Softwareentwickler: Allrounder in vernetzter Umgebung

04.10.2005 von Hans Koeniges
Das Berufsbild des Systementwicklers ist so unscharf wie nur wenig andere in der IT. Das Betätigungsfeld reicht von der Hardwareentwicklung bis zum Web-Interface, von der Programmierung bis zur Anpassung und Qualitätssicherung.

Das Feld der Systementwicklung ist so breit wie die IT insgesamt. Vom Design von Chips und Schaltkreisen über die hardwarenahe Programmierung von Mikroprozessoren bis zur Entwicklung von Betriebssystemen, Anwendungen und Web-Interfaces reicht die Skala. Ebenso groß wie das Tätigkeitsfeld ist die Liste der jeweils benötigten speziellen Fähigkeiten. In jedem Fall nötig ist aber das Beherrschen von Entwicklungswerkzeugen und mindestens einer Programmiersprache.

Hier lesen Sie ...

  • wie sich die Aufgaben des Systementwicklers in den letzten Jahren verändert haben und was heute von ihm erwartet wird;

  • auf welche Kenntnisse und Fähigkeiten es besonders ankommt;

  • welche Einsatzgebiete in Frage kommen.

Harald Hinderer, FSC: "Kundennähe hat die Entwickler jahrelang nicht interessiert."

Die Online-Jobbörse für IT-Freiberufler Gulp.de wirft beim Suchbegriff "Systementwickler" etwa 250 Bewerber aus. Hier finden sich Cobol-Programmierer und Projektleiter für verteilte Applikationsentwicklung ebenso wie Experten für Embedded Systems, C++Programmierer, Datenbankentwickler oder Spezialisten für IT-Integration. "Systementwickler ist bei uns keine eigene Kategorie", sagt Stefan Symanek von Gulp, "sondern wird von den Bewerben aus der Softwareentwicklung beziehungsweise Programmierung oft als fachlicher Schwerpunkt angegeben."

Wie bei vielen Berufen in der Informationstechnik sind weder Ausbildung noch Qualifikationsprofil verbindlich geregelt. "Wir benutzen in Stellenangeboten selten den Begriff Systementwickler", sagt Harald Hinderer, Leiter Personalentwicklung und Weiterbildung bei Fujitsu-Siemens Computers Deutschland. "Das hat vor allem damit zu tun, dass sich im Umfeld der Systementwicklung in den letzten Jahren einiges grundlegend geändert hat." Früher habe der Entwickler weitgehend ohne direkten Kontakt zum Kunden und dessen Geschäftsalltag in seinem Büro programmiert.

"Kundennähe war vor 20 Jahren für den Programmierer kein Kriterium", sagt Hinderer. "Die Entwicklung war technik-getrieben, das technisch Machbare das Maß aller Dinge." Das habe sich stark verändert: Jetzt werde lösungsorientiert entwickelt - und der Programmierer ist in ein umfassendes Netzwerk eingebunden, das von der Kommunikation mit Kunden, Vertrieb und ProduktManagement bis zur Entwicklung von Middleware und Hardwarekomponenten reiche. Insofern sei die Systementwicklung heute auf eine Vielzahl verschiedener Positionen verteilt, die eng zusammenarbeiten. Hinderer:"An der Entwicklung sind heute viel mehr Leute beteiligt. Vom Developer bis zum System-Engineer, vom Komponentenentwickler bis zum Product-Manager und Test-Engineer reicht die Liste der am Entwicklungsprozess Beteiligten."

Stephan Pfisterer, Bitkom: "Die reine Codierung wird nach außen gegeben."
Foto: Stephan Pfisterer

Deshalb bedarf es auch häufig zusätzlicher Qualifikationen: Neben den fachlichen und technischen Fähigkeiten wie etwa Programmiersprachen, Betriebssystem-, Schnittstellen- und Datenbankkenntnissen sind es vor allem kommunikative Skills, die inzwischen in der Systementwicklung gefragt sind. Oft keine Selbstverständlichkeit bei den technischen Experten, hat Henning Müller beobachtet. Er ist Personalexperte für IT-Berufe bei der Hamburger Personalberatung Dwight Cribb.

"Die Programmierer alten Schlages haben gerade in diesem Punkt nicht selten Defizite", weiß Müller. "Sie sind oft so sehr in die Lösung spezieller technischer Probleme eingebunden, dass sie dann nicht in der Lage sind, ihren Teilbereich im Gesamtkontext zu überblicken. Sie sehen dann das Gesamtbild aus der Froschperspektive."

Auch nach seiner Einschätzung haben sich die Anforderungen stark verändert: "Ein großer Teil der Systementwicklung besteht mittlerweile in der Anpassung und Integration vorhandener Komponenten - deshalb wird Überblickswissen und die Kenntnis von Middleware-Technologie zunehmend wichtiger."

Damit nähern sich die Zeiten dem Ende, in denen das Wissen um proprietäre Hardware oder Betriebssysteme - wie etwa im Mainframe-Umfeld - oder auch Kenntnisse spezieller Programmiersprachen oder Systemumgebungen ausreichten, um in der Systementwicklung erfolgreich zu sein. Stephan Pfisterer, Experte für Personalfragen beim IT-Fachverband Bitkom, sieht einen weiteren Aspekt: "Die Entwicklung neuer Hard- und Software gibt es in Deutschland in wenigen Branchen wie etwa Maschinenbau, Elektrotechnik und Automotive. Aber selbst dort wird immer häufiger in virtuellen, internationalen Projektteams zusammen gearbeitet." Deshalb sei die Anforderung, sein spezielles Know-how in ein interkulturelles Team einzubringen - früher eher an das Management gerichtet -, jetzt auch bei den Entwicklern angekommen.

