Social Business in der Praxis

Social Media startet den Prozessturbo

16.01.2013
Was passiert, wenn man das Business Process Management (BPM) mit dem Social Business verheiratet? Zwei Praxisbeispiele geben Antwort.
Foto: Alice Daniel, Shutterstock.com

Wertschöpfung entsteht zu einem Gutteilt aus Kollaboration und Kommunikation. Mitarbeiter müssen sich darüber austauschen, wer was wann tut. Diese Aktivitäten sind in der Regel in Prozesse gegossen. Der Weg, das Modellieren von Geschäftsabläufen mit den Möglichkeiten des Social Business zu verknüpfen, ist daher nicht weit.

Technik allein bringt noch keinen Fortschritt. Wichtig sei es, mit intelligenten Lösungen die Mitarbeiter zu gewinnen, rät Wolfram Jost, CTO der Software AG. Ersetze man etwa eine Desktop- durch eine mobile Anwendung, sei das lediglich ein technischer Ansatz. „Wenn Sie die Prozesse wie bisher betreiben, worin besteht dann der Vorteil einer mobilen Lösung?“ Ein Blick auf zwei Beispiele zeigt, was die Neugestaltung von Abläufen bringen kann.

Mobiler Schadensbericht

Foto: Benjamin Simeneta/Fotolia

Ein US-amerikanischer Versicherungskonzern muss nach jeder Naturkatastrophen zügig Schadensbearbeiter und Reparaturpartner auf den Weg schicken, die weder an die Geschäftsprozesse noch an die Backoffice-Systeme angebunden sind. Die kurzfristig beauftragten Partner erledigen ihre Aufgaben mit eigenen Geräten, die Einweisung in konzerneigene Applikationen und Prozesse ist meistens kurz und knapp. In diesem Szenario treffen mehrere aktuelle in der IT-Branche diskutierte Trends aufeinander: Outsourcing, BYOD (Bring your own Device) und Mobilität.

Denkbar wäre es, alle Teilaufgaben mit Hilfe von Social Media abzubilden, indem die Versicherung den externen Partnern ein Frontend auf Basis von Facebook, Twitter oder einer App aus einem Online-Marktplatz zur Verfügung stellte. Die Helfer wären innerhalb von Minuten einsatzbereit, dank einer intuitiven, bekannten und interaktiven Benutzerschnittstelle. Die soziale Plattform ließe sich mit den Applikationen im Backend verbinden. Stößt ein Vertragspartner auf ein Problem abseits der Standardprozesse, könnte er mittels integrierter Standarddienste (Chat, Video, Photo) Kontakt zu einem Experten im Unternehmen herstellen. Ein Prozess, der sich bislang durch viele Telefonate und E-Mails und Datentransfers wochenlang hinziehen konnte, ließe sich innerhalb von Stunden abschließen.

