Laut dem Social-Business-Vendor-Report 2014 der Experton Group nutzen derzeit 40 Prozent der deutschen Firmen ab 100 Mitarbeitern Social-Business-Software. Bis Ende dieses Jahres sollen es sogar 60 Prozent sein. Auch die Marktforscher von IDC attestieren dem hiesigen Social-Enterprise-Markt, zu dem auch Social Intranets gezählt werden, mit einem durchschnittlichen jährlichen Plus von 44 Prozent ein rasantes Wachstum bis 2017.
Kein Wunder: In Anbetracht zunehmender Komplexität sowie räumlicher und aufgabenbezogener Arbeitsteilung muss im täglichen Arbeitsablauf deutlich mehr kommuniziert werden. Außerdem müssen zwischen immer mehr Beteiligten Informationen ausgetauscht werden, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Die traditionellen Methoden zum Daten- und Informationsaustausch wie E-Mail reichen deshalb schon lange nicht mehr aus. Gleichzeitig hat die Zahl der IT-gestützten Workflows und Prozesse in den vergangenen Jahren so drastisch zugenommen, dass normale Sachbearbeiter - bei sogenannten Knowledge-Workern potenziert sich das Problem - inzwischen unterschiedliche Programme bedienen und auf ihre Ergebnisse reagieren müssen. Das ist nicht sehr effizient.
Um diesen Kommunikationsanforderungen von Menschen und Software effektiver gerecht zu werden, bieten Softwarehersteller zwei unterschiedliche Produktkategorien an: zum einen Softwareportale beziehungsweise Intranets und zum anderen Social-Business-Collaboration-Lösungen (SBC). Dabei sind Softwareportale schon eine ganze Weile auf dem Markt, SBC-Angebote in ihrer heutigen Form erst einigen Jahren.
Softwareportale sind daten- und prozessgetrieben
Softwareportale und Intranets - Intranets sind technisch gesehen nichts anderes als Softwareportale innerhalb eines Unternehmens - waren ursprünglich dazu gedacht, unterschiedliche Programme unter einer Oberfläche ablauffähig und nutzbar zu machen. Sie fassen unter einer Oberfläche verschiedene Applikationen zusammen (CRM, ERP, E-Mail, zum Teil auch Office etc.) und erlauben die Bearbeitung der Dokumente, Daten und Transaktionen aus diesem Portal heraus. In der Regel können sie rollenspezifisch definiert werden und weisen heute häufig Workflow-Engines auf. Damit können unternehmensspezifische Abläufe per Drag-and-Drop gestaltet werden, so dass beispielsweise Antrags- und Genehmigungsverfahren auf die jeweils nötigen Programme zugreifen und die Formularanträge automatisch an die genehmigenden Personen weitergeleitet werden. Dabei verfügen Portale über klare Berechtigungskonzepte, die sicherstellen, dass nur befugte Personen mit Lese- beziehungsweise Schreibrechten auf bestimme Daten und Informationen zugreifen dürfen.
Inzwischen werden Softwareportale auch für Dokumenten-, Projekt- und Kunden-Management genutzt, teilweise werden ERP-Daten ebenfalls über Portale eingegeben und dargestellt. Einigen Unternehmen sind die Oberflächen von ERP-Systemen zu komplex, weshalb sie bestimmte Masken in Portalen nachbauen, damit Mitarbeiter leichter damit umgehen können. Insgesamt schätzen Experten Softwareportale im Gegensatz zu Social-Business-Tools mehr als daten- und prozessorientiert ein. Für stark prozessorientierte Unternehmen werden sie deshalb als besser geeignet erachtet.
Die Portalanbieter haben derweil auf den zunehmenden Bedarf an Interaktionsmöglichkeiten jenseits der E-Mail reagiert. Viele bieten Social Intranets beziehungsweise Social Portals an. Diese integrieren mehr und mehr die sogenannten Web-2.0-Tools wie Chats, Wikis, Activities Teams, etc. (siehe Tabelle), die die eigentliche Stärke der Social-Collaboration-Werkzeuge bilden. Allerdings liegt ihre Stärke nach wie vor im Zugriff auf Daten und der Abbildung unternehmensspezifischer Workflows und Prozesse.
