Bewerbung: Automatische Hilfe für HR und Recruiter

Software analysiert Bewerber und Lebensläufe im Kontext

21.11.2016 von Hans-Joachim  Jänichen
Das Management von Bewerbungen kostet Personalabteilungen viel Zeit. Abhilfe schaffen hier zunehmend intelligente Programme. Sie lesen den Lebenslauf maschinell ein, durchsuchen ihn aber nicht mehr semantisch, sondern unter der Vorgabe der Kontextualität. Skills werden dadurch besser erkannt sowie gewichtet und die besten Kandidaten automatisch herausgefiltert.
  • Managementsysteme bieten völlig neue Möglichkeiten der Bearbeitung und Klassifizierung von Bewerbungen.
  • Ausleseprogramm erkennen Kernkompetenzen und ordnen die Relevanz von Erfahrungen aufgrund der zeitlichen Abfolge und Intensität von Tätigkeiten ein.
  • Bewerber sollten ihre Bewerbung auf maschinenlesbare Software ausrichten.

Jahrzehntelang hat sich sowohl für Kandidaten als auch Unternehmen und Recruiter an Bewerbungsprozessen kaum etwas geändert. Doch bald könnte die klassische Bewerbung, wie wir sie kennen, ausgedient haben. Der Grund: Derzeit revolutionieren intelligente Managementsysteme den Markt für Human Resources. Ob Textkernel, Daxtra, JoinVision oder Burning Glass - mit Hilfe dieser neuen Programme lassen sich Bewerbungen automatisch einlesen und verarbeiten. Für Recruiter liefern sie in Sekundenschnelle eine passende Vorschlagsliste von Kandidaten. Setzten zunächst nur Unternehmen in den USA auf diese Hightech-Systeme, kommen sie nun auch bei uns zum Einsatz und entwickeln sich mehr und mehr zum Standard im Bewerbungsmanagement. Davon profitieren sowohl Personaler als auch Bewerber, denn die automatischen Systeme erkennen ihre Fähigkeiten noch besser und helfen Recruitern und Projektverantwortlichen.

Moderne Bewerber-Managementsysteme bewerten Lebensläufe nicht anhand der Quantität von gefundenen Suchbegriffen, sondern ordnen andere Objekte zu, die im Kontext zu den jeweiligen Suchwörtern stehen.
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Kontextualität im Lebenslauf

Seit rund zwei Jahren setzen sich Bewerber-Managementsysteme auch in Deutschland durch und bieten völlig neue Möglichkeiten der Bearbeitung und Klassifizierung eingehender Bewerbungen. Kontextualität heißt das Gebot der Stunde: Das heißt neue Auslesesoftware, die einfaches semantisches Suchen - also das bloße Zählen von Suchbegriffen innerhalb des Lebenslaufes - in den Hintergrund stellen und das System zum lernenden Datenverarbeiter macht. Das Programm erkennt Kernkompetenzen, ordnet die Relevanz von Erfahrungen aufgrund der zeitlichen Abfolge beziehungsweise Intensität von Tätigkeiten ein und liefert auf dieser Basis eine Auswahl an passenden Treffern. Dabei werden die Lebensläufe nicht anhand der Quantität von gefundenen Suchbegriffen bewertet, sondern andere Objekte zugeordnet, die im Kontext zu den jeweiligen Suchwörtern stehen. So werden Strategien für Social Media entwickelt, die zum Beispiel Marketing-Fähigkeiten erkennen. Außerdem weiß das System, dass eine Tätigkeit im Bereich Kommunikation vor zehn Jahren weniger aussagekräftig ist als eine entsprechende aktuelle Erfahrung.

Vorteile der neuen Bewerberprofile

Unternehmen, die ein solches System nutzen, haben folgende Vorteile:

Auch Bewerber sollten sich bereits frühzeitig auf das moderne Managementverfahren einstellen, um künftig von den Vorteilen zu profitieren. Mit einem richtig aufgebauten Lebenslauf können sie ihre Chancen signifikant steigern, in die Endauswahl des Bewerberprozesses zu kommen oder, im Fall von Freiberuflern, die begehrten Projektanfragen zu erhalten. Doch was muss man beachten?

