Social Commerce: Wer die Trendsetter im E-Commerce sind

24.01.2008 von Jochen Krisch
Social Shopping soll Spaß machen und Kunden aktiv einbeziehen. Neue Online-Händler können dabei sehr viel speziellere Angebote unterbreiten als bisher.

Wie macht der Einkauf im Internet noch mehr Spaß? Aktive und emotional engagierte Nutzer sollen neuen Schwung in den Online-Handel bringen. Dabei revolutionieren die nutzergetriebenen Ansätze nicht nur das Shopping-Erlebnis. Der zumeist sehr schnelle und zielgenaue Abverkauf in den Communities stellt auch E-Commerce-Systeme und -Prozesse vor ungewohnte Herausforderungen. Seit 2005 lässt sich ein neuer Innovationsschub im E-Commerce feststellen. Weltweit sind Dutzende von neuartigen Plattformen für "Social Shopping" entstanden, die sich in Machart und Prägung zum Teil erheblich voneinander unterscheiden. Markt- und Trendforscher verheißen dem Thema Social Shopping eine goldene Zukunft, weil es wichtige Web-Trends aufgreift. Die Nutzer können sich aktiv einbringen, plattformübergreifend austauschen und, wenn sie wollen, mit ihren Empfehlungen auch Geld verdienen (ausführliche Informationen und Trends im Social Commerce finden sich im Blog "Exciting Commerce").

Shopper suchen das Gemeinschaftserlebnis

Doch der finanzielle Anreiz steht nicht im Vordergrund. Zuallererst ist es das gemeinsame Shopping-Erlebnis, das erfolgreiche US-Vorbilder wie Kaboodle oder Thisnext auszeichnet. Hierzulande gehören Edelight, Smatch und Dealjäger zu den Trendsettern. Denn dreht sich im klassischen (Online-)Handel noch alles ausschließlich um Produkt und Sortiment, so rücken die neuen Dienste den Menschen stärker in den Blickpunkt. Nutzer und Produkte sind gleich wichtig. Leidenschaftliche Shopper haben eigene Profilseiten, wie man sie von Myspace oder StudiVZ kennt. Sie können sich dort mit ihren Interessen präsentieren und sich gegenseitig Tipps und Empfehlungen geben. Mit Meinungsportalen wie Ciao oder Dooyoo sind Social-Shopping-Dienste nur bedingt vergleichbar. Die Zielgruppen unterscheiden sich beträchtlich. Denn Social Shopper sind nicht in erster Linie an Meinungen und Bewertungen zu speziellen Produkten interessiert, wie sie bei Ciao und Dooyoo zu finden sind. Sie stöbern lieber ausgiebig und lassen sich von den Vorschlägen und persönlichen Tipps anderer inspirieren und zum Kauf verleiten.

Exklusivität oder Schnäppchen

Social Shopping aus deutschen Landen: Immer mehr Startups erproben durch die Einbindung der Konsumenten und originelle Angebote neue Wege im E-Commerce

Social-Shopping-Plattformen können mit Neuheiten und Trends punkten, mit besonders exklusiven Produktideen oder mit attraktiven Schnäppchen. Bei Edelight holen sich die Nutzer in erster Linie Geschenktipps, bei Smatch dreht sich alles um Mode, Wohnen und Lifestyle (siehe Seite 20). Die Nutzer können dort unter anderem eigene Outfits und persönliche Stylesets anlegen. Produktbereiche wie Mode oder Beauty sind prädestiniert für Social-Shopping-Dienste. Auch in den USA zählen neben Universalisten wie Kaboodle oder Thisnext spezialisierte Modedienste wie Stylehive oder Stylefeeder zu den populärsten Vertretern. Noch sehr frisch auf dem Markt ist Polyvore, eine Modeseite, die vor allem Frauen fasziniert. Sie können dort sehr spielerisch und frei emotional ansprechende Produktcollagen erstellen und unter Freundinnen verteilen. Die besten Collagen sind kleine Meisterwerke. Andere ähneln Katalogseiten.

