Software für das Rechnungswesen: Auf Zertifikate achten

25.07.2007 von Frank Niemann
Ein großer Teil der Lösungen für Rechnungswesen hat kein aktuelles Zertifikat für gesetzliche Vorgaben wie GoB und GdPDU, hat das Marktforschungsunternehmen Softselect aus Hamburg im Rahmen einer Studie festgestellt. Zu den Trends im Rechnungswesen zählen internationale Rechnungslegung nach IFRS/IAS, Management-Informationssysteme (MIS) und detaillierte Kostenrechnung.

Rechnungswesensoftware muss nach vorgeschriebenen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) sowie konform zu den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) arbeiten. Dass sie das tut, belegen ein Zertifikat, eine TÜV-Bescheinigung oder Wirtschaftsprüfertestate. Geprüft und zertifiziert wird jedoch ein bestimmtes Software-Release, und in vielen Fällen berufen sich die Anbieter für die aktuelle Softwareversion auf ein altes Zertifikat. "In rund 70 Prozent der uns bekannten Systeme gab es kein Zertifikat für das aktuelle Release", so Michael Gottwald, Geschäftsführer des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Softselect aus Hamburg. Im schlimmsten Fall war das Zertifikat zehn Jahre alt.

Veraltete Buchhaltung kann Ärger bereiten

Gottwald zufolge kann eine nicht mehr zeitgemäße Software dazu führen, dass der Wirtschaftsprüfer vom Unternehmen verlangt, Buchungen erneut vorzunehmen. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern auch mit hohem Aufwand verbunden.

Dem Softselect-Chef zufolge sind auch die Anwender nicht besonders wachsam: "Ich bin verwundert, wie wenig sich selbst Rechnungswesensleiter in den Unternehmen Gedanken über die Zertifizierung der Softwareprodukte machen." Firmen begnügten sich meistens mit der Aussage des Herstellers, dass ein Zertifikat vorliege. Oft wählen Firmen ohnehin nicht dediziert eine Rechnungswesensoftware aus, sondern sind auf der Suche nach einem ERP-System, in dem diese Funktion als eines von vielen Modulen implementiert ist.

Was tun bei veralteten Zertifikaten für das Rechnungswesen?

Laut Gottwald muss ein altes Zertifikat nicht automatisch bedeuten, den Anbieter von der Auswahlliste zu streichen. Wurde die letzte Zertifizierung für Release 5.0 vorgenommen, und der Hersteller vermarktet nun Version 5.1, ließe sich im Dialog mit dem Anbieter feststellen, was sich geändert hat – möglicherweise nicht sehr viel, da die Innovationszyklen im Rechnungswesen (abgesehen von den gesetzlichen Anforderungen) vergleichsweise lang. Aufschluss liefert hier der Prüfbericht der jeweiligen Software.

Ein Grund für veraltete Zertifikate seien die Kosten. Manche Softwarehäuser wollen sich Gottwald zufolge den fünfstelligen Betrag zur Zertifizierung eines neuen Software-Release sparen. Dies treffe indes nicht auf die großen Softwarekonzerne zu, sondern eher auf kleinere Firmen.

Softselect hat unlängst eine Marktstudie über Rechnungswesensoftware angefertigt, die 49 Lösungen umfasst und dabei auch Trends in dieser Produktkategorie ausgemacht hat. Einer betrifft die GDPdU: Damit Wirtschaftsprüfer auf Geschäftsdaten zugreifen können, empfiehlt sich ein Tool, das Idea-Daten erzeugt. Idea ist eine Prüfsoftware der Finanzbehörden. Einige Softwareanbieter liefern so ein Werkzeug bereits mit.

Rechnungslegung nach IFRS und HGB

Jedes Rechnungswesen verfügt über eine Finanzbuchhaltung, und 90 Prozent der Produkte beherrschen neben der Rechnungslegung nach Handelsgesetzbuch (HGB) auch IAS und IFRS. Sie tragen damit dem Umstand Rechnung, dass Firmen vermehrt international tätig sind und so ihre Bücher nach unterschiedlichen Richtlinien und in verschiedenen Währungen führen müssen.

Häufig implementiert sind ferner Module für das Controlling, Anlagenbuchhaltung (jeweils in 94 Prozent der Lösungen vorhanden) und Electronic Banking (90 Prozent). Der Softselect-Studie zufolge haben die Anbieter verstärkt Management-Informationssysteme (MIS) in ihre Produkte integriert. Wie der Name sagt, erhält das Management damit Detailinformationen über die Situation des Unternehmens. Gegenüber der Studie aus dem Vorjahr nahm der MIS-Anteil um zehn Prozent auf 94 Prozent zu. Weit weniger verbreitet sind noch Basel-II-Funktionen (62 Prozent). Auf der Grundlage dieses Rating-Verfahrens ermitteln Banken die Bonität von Firmen und setzen den Zinssatz für Kredite fest.

Glossar

  • GDPdU: Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen. Sie enthalten Vorschriften, wie Betriebsprüfer auf IT-Systeme eines Unternehmens zugreifen sollen.

  • IFRS/IAS: International Financial Reporting Standards, also internationale Vorschriften zur Rechnungslegung, dazu zählt der International Accouting Standard (IAS).

  • Sarbanes-Oxley-Act: Regeln zur Unternehmensberichterstattung. Sie betreffen Firmen, die an US-amerikanischen Börsen notiert sind.

  • Basel II: Eigenkapitalvorschriften für Banken sowie Regeln für die Vergabe von Krediten und deren Handel. Damit wird auch festgelegt, wie Risiken zu bewerten sind, so dass dies auch Einfluss auf die Zinshöhe für Kredite an Unternehmen hat.

  • Grenzplankostenrechnung: Eine Variante der flexiblen Plankostenrechnung auf der Basis von Teilkosten. Sie trennt im Rahmen der Kostenstellenrechnung fixe und variable Kosten und verrechnet anschließend nur noch die variablen Kosten auf die Kostenträger, während die Fixkosten als Block gesammelt und direkt auf das Betriebsergebnis gebucht werden.

Compliance für Aktiengesellschaften

Methoden, um die Bonität von Geschäftspartnern und Kunden zu prüfen, sind in 84 Prozent der Produkte vorhanden (plus sieben Prozent). Wenig anzutreffen, weil nur für Aktiengesellschaften relevant, sind Umsetzungen der gesetzlichen Vorgaben KontraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich) sowie der für an US-amerikanischen Börsen notierten Firmen geltende Sarbanes-Oxley-Act (jeweils 32 Prozent).

Neben den Basisfunktionen haben Hersteller eine Reihe von Spezial-Features im Angebot, etwa für die Kostenrechnung. Beispielsweise verfügen 74 Prozent der Lösungen über eine Grenzplankostenrechnung. Zwar liefern Softwarefirmen solche Detailfunktionen aus, in der Praxis werden sie bei den Firmen jedoch oft nur zögerlich oder gar nicht eingeführt, meint Gottwald.