Social-Business-Collaboration setzt auf persönliche Interaktion
Während Softwareportale auch in ihrer "sozialen" Form datengetrieben sind und formalisierte Workflows abbilden, steht bei SBC-Tools die digital gestützte menschliche Interaktion im Mittelpunkt. Zunächst waren sie dazu gedacht, die aus dem Web 2.0 und sozialen Medien bekannten Tools wie Chats, Wikis, Blogs, Microblogs, Profiling, Ranking etc. (siehe Tabelle) unter einer gemeinsamen Oberfläche zusammenzufassen und in einer sicheren Unternehmensumgebung zur Verfügung zu stellen. Es geht darum, das Wissen der Mitarbeiter, externer Dienstleister und letztlich auch Kunden über Abteilungsgrenzen hinaus zu aktivieren, gemeinsam Ideen zu entwickeln, Experten schneller zu finden, sich über Dokumente und Projekte auszutauschen sowie zu wissen, womit sich andere im Unternehmen gerade beschäftigen. Konkret möchten Unternehmen damit zum Beispiel ihr internes E-Mail-Aufkommen reduzieren, Reise- und Kommunikationskosten senken, die Innovationsrate steigern sowie ganz allgemein die Zusammenarbeit und den Austausch zwischen den Mitarbeitern beziehungsweise zwischen Mitarbeitern und Kunden verbessern.
Social-Business-Software soll dank intuitiver Bedienbarkeit (Facebook für Unternehmen) Kommunikation und Collaboration vereinfachen, beschleunigen und insgesamt effektiver machen. Das setzt allerdings einen gewissen Kulturwandel voraus, mit dem sich mehr hierarchisch organisierte Unternehmen nicht ganz leichttun. SBC funktioniert nämlich dann am besten, wenn die Bereitschaft zum Teilen von Informationen groß ist, hierarchieübergreifend offen kommuniziert wird sowie Eigeninitiative und gegenseitiges Vertrauen großgeschrieben werden. Große und mittlere Firmen setzen inzwischen auf SBC. Beispiele sind die Autozulieferer Continental und Bosch, das Pharmaunternehmen Merck, der Schuhhändler Hamm Reno, aber auch der zur Fressnapf-Gruppe gehörende Tiernahrungsfilialist Megazoo. Dieser hat mit Hilfe einer SBC-Lösung den Austausch zwischen Zentrale, Filialen und Mitarbeitern vereinfacht und Defizite in der Kommunikation zwischen Zentrale und Filialen behoben, Warenüberhänge reduziert und die holprige Personaldisposition verbessert.
Themen wie die Anbindung an Business-Software wie Office, CRM oder ERP waren in Social-Business-Collaboration-Tools zunächst genauso nachgelagert wie die Abbildung formalisierter Workflows und Prozesse. In jüngster Zeit reagieren die Anbieter allerdings auf die Wünsche der Unternehmen. Ihre Produkte beinhalten inzwischen vermehrt Schnittstellen zu Business-Software, so dass auch aus SBC-Produkten heraus Dokumente bearbeitet werden können und auf CRM- oder ERP-Daten zugegriffen werden kann.
Fazit
SBC-Lösungen und Softwareportale nähern sich in ihrer Funktionalität an. Allerdings weisen sie nach wie vor aufgrund ihrer ursprünglichen Ansätze unterschiedliche Stärken auf. SBC-Tools entwickeln ihre Vorteile in der freien Interaktion. Sie eignen sich vor allem für Unternehmen, die viele Arbeiter mit Know-how beschäftigen und eher in Projekten arbeiten. Softwareportale sind hingegen daten- und prozessgetrieben. Sie eignen sich für Unternehmen, die ihre Arbeit über formalisierte Workflows und Prozesse organisieren.