Für eine Prognose, welche Social-Shopping-Ansätze sich dauerhaft durchsetzen werden, ist es noch zu früh. Die ersten Plattformen sind 2005 auf den Markt gekommen, viele folgten erst Mitte 2006 und später. Nutzerseitig scheint das Thema jedoch einen Nerv zu treffen. Obwohl sich die Seiten in der breiten Öffentlichkeit noch kaum herumgesprochen haben, kamen die erfolgreichen amerikanischen Seiten (Etsy, Kaboodle, Thisnext etc.) laut den Marktforschern von Hitwise im Weihnachtsgeschäft 2007 auf einen gemeinsamen Traffic-Anteil von 1,6 Prozent - Tendenz stark steigend.

Kunden als Designer und Models

Dass Social-Shopping-Seiten mit dem richtigen Ansatz sehr lukrativ sein können, zeigen Vorreiter wie Threadless in den USA oder LaFraise, eine Spreadshirt-Tochter aus Frankreich, die schon vor einigen Jahren gestartet sind und deren Umsatz von Jahr zu Jahr stark wächst. Beides sind Shirt-Dienste, die ihre Nutzer bereits bei der Sortimentsgestaltung stark involvieren. Threadless veranstaltet fortlaufend Designwettbewerbe, für die Nutzer Motivvorschläge einreichen können.

Die anderen stimmen ab und entscheiden mit, welche der Motive ins Sortiment kommen und später in limitierter Auflage produziert werden. Threadless gelingt es, auf allen Ebenen die Nutzer einzubinden. Weil diese in der Regel einen starken emotionalen Bezug zu den von ihnen entworfenen Motiven und zur Seite haben, stellen sie sich auch nach dem Kauf bereitwillig als Model zur Verfügung und befüllen die Nutzergalerien mit Fotos, auf denen sie stolz das gekaufte Shirt tragen. Über 3000 Shirts verkauft Threadless täglich. Der Umsatz lag 2006 bei rund 18 Millionen Dollar und dürfte 2007 nochmals stark angezogen haben.

Plattformen öffnen sich für externe Anwender

Seit sich im vergangenen Jahr große Social Networks wie Facebook entschlossen haben, ihre Plattformen für externe Anwendungen zu öffnen, ruhen auch hierauf große E-Commerce Hoffnungen. Zumal Social-Shopping-Dienste prädestiniert sind, sich in Social Networks einzuklinken und den Nutzern attraktive Angebote zu machen. Bisher zählen Bücherdienste wie Goodreads oder digitale Musik- und Videodienste mit mehreren Millionen Nutzern zu den populärsten Shopping-Anwendungen in Facebook. Aber auch Reisedienste wie "Where I´ve Been" und "Cities I´ve Visited" (eine Anwendung der Expedia-Tochter Tripadvisor) haben Millionen von Fans. Bei den klassischen Shopping-Diensten hat Stylefeeder mit gut 300 000 Nutzern die Nase vorn.

Woots auf dem Vormarsch

Wie verkaufsfördernd aktive Communities wirken (können), stellen nicht nur Social-Shopping-Dienste fest. Auch Live-Shopping-Dienste wie Woot profitieren davon. Woot verkauft in den USA seit Juli 2004 jeweils nur ein einziges Produkt am Tag, 24 Stunden lang, bis es ausverkauft ist. Rund eine Million Mitglieder hat Woot in dreieinhalb Jahren gewonnen. Bekannt und beliebt ist der Dienst für seine unverfrorene und schräge Nutzeransprache sowie für seine Preisbrecher-Angebote. An sehr guten Tagen verkauft Woot 20 000 bis 30 000 Elektronik-Gadgets. Im Schnitt sind es 10 000. Kurz nach Mitternacht, wenn das neue Angebot online geht, herrscht die größte Betriebsamkeit. Wer schnappt sich das erste Produkt (und wird auf der Seite mit Nickname verewigt)? Wer gibt den ersten von täglich Hunderten von Kommentaren ab? Woot hat seine ganz eigenen Sitten und Regeln. Und die Nutzer sind aktiv dabei.

