Software Krise mit organisatorischen Mitteln meistern:Planspiele versprechen strategischen Erfolg

13.12.1985

Immer mehr wird die richtige Informationsversorgung in den Unternehmen zu einer Überlebensfrage. Dabei sind statistische Aussagen von heute meist kaum geeignet, gültige Prognosen für die Zukunft abzugeben. Statt dessen müssen mögliche wirtschaftliche und gesellschaftliche Faktoren in "Wenn-dann-Spielen" durchgerechnet werden.

Betrachtet man in diesem Zusammenhang die klassischen drei Unternehmensebenen, also strategisches, dispositives und operatives Level, in ihrem Verhältnis zur Information, so ist festzustellen, daß

- die operative Ebene mit Information versorgt werden kann, die weitgehend in statischen Verarbeitungsregeln beschrieben wird,

- die dispositive Ebene dagegen einen nicht vorher definierbaren dynamischen und individuellen Informationsbedarf hat und

- die strategische Ebene in hohem Maß verdichtete Information für eine Entscheidungsfindung benötigt.

Ist also auf der unteren Ebene von der Datenverarbeitung im allgemeinen die Rede (Daten im Sinne von speicherbaren Informationen), sind auf der dispositiven Ebene die Informationssysteme gefragt, die aus Sicht der strategischen Ebene einer entsprechenden Planung unterliegen müssen.

Während sich die Experten darüber streiten, wie man auf den drei Ebenen die viel zitierte Software-Krise durch entsprechenden Einsatz von Datenbank-Technologie, Fourth Generation Languages oder Decision Support System lösen sollte, befinden sich die Unternehmen tatsächlich mehr in einer Organisationskrise. Software Engineering soll verbunden werden mit der individuellen Datenverarbeitung (Information Center) und beides soll verbunden werden mit einer strategischen Informationsplanung. Das bedeutet, ganz neue Aufbau- und Ablauforganisationsstrukturen in der klassischen "Datenverarbeitung" zu finden.

Rückt man die Information nicht in den Mittelpunkt der softwaretechnischen Lösung, sondern der betriebsorganisatorischen Nutzung, so ergibt sich zwangsläufig, daß es auch Aufgabe der strategischen Ebene ist, den relevanten Informationsbedarf aus der Fülle des möglicherweise vorhandenen und beschaffbaren Informationsangebots herauszufiltern. Aufgabe der dispositiven Ebene ist es dann, sicherzustellen, daß diese Information so kostengünstig wie möglich erfolgen kann, ihre Übertragung und Ermittlung standardisiert wird und ihre Ablage (Speicherung) transparent und für alle zugänglich ist. Das wiederum bedingt für die operative Ebene, statt wie bisher die Verarbeitung, nun die Daten in den Mittelpunkt ihres Denkens zu rücken. Dies beinhaltet das Erarbeiten einer konzeptionellen Datenstruktur, einer betriebswirtschaftlich richtigen Datenfeldbeschreibung und

entsprechendem Speichernachweis.

DV-Unterstützung des Regelkreises zu prüfen

Statt wie in der Vergangenheit den berühmten Software Life Cycle zu betrachten, scheint es angebracht den entsprechenden Informationszyklus zu definieren, und wie er durch die entsprechenden Möglichkeiten der Datenverarbeitung unterstützt wird. Es leuchtet ein, daß ein solcher Regelkreis kaum funktionieren kann, wenn nicht entsprechende kontrollierende, koordinierende und verwaltende Funktionen einsetzen. Doch wer übernimmt diese Aufgabe? Ist es die Aufgabe eines überqualifizierten "Informationsmanagers " oder eines handwerklich ausgerüsteten Datenadministrators oder eines lockeren Arbeitskreises, in dem die jeweils partizipierenden Teilnehmer paritätisch vertreten sind? Hier sind sicher in Zukunft aus betriebswirtschaftlicher Sicht noch einige Überlegungen anzustellen, wie die "Ressource Information" im wahrsten Sinne des Wortes gemanagt werden kann, ohne sich aber dadurch gleichzeitig einen neuen Wasserkopf zu schaffen.