10 schlimme Fehler bei der Bewerbung
Haarsträubende Bewerbungsfehler
IT- und Software-Spezialisten sind gefragt. Aber trotz der guten Berufsaussichten heißt es auch für diese Klientel, haarsträubende Bewerbungsfehler zu vermeiden.
Öffentliche Jobsuche
Wer als IT-Spezialist in seinem Xing- oder LinkedIn-Profilen angibt, dass er auf Stellensuche ist, wird mit Stellenangeboten zugeschüttet, wovon die wenigsten auf sein Profil passen. Daher ist es ratsam, sich auf Plattformen oder Reverse-Recruiting-Portalen anzumelden, die auf einzelne Branchen spezialisiert sind.
Technologie-Geprotze
Die Lebensläufe von IT-Bewerbern strotzen oft von Namen und Abkürzungen sämtlicher jemals benutzten Programmiersprachen und Technologien. Weniger ist aber mehr. Von Vorteil ist es, nur für die Stelle relevanten Kenntnisse in den Vordergrund zu stellen.
Print-Bewerbung
Nur ein Viertel der Personalverantwortlichen ist noch gewillt, ausgedruckte und per Post geschickte Bewerbungen anzunehmen. Speziell für IT- oder Softwareexperten gilt entsprechend: Bewerbungen in Papierform werden meist aussortiert.
Zu wenig Fakten
Der Lebenslauf sollte übersichtlich und aussagekräftig sein. Nur die vorherigen Arbeitgeber und Stellenbezeichnungen zu nennen, reicht nicht aus. Drei bis fünf Stichpunkte unter jeder ausgeübten Tätigkeit, mit Angaben über Rolle, Aufgaben, Projekte und angewandte Technologien sind ein Muss. Der Recruiter kann sich so schnell einen guten Überblick verschaffen.
Massenbewerbung
Das offene Versenden der Bewerbung an mehrere Adressaten ist eine Todsünde. Betriebe reagieren in der Regel allergisch auf Massenbewerbungen per E-Mail. Mit anderen Worten: eine Bewerbung muss individuell an das Unternehmen und die offene Stelle angepasst sein.
Zu viele Einzeldokumente
E-Mail-Bewerbungen mit vielen unterschiedlichen Einzeldokumenten sowie zu großen Dateien lassen Personaler schnell an der Kompetenz des ITlers zweifeln. Alle Dokumente sollten kompakt in einer nicht zu großen PDF-Datei (nicht mehr als 3MB) versandt werden.
Keine Manieren
Der Bewerber sollte den normalen Grad an Persönlichkeit, Höflichkeit und Respekt zeigen, auch wenn er gerade als Technikexperte stark umworben wird. Die kommentarlose Versendung eines Links zum eigenen Social-Media-Profil auf Xing, LinkedIn, Github, Facebook, etc. ohne begleitende Worte ist keine passende und zielführende Kommunikation.
Bewerbungs-Homepage
Die Idee der Bewerbungs-Homepage ist grundsätzlich gut. Das Problem ist nur, dass die Schwerpunkte für den spezifischen Job und das Unternehmen, dem die Bewerbung gilt, nicht herausgehoben werden können. Ein sehr gutes Begleitschreiben kann das ausgleichen – sofern es gelesen wird.
Forderungen stellen
Es wird als No-Go angesehen, direkte Forderungen à la „Wenn-dann“ in der Bewerbung zu stellen. Die Formulierung von Wünschen und Vorstellungen in überschaubarem Maß ist dagegen meist unproblematisch.
Zu private Bewerbungsfotos
Die Anforderungen an das Bewerbungsfoto haben sich gerade in der IT-Branche stark gelockert. Authentizität und Sympathie stehen im Vordergrund. Auch Bilder aus der Freizeit können das gut transportieren. Zur Vorsicht ist aber geraten, wenn es zu Partybildern oder Aufnahmen vom unordentlichen Schreibtisch zu Hause kommt.

