pharma.

  • Zeitrahmen: Grobdefinition der Strategie seit 2004, Abschluss der Strategiedefinition für 2007 geplant.

  • Vertragswert: zweistelliger Millionen-Euro-Betrag.

  • Dienstleister: Hewlett-Packard, 4C Solutions AG, Gartner.

  • Umfang: vorerst nur deutschlandweit.

  • Ergebnis: mehr Flexibilität, freie Kapazität für unternehmenskritische Aufgaben.

  • Herausforderung: Strategie und Umsetzung entstehen parallel.

  • Nächster Schritt: Definition einer globalen Sourcing-Strategie im kommenden Jahr.

Services auf Stückkosten-Basis

Außer Zweifel stand, dass dieser Service nicht intern erbracht werden sollte. Denn er ist nicht im eigentlichen Sinne wertschöpfend für das Geschäft des Pharmaunternehmens. Vielmehr sollte er erstmals das abbilden, was Dietz und Lum- mitsch in ihrem Grobkonzept definiert hatten: "Wir wollten Services auf Stückkosten-Basis einkaufen", erläutert der CIO. Statt einzelner Produkte und Leistungen wollte er "einen Arbeitsplatz" oder "eine Mailbox" ordern - einschließlich der Nutzung von Desktops, mobilen Endgeräten und Servern sowie mit regelmäßigen Updates, Aufbau und Betrieb der Backup-Infrastruktur, Vernetzung und Betrieb der Anwendungen.

Andreas Dietz leitet die Abteilung IT Service & Vendor Management.

Die dadurch frei werdenden Arbeitskräfte plant der Pharmakonzern einzusetzen, um Services, die als unternehmenskritisch erkannt wurden, zurück in die eigene Verantwortung zu holen. Hier nennt Dietz vor allem den Security-Bereich.

Als projektbegleitendes Beratungsunternehmen fungiert die 4C Solutions AG aus München. Sie unterstützte Altana Pharma von der Ausschreibungsvorbereitung über die Vertragsunterzeichnung bis zur Übergabe an den Dienstleister. An den neuralgischen Punkten des Projekts zog das Pharmaunternehmen zur Qualitätssicherung die Berater von Gartner hinzu.

Ende 2005 wurde der Alphanet-Service für 3500 bis 4000 Arbeitsplätze ausgeschrieben. Nicht alle Provider, die sich beteiligt hatten, waren in der Lage, die geforderten Leistungen in der vorgesehenen Art und Weise zu erbringen, erinnert sich Dietz. Von den sechs Bewerbern kamen nur zwei in die engere Wahl. Am Schluss machte HP wieder das Rennen. "Unser Ziel war es ja nicht, den Provider zu wechseln, sondern ihn herauszufordern", sagt Dietz.

Der Vertrag tritt am 1. August dieses Jahres in Kraft. Er ist auf fünf Jahre befristet, enthält aber ein Sonderkündigungsrecht. Alle zwei Jahre wird mittels eines Benchmarks überprüft, ob die Vereinbarungen noch den Marktgegebenheiten entsprechen. Sollte HP über den Best-Practice-Zahlen liegen, wird der Servicepreis angepasst. Der finanzielle Rahmen des Vertrags bewegt sich im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich.

Als einen Hauptvorteil des Abkommens nennt Lummitsch die Flexibilität, die er dem Unternehmen gewähre. Außerdem muss sich Altana Pharma nicht mehr um Details kümmern. So hat der Dienstleister freie Hand hinsichtlich der Softwareeinfrastruktur. Für die Komponenten, die der Endanwender direkt zu spüren bekommt, also Desktops und PDAs, gibt es einen Warenkorb. Ebenfalls definiert sind zwei Rollout-Zyklen innerhalb der Vertragslaufzeit.

Abgerechnet wird nach Verfügbarkeit der Services beim Nutzer. Damit liegt die Gesamtverantwortung für das Funktionieren beim Provider. "Früher hatten wir stark wechselnde Verantwortungen", erläutert Dietz, "das führte zu Reibungsverlusten und Unzufriedenheit bei den Anwendern und beim Provider."

Das neue Abkommen soll ein partnerschaftliches Modell abbilden. Dazu gehört auch, dass der Dienstleister an den Vorteilen, die er dem Kunden ermöglicht, finanziell beteiligt wird. Damit wird verhindert, dass der Provider den Status quo so lange wie möglich aufrechterhält, so Lummitsch.

Die Weiterentwicklung der Systeme obliegt - innerhalb festgelegter Grenzen - ebenfalls dem Dienstleister. "Wir haben ein Innovations-Management in den Vertrag eingebaut", so Lummitsch. Die Vorschläge hierfür werden in einem Innovations-Board entwickelt, das dreimal im Jahr zusammenkommt.

Die Komponenten des Vertrags

Der Inhalt des "Alphanet"- Abkommens zwischen Altana Pharma und HP ist modular aufgebaut. Es umfasst unter anderen die folgenden Komponenten:

  • das PC-Lifecycle-Management von der Beschaffung bis zur Entsorgung und Löschung der Festplatten,

  • den Servicedesk,

  • Messaging-Services (vulgo E-Mails),

  • Backend-Services einschließlich Storage-Management.

Nur Softwarelizenzen muss der Kunde noch selbst ordern - weil die Geschäftsmodelle der Anbieter das vorschreiben. Betrieben wird die Software vom Provider, der auch das Lizenz-Management übernimmt.