Welches sind nun aber die Aufgaben von strategischer Informationsplanung, Information Center und Software Engineering? Die strategische Informationsplanung (SIP) muß, wie jede Planung, auf einer gründlichen Analyse des Vorhandenen aufsetzen, und zwar auf Unternehmens- beziehungsweise Fachbereichsebene. Da alle gewachsenen Aufbau- und Ablaufstrukturen, bezogen auf die relevanten Geschäftsprozesse und die dafür notwendigen Informationseinheiten, transparent, das heißt erfaßt und definiert sind, lassen sich mögliche Schwachstellen und Ansätze von Veränderungen erkennen. Neben den rein organisatorischen Maßnahmen läßt sich daraus eine vernünftige Planung im Einsatz der Datenverarbeitung auf den unterschiedlichen Ebenen realisieren, sei es in Form von neuen Projekten oder von Informationsbeschaffung oder Verbesserung bestehender Unterstützungssysteme. Eine Unternehmens-Datenbank kann hier Hilfe leisten. Nicht nur, daß hier, für jeden zugänglich, die Analyse-Ergebnisse abgespeichert werden können und entsprechend quer beziehungsweise grafisch aufbereitet werden, sondern daß zusätzliche Konsistenzprüfungen einschließlich einer methodischen Führung und sogar eine Simulation von Änderung dieser Daten und entsprechender Auswirkung möglich sind. Während die strategische Informationsplanung noch für viele Unternehmen, wenn überhaupt, erst in Form von ersten Studien Einzug gehalten hat, so ist nicht zuletzt auch durch forciertes Marketing von Hardware- und Software-Herstellern die Einführung des Information Centers oder Benutzer-Service Realität geworden. In den wenigsten Fällen resultiert dies jedoch aus einer strategisch erkannten Notwendigkeit. Es handelt sich vielmehr um eine Reaktion auf den übergreifenden Wildwuchs von eigenständiger Datenverarbeitung und nicht befriedigten Informationsbedürfnissen in den Fachabteilungen.

Statt Verarbeitung steht Speicherung im Zentrum

Ein Information Center stellt, wie der Name sagt, die Information, basierend auf entsprechend gespeicherten Daten, nicht deren Verarbeitung in den Mittelpunkt. Es sorgt für die notwendige technische Ausrüstung des Benutzers und entsprechende Beratung im Umgang mit den standardisierten Software-Hilfsmitteln. Es stellt ferner die gewünschten Daten aus der operativen Ebene zur Verfügung. Daß dabei Aufgaben wie Aktualität und Integrität, Datenschutz und Sicherheit ebenso zu lösen sind, wie Fragen nach der Datenbedeutung, ihrer logischen Zusammengehörigkeit (Datenmodell), wird meistens erst erkannt werden, wenn die ersten Fehlentscheidungen aufgrund falsch interpretierter Daten gefallen sind. Während es für die Anwender des Information Center inzwischen genügend Hard- und softwaremäßige Hifsmittel gibt - von Abfragesprachen bis zu Statistiken auf PC- oder Endbenutzer-Datenbanken -, hat das Information Center doch Mühe, sich selbst zu organisieren. Copy-Management und Datenmodellierung, das eigene "Meta-Informationssystem" und die Kommunikation zwischen verschiedenen Meta-Datenbanken (Data Dictionary/Directory) sind bisher keineswegs gelöst.

Noch schlimmer sieht es im Bereich des Software Engineering aus, wo weitgehend Einigkeit über die Aufgaben herrscht, die entsprechenden Hilfsmittel aber einerseits im Übermaß, andererseits nicht im geschlossenen Ganzen angeboten werden. Während jeder DV-Leiter von einem durchgängigen Phasen-, Werkzeug-, Methoden- und Projektmanagement-System träumt, würden er und seine Mitarbeiter andererseits ein solches vollständiges System, wenn es angeboten würde, nur schwer akzeptieren. Die gewohnten Techniken, Werkzeuge und Konventionen zu verlassen, fällt den "Softwerkern" scheinbar besonders schwer. Während die Fachbereiche wohl oder übel von althergebrachten Dingen bei der Einführung der Datenverarbeitung, insbesondere von Online-Systemen Abschied nehmen, wirft die Datenverarbeitungsabteilung offenbar nur sehr zögernd die alten Zöpfe über Bord. Daß man dabei manchmal das Kind mit dem Bade ausschüttet, wird deutlich, wenn zur Steigerung der Produktivität höhere Programmiersprachen nicht richtig eingesetzt werden. Weil es ja so schnell geht, wird ohne große Vorarbeit entwickelt, so daß erst nach drei Wegwerflösungen die richtige entsteht, die anschließend keiner mehr warten kann.

Sinnvolles Einbinden einer Entwicklungsdatenbank mit aktiven Directories von Fourth-Generation-Werkzeugen (zum Beispiel für Prototyping) und die entstehende Verwaltung des Produktes "Software" in Bibliotheken, ist also das Konzept der Zukunft.

Dieser Beitrag wurde als Vortrag auf dem Forum "Information Ressource Management" der Innova Consulting GmbH in Wiesbaden gehalten. Referent war Alexander von Stülpagel, verantwortlich für den Vertriebsbereich Deutschland bei MSP Management Software Products, München.