Tools für das Social Business
Instant Messaging, Acivity-Streams, Dokumenten-Sharing, Tagging und Profilseiten – diverse Plattformen stellen beliebte Social-Media-Funktionen für den internen Gebrauch zur Verfügung. Ein Überblick über die wichtigsten Tools:
Chatter
Das Tool lässt sich mit der CRM-Lösung von Salesforce integrieren und kann so Geschäftsprozesse etwa im Vertrieb abbilden, ist aber auch als Stand-alone-Lösung einsetzbar. Sein Engagement im Social-Business unterstrich der Anbieter zudem mit der Übernahme von Radian6, einem Anbieter von Tools zur Analyse unstrukturierter Daten. Chatter bietet zudem die Möglichkeit, Prozessschritte anderer Enterprise-Anwendungen, zum Beispiel von SAP, einzubinden.
Jabber
Cisco fährt im Social-Business zweigleisig. Unter dem Namen "Jabber" bündelt die Networking-Company seit Kurzem sämtliche Communications- und Collaboration-Clients, die im Lauf der Jahre unter anderem durch Zukäufe ins Unternehmen kamen. Der Jabber-Client integriert Kommunikationsfunktionen wie Präsenzanzeige oder Instant Messaging und stellt mit Hilfe der hauseigenen Webex-Produktfamilie Audio- und Videoconferencing bei Bedarf auch in HD-Qualität bereit.
Quad
Das zweite Standbein ist "Quad", von Cisco als Plattform für das Enterprise 2.0 positioniert. Es integriert Features wie Blogs und Wikis.
Quad
Quad ist am Frontend mit eingeschränkter Funktionalität mittels Web-Browser zu bedienen. Wollen Anwender die gesamte Bandbreite der Möglichkeiten ausschöpfen, ist der Jabber-Client ratsam. Er gewährleistet auch die Interaktion mit Fremdprodukten wie Microsoft Office und Sharepoint.
Jive
Eine beliebte Anwendung unter den Social-Business-Lösungen stellt das 2001 gegründete kalifornische Unternehmen Jive Software mit dem Produkt "Jive Engage" bereit. Es kombiniert Collaboration- und Community-Features und stellt Lösungen für das Knowledge-Management zur Verfügung. Ständige Erweiterungen haben die Software zu einer Social-Business-Plattform anwachsen lassen. So kamen im Lauf der Zeit Funktionen für Instant Messaging sowie die Mobility-Unterstützung für iPhones und Blackberrys hinzu.
Jive
Die funktionalen Erweiterungen hat Jive in wesentlichen Teilen eingekauft: Die Akquisition von OfficeSync wurde beispielsweise zur Basis für das Dokumenten-Sharing, das übernommene Start steuert Konnektoren zur Microsofts Office-Welt bei. Im Frühjahr 2011 schluckte der Hersteller den Business-Analytics-Anbieter Proximal Labs. Seitdem können Anwender der Software bei Bedarf große Menge unstrukturierter Daten auswerten. Beachtung fand zuletzt auch Jives Marktplatz für Applikationen, der Partner dazu ermuntern soll, die Social-Business-Plattform mit Drittanwendungen anzureichern.
Sharepoint
Microsoft setzt im Social Business auf "Sharepoint". Die Collaboration-Umgebung stellt Anwendern Dokumenten-Sharing und Kommunikationsmöglichkeiten bereit. Spezielle Social-Network-Angebote sind unter anderem integrierte Profile, Wikis, Blogs, Newsfeeds und interne Videoportale sowie Funktionen für die unternehmensinterne Suche, das Tagging, Rating und zur Kommentierung.
SmartCloud for Social Business und Connections
IBM vertreibt im Geschäft mit der unternehmensinternen Collaboration die Produktlinien "Connections" und "SmartCloud for SocialBusiness" (vormals LotusLive). Connections wird in die Unternehmens-IT integriert und bietet mit Activity Streams, Social Analytics, Wikis, Blogs, Dokumenten-Sharing sowie E-Mail- und Kalenderintegration typische Enterprise-2.0-Funktionen.
SmartCloud for Social Business und Connections
Anwendungen von Drittparteien lassen sich mittels Portal integrieren. IBM verspricht auch die Einbindung von Geschäftsprozessen, beispielsweise können Nutzer SAP-Transaktionen in der Connections-Umgebung bearbeiten. Connections lässt sich auch als SaaS-Ausführung beziehen.
SocialCast
Zudem schaffen Schnittstellen zu Lotus Notes, Outlook, Sharepoint sowie zum Active Directory ergänzende Kommunikations- und Integrationsmöglichkeiten. Jüngste Neuerung, die bereits zu VMware-Zeiten eingeführt wurde, ist die Social-Applikation "Strides", die Socialcast zur integrierten Collaboration-Plattform ausbauen soll. Interessenten an Socialcast können zunächst eine kostenlose Version ausprobieren, die sich aber nicht im internen Data Center installieren lässt und der einige Funktionen, etwa zur Datenanalyse, fehlen.
Streamwork
"Streamwork" wurde ursprünglich als Plattform entwickelt, die mit Hilfe von Business Intelligence die Entscheidungsfindung in Unternehmen schneller und kollaborativ gestalten soll. Dabei setzt SAP auf die Integration von Fremdprodukten. Anknüpfungspunkte bestehen etwa für Webex, Evernote sowie Outlook und Google Mail.
Streamwork
Die Nähe zu betriebswirtschaftlichen Anwendungen spiegelt sich in der Feature-Liste wider: Wesentliche Funktionen betreffen etwa die Agendaplanung, Prioritätenlisten, Ad-hoc-Umfragen, SWOT- und Kosten-Nutzen-Analysen sowie Verantwortlichkeits-Diagramme. Die Social-Business-Komponenten erstrecken sich auf News-Feeds für Geschäftsdaten und Monitoring-Dienste, die Aktivitäten und Ereignisse darstellen. Streamwork ist mit verschiedenen SAP-Anwendungen integriert.
Tibbr
Mit "Tibbr" hat sich der SOA- und Integrationsspezialist Tibco in das Social-Business-Geschäft vorgewagt. Folgerichtig betont auch Tibbr die Verzahnung verschiedener Anwendungen (etwa von Oracle, SAP, Microsoft Sharepoint und Salesforce.com) in einer Plattform, so dass sich beispielsweise der Activity-Stream durch Ereignisse und Veränderungen aus den Business-Applikationen speisen lässt.
Tibbr
Tibbr bietet soziale Services wie Microblogging, Profile, Instant Messaging und Voice-Memos, Videoconferencing und Communities. Die Nutzer können sogenannten Subjects folgen, das sind entweder andere Nutzer, Gruppen oder Themen. Auch Tibco bietet Unternehmen Möglichkeiten zur Analyse der Inhalte.
Yammer
"Yammer" kam vor knapp vier Jahren als unternehmensinterne, Cloud-basierende Software für das Microblogging auf den Markt. Der gleichnamige Betreiber vermarktet die Lösung zum einen als kostenlose und funktional reduzierte Version, zum anderen als kostenpflichtige Ausführung für fünf Dollar pro Monat sowie als Premium-Lösung für Unternehmen inklusive Admin-Rechten und Integrationsmöglichkeiten.
Yammer
Mit dem aktuellen Release können Anwender beispielsweise Communities einrichten, Termine in Outlook und Google Calendar planen, in verteilten Teams kommunizieren und gemeinsam Dokumente bearbeiten. Eine Präsenzanzeige erstreckt sich auch auf mobile Clients, zudem liefern Analysewerkzeuge Daten über die Aktivitäten im sozialen Netz. Die Version für Unternehmen stellt besondere Sicherheitsfunktionen sowie Andockmöglichkeiten an Geschäftsapplikationen etwa von Salesforce.com, Microsoft und Netsuite bereit.
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Schichttausch via Facebook

