Social Networks - die Spötter kommen

18.10.2007
Social-Networking-Sites wie Facebook, Xing oder StudiVZ erfreuen sich höchster Beliebtheit. Doch langsam formieren sich die Gegner. Sie verweigern sich dem "Popularitätswettbewerb" und machen sich über Turbo-Networker lustig.

Seitdem sich im Mai dieses Jahres die erfolgreiche Social-Networking-Site Facebook entschieden hat, ihre Plattform zu öffnen und Entwicklern zu erlauben, Drittanwendungen zu programmieren, zeigen sich dort auch die Gegner des Networking-Booms. Ein Beispiel ist das Progrämmchen "Enemybook". Genutzt wird es von Menschen, die vom freundlichen Networken die Nase voll haben und den Grundgedanken umkehren: Nutzer von Enemybook pflegen ihren Hass. Menschen werden – zum Teil mit Foto - verunglimpft, die Feindschaft sogar urkundlich festgeschrieben. Die Kernbotschaft von Enemybook lautet: "Hebe den virtuellen Mittelfinger."

Das Programm wurde nach einem Bericht des "Boston Globe" im Sommer von Kevin Matulef programmiert, einem 28jährigen Doktoranden vom Massachusetts Institute of Technology (MIT), der sich eigentlich mit Algorithmen beschäftigt. Seine Software ermöglicht es Facebook-Nutzern auf ihren persönlichen Seiten unter der Friends-Liste auch die Feinde aufzuzählen. Matulef beschreibt das Programm als "antisoziale Utility, mit der man die Verbindung zu unfreiwilligen Freunden kappen kann."

Freund und Feind lassen sich in Facebook übereinander listen – mit Enemybook.
Foto: Enemybook

Die Idee sei entstanden, als er als Tutor im Schlafsaal dem Gespräch zweier junger Studenten lauschte. Sie hätten eine dritte Person als einen "Facebook-Freund" bezeichnet, der aber kein "richtiger Freund" sei. Hintergrund ist, dass Facebook seinen Nutzern erlaubt, Profile anzulegen und Kontakte aus verschiedenen Netzwerken zusammenzuführen. Laut Matulef sehen sich viele Nutzer danach, deutlich zu machen, wie lächerlich sie es finden, Freunde, die keine sind, wie Trophäen zu sammeln und auf ihren Listen zu führen. Außerdem nutzen sie das Tool, um mit "Feinden" abzurechnen - also gescheiterte Beziehungen aufzuarbeiten, ehemalige Chefs oder Kollegen zu beschimpfen oder berühmte Persönlichkeiten durch den Kakao zu ziehen.

Enemybook erlaubt Facebook-Nutzern auch solche Personen auf die Liste der Feinde zu setzen, die zuvor nicht als Freunde aufgeführt wurden. Diese Leute werden nicht automatisch informiert, wenn sie auf der roten Liste gelandet sind. Mit anderen Worten: Unter der Rubrik Feinde finden sich oft Menschen, die gar nichts davon wissen. So erklärt es sich, dass auch Prominente immer wieder verunglimpft werden.

Der Online-Beziehungen müde

Social-Networking-feindliche Programme und Sites häufen sich. Oft stecken technikaffine Mitzwanziger dahinter, die der vielen unechten Online-Freundschaften müde geworden sind und nun gemeinsam mit anderen die Idee des virtuellen Networking unterminieren oder Social-Community-Sites dem Gespött der Internet-Gemeinde aussetzen wollen.

Auch Snubster zählt zu den Sites, die es Anwendern erlauben, Druck abzulassen. Die Website existiert seit 2006, doch erst seit kurzem hat auch Snubster die Popularität von Facebook entdeckt und sich mit einer eigenen Software in das prominente Netzwerk eingehängt. Das Tool erlaubt Facebook-Nutzern Kontake "on Notice" zu setzen und ihnen somit die Gelegenheit zu geben, sich innerhalb einer Frist zu bewähren oder das Weite zu suchen. Entweder landen sie anschließen wieder unter den Friends oder auf der Liste "Dead to me". Die Betroffenen werden umgehend informiert.

