Mutig den Finger in die Wunde legen

So wird man ein richtig guter Arbeitgeber

25.07.2023 von Silke Masurat
Wer es schafft, sich glaubwürdig um seine Mitarbeiter zu kümmern und Feelgood Management nicht als dekadenten Luxus betrachtet, hat als Arbeitgeber kein Fachkräfteproblem.
Die einen halten Einrichtungen wie einen Feelgood-Manager oder -Managerin für neumodischen Firlefanz, andere sind überzeugt, dass diese Person einen wichtigen Beitrag leisten kann, um die Fluktuation gering zu halten und die Mitarbeiter leistungsfähig bleiben.
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Stand Juni 2023 existieren in Deutschland 64.473 wirtschaftsaktive IT-Unternehmen. So sehr sie sich in Größe und Branchenausrichtung auch unterscheiden, eint sie doch eine Herausforderung: der IT-Fachkräftemangel. Laut Branchenverbänden fehlen in der IT-Arbeitswelt ungefähr 140.000 Experten und Expertinnen. Sie fehlen in Großunternehmen wie im Mittelstand, doch eben nicht überall in gleichen Quantität. Bei genauerer Betrachtung der Branche zeigt sich auch ein differenziertes Bild. Während sich Mitarbeitende in vielen Firmen ausgelaugt und am Limit fühlen, sehen sich Arbeitnehmende in sogenannten Hochleistungsunternehmen gefördert, wertgeschätzt und motiviert.

Aber was machen Führungspersonen und Teams hier besser? Dieser Text liefert auf Basis der zeag-Trendstudie 2023 Erklärungsansätze und Handlungsempfehlungen. Die Studie entstand in enger Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen und vergleicht die gesündesten und produktivsten Firmen - im Folgenden Hochleistungsunternehmen genannt - mit den aktuell am schwächsten aufgestellten Organisationen - Unternehmen am Limit betitelt. Daraus lassen sich Eigenschaften ableiten, die zu einem modernen und leistungsstarken Unternehmen führen.

Die Vorteile der Mittelständler

Angetrieben durch den zunehmenden Fachkräftemangel in Deutschland wetteifern IT-Unternehmen aller Größenordnung um fähiges Personal. Großkonzerne locken Talente mit aufmerksamkeitsstarken Imagekampagnen und finanziellen Benefits. Für mittelständische Firmen heißt es hingegen mit Bordmitteln selbstbewusst Abgrenzung zu Wettbewerbern schaffen und eine nachhaltige Arbeitgebermarke aufbauen. Denn wer sich authentisch nach außen präsentiert und von positiver Reputation profitiert, zieht im Recruiting an Konzernen vorbei.

Mittelständische Arbeitgeber bieten viele Vorteile: Attribute wie flache Hierarchien, schnelle Entscheidungswege und ein familiäres Betriebsklima decken sich mit der Erwartungshaltung der neuen Arbeitnehmer-Generation. Die wünscht sich parallel dazu eine starke Führung Unternehmenskultur, die von Vertrauen, Wertschätzung und Gestaltungsfreiheit geprägt ist.

Pluspunkt familienorientierte Firmenkultur

Wer all dies mit in die Waagschale wirft, wird von seinen Mitarbeitenden als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Dies trifft auf drei Viertel der gesunden Hochleistungsunternehmen zu, die an der Studie teilnahmen. Nur zehn Prozent dieser Arbeitskultur-Pioniere leiden unter Fachkräftemangel.

Ein Positivbeispiel stellt der Software-Entwickler itemis AG mit Hauptsitz in Lünen dar. Das weltweit agierende Unternehmen stellt eine gesunde Hochleistung ins Zentrum seiner Unternehmenskultur. Dies zeigt sich insbesondere durch eine gesundheits- und familienorientierte Firmenkultur.

Ausgeprägtes Feelgood Management

Kulturprägend ist vor allem das Feelgood-Management Team. Es besteht aus mehreren Personen, die sich ausschließlich mit der Unterstützung ihrer Kollegen bei arbeitsbezogenen und persönlichen Herausforderungen beschäftigen. Das Team dient als zentrale Anlaufstelle für jegliche Mitarbeiterbelange und organisiert Events wie gemeinsame Kochabende, die den informellen Austausch und das Gemeinschaftsgefühl fördern.

Zusätzlich werden diese Events bewusst auch genutzt, um den Puls zu fühlen und zu erkennen, welche Mitarbeitende überfordert sind beziehungsweise mit welchen Herausforderungen sie gerade kämpfen. "Ein Feelgood-Manager und Happiness-Officer sind kein Luxus, sondern ein Investment in das Wohlbefinden und die Zufriedenheit unserer Mitarbeitenden", so Jens Wagener, Vorstandsvorsitzender der itemis AG.