In beiden Produktkategorien wird daran gearbeitet, wesentliche Funktionen der jeweils anderen ebenfalls anzubieten. Die Hersteller beider Kategorien nähern sich von verschiedenen Seiten dem Anspruch des integrierten digitalen Arbeitsplatzes. Dennoch bleiben die unterschiedlichen Stärken noch bestehen. (pg)
Legende:
0 = nicht vorhanden
+ = vorhanden
++ = gut ausgeprägt
Foren/Chat | Der Informationsaustausch erfolgt hier wie in einem klassischen Forum bzw. per Instant Messenger, im Google-Talk-, ICQ- oder Facebook-Stil. | ++ | ++ |
Blogs/Microblogs/Wikis | Auch sie sind eng an ihre Web-Vorbilder angelehnt, aber meistens mit dem Berechtigungsmanagement verbunden. | ++ Sind etwas formalisierter als in SBC-Tools. | ++ Sie sind vorhanden, aber vom jeweiligen Produkt hängt ab, ob alle drei Spielarten vorhanden sind. |
File/Document-Sharing | Dokumente und andere Files können zum Teil sehr feingranular zur gemeinsamen Betrachtung und Bearbeitung freigegeben werden. Das reicht von direkter Bearbeitung bis hin zu beliebig komplizierten Check-in-/ Check-out-Mechanismen. | ++ Dokumenten-management wird hier stärker als Prozess begriffen, der Durchlauf der Dokumente durch einen Workflow wird hier stärker unterstützt. | + Hier geht es eher um das gemeinsame Betrachten und Bearbeiten, nicht so stark um Berichtigungen und Freigaben. |
Social Tagging | Tagging bedeutet - wie Indizieren - sehr schnelles Wiederauffinden von Inhalten, Viele Tags bedeuten auch, dass ein Thema wichtig ist. | 0 | ++ |
Social Bookmarking | Es funktioniert genauso wie die bekannte Browserfunktion. Allerdings lassen sich gesetzte Bookmarks auch kommentieren und erklären. | 0 | ++ |
Voting/Ranking | Auch diese Funktion existiert in verschiedenen Varianten, ist aber immer ähnlich zu ihren Pendants auf Websites und sozialen Netzen. | + Wird oft per formalisierten Umfragen erledigt, das heißt, man muss planen, zu welchem Thema man ein Stimmungsbild erheben will. | ++ Like- oder Non-Like-Buttons existieren in jedem SBC-Produkt, so lässt sich auch ohne Planung feststellen, welche Themen/ Einträge gemocht werden und welche nicht. |
Profiling | Persönliche Daten, Know-how, Projekte Kontaktdaten, werden vom Mitarbeiter hinterlegt. Damit lassen sich die Kompetenz der Kommentare und Postings einschätzen und gerade in größeren Unternehmen sehr schnell Experten zu verschiedenen Themen finden. | + In klassischen Intranets nicht vorhanden, in interaktiven, bzw. Zusatzlösungen schon. | ++ |
Suche | Volltextsuche | ++ | ++ |
Berechtigungs-management | Hier wird geregelt, wer wo teilnehmen darf, wer Zugang zu welchen Informationen hat und welche Dokumente oder Postings in welchem Fall bearbeitet werden dürfen. | ++ Ist stärker ausgeprägt, weil stärker Daten orientiert und nicht jeder, jedes Datum bearbeiten oder sehen darf. | ++ Dient eher der Informationsreduktion, Mitarbeiter wählen weitgehend selbst aus, was sie sehen möchten und was nicht. |
Presence-Management | Angezeigt werden dabei Verfügbarkeit/ Status (busy, not connected etc.) einer Person. | + Gibt es teilweise. | ++ |
RSS/E-Mailbe-nachrichtigung | Der Nutzer kann sich jede Veränderung als RSS-Feed oder als E-Mail-Alert anzeigen lassen. | ++ Hier wichtig, weil der Nutzer weniger Zeit im Intranet verbringt und ohne Benachrichtigung nicht von Aktualisierungen erfährt. | ++ |
Integrationsmöglich-keiten in/von andere/n Applikationen | Einbindung verschiedener Programme unter einer Oberfläche. | ++ Integration war schon immer eines der wesentlichen Ziele von SW-Portalen und Intranets. | + Die Integrationsfähigkeiten hängen stark vom jeweiligen Produkt ab. Doch da sie vom Kunden stärker nachgefragt wird, dürfte sie auch in SBC-Tool stärker werden. |
Definition/Abbilden von Workflows | Workflows per Mausklick zusammenstellen und unter Zugriff auf verschiedene Programme und Personen abarbeiten | ++ | 0 |
Zugriff auf Daten | Berechtigten Personen Daten aus verschiedenen Programmen zur Verfügung stellen, bzw. Ihnen die Möglichkeiten geben, Daten im Portal direkt für bestimmte Applikationen zu erfassen | ++ | + Dokumente können betrachtet werden, aber nicht alle Produkte erlauben die Bearbeitung im SBC-Tool. Ähnliches gilt für CRM oder ERP-Daten |