Zwar hat eine Umfrage ergeben, dass Woot-Nutzer in Summe nur wenig aktiver sind als Nutzer anderer Seiten. Doch auch wenn prozentual gesehen nur wenige der Millionen Besucher kommentieren, so nutzt so gut wie jeder Käufer die Kommentare der anderen, um sich über das Angebot zu informieren. Woot machte als Live-Shopping-Dienst im vergangenen Jahr geschätzte 75 Millionen Dollar Umsatz und treibt zugleich die Expansion in neue Produktbereiche voran. Seit 2006 gibt es ein eigenständiges Wine.Woot für Weinfreunde und seit 2007 auch ein Shirt.Woot für Hemdenträger.

65 Woot-Nachahmer zählt Dodtracker.com alleine für die USA. Midnightbox ist einer der populärsten. Auch Steep & Cheap, eine Tochter des Outdoor-Versenders Backcountry, punktet mit einem modifizierten Konzept. Hier gibt es nacheinander mehrere Produkte am Tag. Sobald eines ausverkauft ist, kommt das nächste an die Reihe. In Deutschland heißen die Vorreiter Schutzgeld.de und Guut.de. Rund ein Dutzend ähnlicher Seiten gibt es mittlerweile. Der europäische Marktführer iBood ist Ende 2005 in Holland gestartet und will 2008 den deutschen Markt erobern. Im dritten Geschäftsjahr peilt iBood einen europaweiten Umsatz von 20 Millionen Euro an.

Innovatione Shops nicht nur in den USA

Innovative Shopping-Konzepte sind längst nicht mehr nur die Domäne der USA. In Frankreich sorgt ein weiteres Community-Modell für Furore und erobert von dort aus das Web. Vente-Privée hat sich auf den Verkauf von Restposten, Lagerüberhängen und Saisonschluss-Ware bekannter Marken spezialisiert. Für die kurzfristigen Verkaufskampagnen, die selten länger als 48 Stunden dauern, werden sämtliche Produkte aufwändig in Szene gesetzt und dann mit bis zu 70 Prozent Preisnachlass angeboten. Vente-Privée verkauft als geschlossener Club nur an registrierte Mitglieder. Rund zwei Millionen davon haben seit dem Start im Jahr 2001 schon bestellt. Die Mitglieder werden per Mail über die neuen Aktionen informiert. Wenn morgens um sieben Uhr Hunderttausende Französinnen im Schnäppchenfieber sind, dann stellt das höchste Anforderungen an die Performance der Systeme.

Vente-Privée zählt mit rund 700 Mitarbeitern zu den führenden Vertretern der Branche. Sein Umsatz verdreifachte sich von 110 Millionen Euro (2005) auf 360 Millionen Euro (2007). So hat sich Vente-Privée in Frankreich zum drittgrößten Online-Modeversender entwickelt. In Frankreich gibt es inzwischen mehr als 50 Anbieter, die das Geschäftsmodell kopiert und/oder auf andere Sortimentsbereiche übertragen haben. Nicht mehr nur Mode und Lifestyle, sondern auch Wein, Möbel, Unterhaltungselektronik, zum Teil sogar Autos und Immobilien werden auf diese Weise verkauft.

Auch hierzulande sind private Shopping-Clubs im Kommen. Fünf Dienste versuchen seit Ende 2006 ihr Glück. Vertreten sind neben dem deutschen Ableger von Vente-Privée auch BuyVIP, Private Outlet, Brands4Friends und Limango. Diesen und allen anderen genannten Diensten gemein ist: Sie wenden sich an eine neue Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist, mehr Spaß und Abwechslung sucht und auch bereit ist, sich aktiv einzubringen. Für die neuen Online-Händler bietet sich die Chance, diese Zielgruppe mit sehr viel spezielleren Angeboten anzusprechen als bisher üblich. (as)