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Der 26jährige Softwareentwickler und Urheber der Site, Bryant Choung, erklärte in einem Interview, er sei genervt davon, das Facebook zu einem Popularitätswettbewerb verkommen sei. Snubster sei eine "Reaktion auf das lächerliche Phänomen des Social Networking". Laut Choung sollte Snubster eigentlich eine Parodie auf Facebook sein. "Dass es nun direkt in und um Facebook läuft, führt dazu, dass es noch viel besser funktioniert."

NOSO-Projekt – Rückzug für Minuten

Eine andere Art von Opposition wählen die Macher des Noso-Projekts. Die Idee hinter der künstlerisch motivierten Initiative ist es, bewusst für einen bestimmten Zeitraum nein zu sagen zu Social Networking, Skype, Handy, Blog und allem anderen, was moderne Kommunikationstechnik bietet. Öffnet man die Website nosoproject.com, erklingt eine sonore Stimme, die den Besucher einlädt: "Create NO connections by scheduling NO events with NO friends.” Die Registrierung auf der Site erfolgt anonym. Man wir aufgefordert, Fragen zu beantworten wie: Wofür interessierst du dich nicht? Welche Schulen hast du nicht besucht? Welche Musik lehnst du ab? Welchen Beruf übst du nicht aus?

Neinsager organisieren sich im Noso-Projekt
Foto: NOSO Project

Die Teilnehmer können sich einen Kalender mit Veranstaltungen anderer NOSO-Mitglieder ansehen, die aber keine sozialen Events sein sollen. Die Personen treffen sich in Cafes oder Park für Zeiträume von einer Minute bis einer halben Stunde, um sich losgelöst von sämtlicher Technik und Elektronik anzuschweigen. Die Teilnehmer erfahren nicht einmal, ob ihr Gegenüber auch über das Noso-Projekt am fraglichen Ort ist. Das Procedere ist also eng angelehnt an so genannte Flashmobs, bei denen es ebenfalls um spontane, mehr oder weniger zweckgebundene Zusammenkünfte von Menschen geht, die meist über das Internet organisiert werden.

Kurt Bigenho, der als Creative Director hinter dem Kunstprodukt NOSO steht, glaubt einen Nerv getroffen zu haben. Social Networking sei an einem Punkt der kulturellen Sättigung angekommen, sagte er gegenüber der Studentenzeitung McGill Daily. Die in den USA weit verbreitete "Pflicht", ein Weblog zu betreiben und auf Seiten wie Facebook oder Myspace vertreten zu sein, löse bei manchen Anwendern Widerwillen aus. Noso ist demnach ein Statement gegen soziale Konformität, Verletzung des Privaten und Kommerzialisierung von Beziehungen.

Andere Beobachter kommen zu dem Ergebnis, dass nicht jeder Internet-Nutzer den Druck, persönliche Informationen im Netz öffentlich zu machen, gutheißt. Außerdem fühlen sich viele Nutzer permanent unter Zeitdruck, weil von ihnen erwartet wird, ihre Webpräsenzen zu pflegen und über Handy und Blackberry ständig erreichbar zu sein. Hinzu kommen Sicherheits- und Privacy-Bedenken: Plattformen wie Facebook erleichtern den Identitätsdiebstahl, da viele private Informationen öffentlich werden.

Dass die Social-Networking-Welle nun zurückgehen wird, ist jedoch kaum zu erwarten. Insbesondere in den USA ist das soziale Leben zu einem Gutteil ins Netz gewandert. Wer beispielsweise als Student wissen will, was wo los ist, muss die digitalen Kontakte pflegen. Viele amerikanische College-Besucher sind längst abhängig: Wer an den Unis in Erfahrung bringen will, wo die nächste Party steigt, kommt an diesem Tool nicht mehr vorbei. (hv)