Foto: Africa Studio/Fotolia

Das Unternehmen Echo Entertainment betreibt Hotels und Kasinos in Australien. CTO Rob James verantwortet die technische Einrichtung für rund 10.000 Mitarbeiter, die meisten von ihnen sind im Service der verschiedenen Häuser tätig. Typischerweise sind sie jung, mobil, sozial vernetzt, und häufig nur vorübergehend angestellt. In diesem Umfeld ist es üblich, dass Mitarbeiter ihre Schichten tauschen. Die Geschäftsführung hat keine Einwände und unterstützt die flexible Arbeitszeitgestaltung. Schwierigkeiten bereitete aber immer wieder der damit verbundene aufwändige Prozess.

Wie so oft kam die Lösung von den Mitarbeitern. Eine Gruppe von Kartenausgebern (Table Dealer) richtete eine Facebook-Seite ein, wo jeder seine Wechselwünsche posten konnte. Im Grunde taten sie nichts anderes, als das schwarze Brett in den Betriebsräumen des Hotels in die virtuelle Facebook-Welt übertragen.

James und andere Hotel-Manager reagierten zunächst zurückhaltend und wollte die Lösung kippen, weil Facebook ihnen nicht als angemessene Plattform erschien. Der CTO machte sich auf die Suchte nach einer B2B-Lösung, um irgendwann zu erkennen, dass er viel Zeit damit verschwendet, etwas Bewährtes und Einsatzbereites abzulösen. Sinnvoller sei es, überlegte sich der Manager, die Facebook-Seite mit einer API zur eigene Schichtwechsel-Software zu erweitern und das Ganze zuverlässig und sicher zu gestalten.

Fazit: Effizienz und Mitarbeiterzufriedenheit verbessert

In beiden Beispielen wurden Geschäftsprozesse auf Basis von Social-Media-Plattformen gestaltet. Die Mitarbeiterzufriedenheit ist dabei ebenso ein wesentliches Kriterium, wie die verbesserte Effizienz von Abläufen. Verfahren, die sich über Tage und Wochen hinziehen, lassen sich verkürzen, wenn Mitarbeiter und Partner ortsunabhängig schnellen Zugriff auf Informationen haben. (jha)