Es geht sehr stark um den Purpose

Gesunde Hochleistungsunternehmen haben es zudem geschafft, eine kollektive Identifikation ihrer Mitarbeitenden mit der Strategie und der Unternehmensvision herzustellen. Mehr als drei Viertel von ihnen waren laut Studienergebnis erfolgreich darin, dass ihre Mitarbeitenden eine hohe Sinnerfüllung erleben. Dieser gelebte Purpose in Kombination mit Unternehmenskultur zum Anfassen, die von der Geschäftsführung getragen wird - so funktioniert Employer Branding in der IT.

Auf Langstrecke führt die interne wie externe Wahrnehmung als attraktiver Arbeitgeber zu Kosteneinsparungen für aufwendige Recruiting-Prozesse sowie zu einer steigenden Qualität der Bewerbenden. Dieser Erfolg fußt primär auf einem eindeutigen und lebendigen Bild, das Unternehmen glaubhaft über alle Kanäle hinweg kommunizieren. Um das Hochleistungs-Szenario zu realisieren, müssen sich Firmen ihrer Alleinstellungsmerkmale im Markt bewusst sein und ein paar elementare Fragen beantworten:

Eine breit angelegte Mitarbeiterbefragung über die verschiedenen Hierarchie- und Fachebenen eines Unternehmens hinweg unterstützt hier als verlässliche Bestandsaufnahme und zeichnet ein realitätsnahes Bild.

Management muss Vorbild sein

Zum Toolkit erfolgreicher IT-Unternehmen gehört definitiv ein Management, das mit gutem Vorbild vorangeht und übergeordnete Unternehmensvisionen vorlebt. Die zeag-Trendstudie zeigt, dass in gesunden Hochleistungsunternehmen mehr als 96 Prozent der Top Manager von ihren Mitarbeitenden als ein gutes Vorbild wahrgenommen werden.

Das Bewusstsein hierfür greift inzwischen zunehmend und viele Unternehmen gestalten ihre Form der Führung und Zusammenarbeit dahingehend um. Vorbilder sind für ihre Teams greifbar und erfüllen hohe moralische und ethische Standards. Zur vorbildlichen Führungspersönlichkeit reifen Menschen durch Selbstreflexion, Authentizität, Verantwortung für das eigene Handeln und eine klare Kommunikation.

Investitionen in Gesundheit lohnen sich

Auch eine gezielte Führungskräfteentwicklung gehört als dauerhafter Prozess zu einem gesunden Unternehmen, das sich aus der Beschleunigungsfalle aus Leistungsdruck und kollektiver Erschöpfung gelöst hat. Neben klassischen Management-Training können auch Schulungen zur Förderung des Teamzusammenhalts wertvolle Impulse geben. Doch auch jenseits ihrer Führungskräfte zeichnen sich Vorreiter durch eine People Management-Strategie aus, die an den Menschen und ihren Bedürfnissen ausgerichtet ist.

Dass nur ein gesundes Team leistungsfähig und motiviert ist, versteht sich von selbst. Hochleistungsunternehmen setzen diese Tatsache in Angebote und Konzepte um, die in die Unternehmenskultur integriert sind. Ein Blick auf die gesundheitsspezifischen Indikatoren zeigt, dass in gesunden Hochleistungsunternehmen mehr als 55 Prozent einen sehr guten Gesundheitszustand angeben, während es bei den Unternehmen am Limit weniger als 14 Prozent sind.

Vier Tage Arbeit und ein Tag Weiterbildung

Itemis räumt der Mitarbeitergesundheit einen hohen Stellenwert ein und fördert dies durch eine 4 zu 1 Arbeitsregelung. Sie meint, dass Mitarbeitende in einer regulären Arbeitswoche vier Tage am Projekt arbeiten und einen Tag für ihre persönliche, nicht unbedingt fachbezogene Weiterbildung nutzen können. Für individuelle Gesundheitsangebote steht der Belegschaft dazu ein eigener Gesundheits- und Ernährungscoach zur Verfügung.

Um den Turnaround hin zum gesunden Hochleistungsunternehmen zu schaffen, sollten HR-Verantwortliche zuerst verstehen, dass sie in eine Beschleunigungsfalle getappt sind. Jetzt gilt es, interne Missstände aufzuspüren und den Wandel im kompletten Team einzuläuten. Wer Mut hat, den Finger in die eigene Wunde zu legen, wer Mitarbeiterbefragungen durchführt und sicheren Raum für offenen Austausch schafft, baut dafür das Fundament.

Ein klares, ernst gemeintes Commitment seitens des Managements betrachte ich als unverzichtbares Element auf dem Weg zu einer gesunden und produktiven Organisation. Über wertschätzendes Lean Leadership rückt die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit in den Mittelpunkt. Nachhaltig positiv wirkt dazu eine gute Führungskräfte-Entwicklung, die ihr Hauptaugenmerk auf gesundheitsorientiertes und befähigendes Management legt.

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