Neben Programmierkenntnissen und kommunikativen Skills ist auch noch Überblickswissen erforderlich. "Die Systementwicklung ist heute viel kundennäher als noch vor einigen Jahren. Die IT-Aufgaben lassen sich nicht mehr losgelöst vom Anwendungsgebiet sehen. Das hat Auswirkungen auf des Profil des Entwicklers, ganz sicher aber auf die Zusammensetzung der Mannschaft", sagt Pfisterer.

In der System- und Anwendungsentwicklung waren früher viele Quereinsteiger und Umschüler vertreten. Für sie sieht Bitkom-Mann Pfisterer harte Zeiten voraus: "Spezialwissen in einer Programmiersprache reicht nicht mehr aus. Bei der unüberschaubaren Menge an Entwicklungs-Tools, die sich zudem schnell verändert, wird ein breites Grundlagenwissen immer wichtiger." Ein typisches individuelles Anforderungsprofil für ein spezielles Entwicklungsprojekt sähe heute etwa so aus, dass der Mitarbeiter etwa zwei Drittel der benötigten Skills mitbringt und sich das restliche Drittel gezielt für das Projekt aneignet.

Nur programmieren zu können ist jedenfalls nicht mehr genug: "Die reine Codierung lässt sich - und wird in vielen Fällen auch - spezifiziert vergeben", sagt Pfisterer. Kenntnisse von Programmiersprachen und Entwicklungsumgebungen seien dennoch unabdingbar, um Möglichkeiten und Entwicklungsaufwand, Meilensteine und Zeitrahmen abzuschätzen.

Eine Lingua franca der Programmiersprachen gibt es indes nicht. Je nach Sektor und speziellen Anforderungen kann C++ oder Java, PHP oder Perl, Cobol oder Visual Basic oder eine andere Programmsprache gefragt sein. Ferner existiert eine unübersehbare Anzahl von Entwicklungsumgebungen. "Natürlich muss man in der Systementwicklung mit Programmierung und Betriebssystemen sehr gut vertraut sein. Wichtiger aber noch als diese Kenntnisse ist die Fähigkeit und Bereitschaft, sich immer wieder in neue Aufgaben und Entwicklungsumgebungen einzuarbeiten", sagt Personalexperte Hinderer von Fujitsu-Siemens.

Günstige Voraussetzungen für das komplexe Feld der Systementwicklung bringen nach Pfisterers Ansicht vor allem praxisnah ausgebildete Hochschulabsolventen mit gutem Grundlagenwissen mit. Dazu zählten neben den "Bindestrich-Informatikern" auch Studiengänge an der Grenze von IT- und Ingenieurwissenschaft. Mit entsprechender Fortbildung oder Erfahrung sei auch der Ausbildungsberuf des Fachinformatikers eine gute Ausgangsposition für die Systementwicklung. Aber die Arbeit in aufgabenteiligen und stark vernetzten Projektteams eröffnet auch - früher völlig undenkbar - Betriebswirtschaftlern und Branchenfachleuten ohne IT-Kernkompetenz den Weg in die Systementwicklung. "Die Systementwicklung ist ein so breit gefächerter Bereich, dass sich allgemein Gültiges kaum sagen lässt. Sicher ist: Ohne gutes Grundlagenwissen, Programmierkenntnisse, Analyse- und Kommunikationsfähigkeit wird man hier langfristig nicht glücklich", resümiert Bitkom-Arbeitsmarktexperte Pfisterer.

IT-Berufsbezeichnungen: Software- und Lösungsentwickler nach dem APO-Modell In der Informationsverarbeitung gibt es - historisch gewachsen - eine unübersehbare Anzahl von Berufsbezeichnungen und Qualifikationsprofilen. Zu den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen und Hochschulabschlüssen sind durch die neue arbeitsprozessorientierte Weiterbildung im IT-Bereich (APO-Weiterbildung) weitere nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) anerkannte Berufsbilder hinzugekommen. Die neue Weiterbildung nach dem APO-Modell soll nicht nur einen praxisnahen Qualifizierungspfad für die Absolventen der IT-Ausbildungsberufe und Quereinsteiger schaffen, sondern der Vielzahl der IT-Berufsbezeichnungen klar definierte, nach dem BBiG anerkannte Berufsbilder entgegen setzten. Die Fortbildung verteilt sich auf drei Ebenen: Spezialisten: Es gibt 29 Spezialistenprofile in den sechs Gruppen Techniker, Softwareentwickler, Lösungsentwickler, Entwicklungsbetreuer, Produkt-, Kunden- und Lösungsbetreuer, privatrechtliche Zertifizierung. operative Professionals: IT-Entwickler, IT-Projektleiter, IT-Berater, IT-Ökonom, öffentlich-rechtliche (IHK) Prüfung; strategische Professionals: geprüfter Informatiker, geprüfter Wirschaftsinformatiker, öffentlich-rechtliche Prüfung (IHK).