So muss ein maschinenlesbares Curriculum Vitae sein

Zunächst sollten Bewerber mit dem "Naturgesetz" des PDF brechen - maschinenlesbare Profile werden in Word, Apple Pages, OpenOffice oder Rich Text Format als offene Datei bereitgestellt. Dafür sollte das Profil gut strukturiert und in die Bereiche

Wichtig: Alle Informationen werden auf einer Textebene dargestellt, also nicht in Textfelder, Kopf- und Fußzeilen oder gar Tabellen untergliedert. Außerdem ist eine stringente Struktur der Informationen geboten, das heißt, jedes Element wird in genau demselben Layout angelegt. Das gilt besonders für den Bereich Projekte/Berufserfahrung". Hier sind die CV-Parser auf Kontextualität angewiesen, beispielsweise wird der Arbeitgeber meist im Kontext zwischen Firmenname, Unternehmensform und der Wortnähe zum Zeitraum erkannt. Bei der Profilstruktur helfen Zwischen-Headlines. Bei Aufzählungen sollte nur das Bullet-Point-Format verwendet und - wenn möglich - nur eine Information pro Zeile hinterlegt werden, welche mit einem Satzzeichen endet. Eine der wichtigsten Regeln ist, dass jedes Projekt oder jede Arbeitsstelle mit den dazugehörigen Tätigkeiten, Skills und Zertifikaten beschrieben werden sollte, sodass das System die Intensität der Erfahrungen im Kontext bewerten kann. Durchläuft man mehrere Positionen in einem Unternehmen, ist es wichtig, diese einzeln zu positionieren und mit den entsprechenden Tätigkeitsprofilen zu versehen. Ebenso sollte man jeder Position auch die entsprechende Branche zuordnen und relevante Fachbegriffe nutzen.

Die Lügen der Bewerber
Lügen im Lebenslauf
Papier ist geduldig, Personaler nicht. Wer seinen Lebenslauf frisiert, hat meist keine Chance auf den Job.
Auf den jungen Bill Gates ...
... sollte man sich lieber nicht beziehen, wenn man seine PC-Kenntnisse beweisen will. Ein Bewerber behauptete, er arbeite seit 1970 mit Microsoft Windows.
Internationalität ist bei Personalern gefragt
Wer aber behauptet, zwei verschiedene Praktika zur gleichen Zeit in zwei Ländern absolviert zu haben, hat schlechte Karten.
Der glücklichste Tag im Leben ...
... hat nichts in einer Bewerbung zu suchen. Entsprechend überrascht war ein Personaler, als er das Hochzeitsfoto des Bewerbes auf dem Lebenslauf sah.
Gefälschte Diplome ...
... gibt es wahrscheinlich genug. Wenn dann das gefälschte Zertifikat noch einen Rechtschreibfehler enthält, fliegt der Täter schnell auf.
Treffpunkt Aufzug
Personalmanager müssen nicht Aufzug fahren, um zu wissen, wer im Unternehmen arbeitet. Pech für den Bewerber, der fälschlicherweise angibt, in der Firma gearbeitet zu haben, in der zum selben Zeitraum auch der Personaler beschäftigt war.
Wer einmal im Gefängnis sitzt ...
... und nachher diese Zeit als "Stellensuche" deklariert, hat keine Chance auf einen Wiedereinstieg.

Im ersten Moment erscheint die neue Struktur ungewohnt, da die Ästhetik der Bewerbung deutlich in den Hintergrund rückt und Konsistenz, Aufbau und Inhalt jenseits der Keywords noch mehr an Bedeutung gewinnen. Bis sich die neuen Programme breit im Markt durchsetzen, werden noch ein bis drei Jahre vergehen. Dennoch werden sie die Arbeit von Personalern und der Recruiting-Branche revolutionieren, weg von der manuellen Kandidatensuche hin zur umfassenderen Kandidatenqualifikation, inklusive dem immer wichtiger werdenden Cultural Fit. (pg)