Dank Internet-Diensten wie Zattoo.de wird jeder Arbeitsplatz schnell zum WM-Public-Viewing-Terminal. Das Zauberwort ist IPTV (Internet Protocol Television), also die Übertragung von Audio- und Videosignalen in TV-Qualität. Die Übertragung basiert auf dem IP-Protokoll, auf das auch das Internet aufbaut. Jedoch findet die Ausstrahlung in kontrollierten Netzen statt, so dass nur bestimmte Nutzer das Signal empfangen können. Der Bandbreitenbedarf ist je nach verwendetem Dienst/Codec nicht unerheblich. Er reicht je nach Format der Übertragung, der gewünschten Auflösung des Bildes und der Art des gewählten Modulationsverfahrens von harmlosen 3 Mbit/s bis zu 20 Mbit/s oder sogar noch mehr. Wenn also jeder, der live dabei sein will, einen eigenen Bandbreitenkanal auf dem Internet-Zugang des Unternehmens belegt, wie viel der vorhandenen Bandbreite bleibt dann noch übrig für die Applikationen, die für das Unternehmen erfolgskritisch sind?
Technische Möglichkeiten zur Schadensverhütung oder -begrenzung
Über Firewalls können bestimmte Ports gesperrt werden. Aber Achtung: Manche Firewalls erkennen Streaming nicht. Und was nicht erkannt wird, lässt sich schlecht sperren. Mehr Erfolg kann da schon das Priorisieren von firmeninternem Traffic auf den Switches und Routern bringen, vielleicht sogar mit gleichzeitiger Begrenzung der Bandbreite für Video Streaming. Mess- und Testspezialisten verfügen dazu über Lastgeneratoren, die präventiv und vor allem schrittweise die Grenzen des Netzes ermitteln.
Übermittlung der Videostreams in einem ausschließlich geswitchten Netz
Am Netzeingang hinter der Unternehmens-Firewall wird eine TV- beziehungsweise IPTV-Set-Top-Box installiert (beispielsweise bei T-Home und anderen Service-Providern erhältlich). Bei dem dort ankommenden Videosignal handelt es sich um einen Multicast-Strom, der eine Bandbreite von mindestens 3 Mbit/s erfordert. Dieser Videostrom für das Fußballspiel wird anschließend in das Unternehmensnetz übermittelt. Da im LAN nur Layer 2-Komponenten eingesetzt werden, wird dieser Videostrom von jedem Switch an alle verfügbaren Ports kopiert, so dass das Videosignal von jedem Endgerät empfangen werden kann. Der Switch behandelt ein solches Multicast-Signal wie eine Unicast-Information, die über eine unbekannte Zieladresse verfügt. Dieser Quick-and-Dirty-Lösungsansatz hat natürlich einige Nachteile:
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Der Multicast-Strom wird von den Switches im Netzwerk auch an solche Ports übermittelt, die nicht das Fußballspiel ansehen wollen. Hierzu gehören beispielsweise Fußball-Muffel, VoIP-Telefone, Überwachungskameras, Drucker, Server usw. Dem Nutzer gehen mindestens 3 Mbit/s Bandbreite verloren.
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Die über die Schicht 2 gefluteten Multicast-Ströme werden von Routern nicht übermittelt, diese stellen für den Videostream ein unüberwindliches Hindernis dar.
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Für den Empfang der Videosignale benötigt der Nutzer einen Media Player. Hierfür eignet sich der kostenlose VLC Media Player. Mit der Software lassen sich fast sämtliche Video-Formate sowie Video Codecs wiedergeben, egal ob Film, Video oder gar Streaming über das Internet. Sogar neue Formate wie MPEG- und DivX-Streaming lassen sich mit dem VLC Player betrachten.
Übermittlung der Videostreams in einem Multicast-fähigen Netz
Eine der besten Methoden zur Problemlösung von Videostreaming in Unternehmensnetzen ist sicher der Einsatz von VLC Multicast. So wird das Streaming auf der oder den Verbindungen zum Internet nur einmal notwendig, weil es am Eingang zum eigenen Netz auf Multicast umgewandelt wird. Dieser Lösungsansatz gleicht der oben dargestellten Lösung (geswitchtes Netz) bis auf den Übermittlungspfad. Der Vorteil von Multicast besteht darin, dass gleichzeitig Nachrichten an mehrere Teilnehmer oder an eine geschlossene Teilnehmergruppe übertragen werden können, ohne dass sich beim Sender die Bandbreite mit der Zahl der Empfänger multipliziert. Der Sender braucht also nur die gleiche Bandbreite wie ein einzelner Empfänger. Handelt es sich um paketorientierte Datenübertragung, findet die Vervielfältigung der Pakete an jedem Switch und/oder Router auf der Übermittlungsstrecke statt.
Multicast ist die übliche Bezeichnung für IP-Multicast, welches es ermöglicht, in IP-Netzwerken effizient Pakete an viele Empfänger zur gleichen Zeit zu senden. Das passiert mit einer speziellen Multicast-Adresse. Beim IP ist hierfür der Adress-Bereich 224.0.0.0 bis 239.255.255.255 reserviert. Zusätzlich wird zur Koordination bei IPv4 das IGMP- oder das CGMP-Protokoll (nur Cisco-Komponenten) benutzt.
Um Multicast-Pakete zwischen mehreren Netzen zu koordinieren, werden spezielle Multicast-Routing-Protokolle verwendet. Traditionell sind dies die Verfahren DVMRP, ein Distance Vector-Verfahren ähnlich RIP, und MOSPF, ein Link-State-Verfahren ähnlich OSPF. Beide Verfahren sind auf Netze mit homogener Leitungskapazität und Regionen mit starker Multicast-Nutzung ausgelegt. Da beide Voraussetzungen nur selten erfüllt sind, hat ein drittes Verfahren mit der Bezeichnung PIM an Bedeutung gewonnen (mehr Details zu den einzelnen Verfahren auch unter http://www.datakom.de/presse/video.html.)
Moderne Switches (etwa seit 1995) beherrschen IGMP Snooping. IGMP ist das Protokoll, mit dem Hosts dem Router mitteilen, dass sie einer Multicast-Gruppe beitreten möchten. Der Switch führt also pro Port auch noch darüber Buch, welche Multicast-Gruppen an den Strang weitergeleitet werden sollen. So kann der Switch theoretisch perfekt filtern, das heißt, auch Multicast-IPs wegfiltern, die auf einer abonnierten MAC-Adresse abgebildet werden. Dieser Multicasting-Lösungsansatz hat natürlich seinen Preis:
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Der Netzadministrator muss im gesamten Unternehmen das Multicasting auf allen Routern und Layer 3 Switches explizit konfigurieren.
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Die Layer 2 Switches müssen das IGMP Snooping unterstützen.
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Auf den Endgeräten (PCs) muss das IGMP-Protokoll aktiviert werden.
Das Problem kommunizieren
Die kommunikative, aber restriktive Chefetage wird es vielleicht vorziehen, auf das Problem mit einer Rund-Mail hinzuweisen, verbunden mit der Bitte, Videostreaming während der WM nicht zu benutzen - je nach Branche und den damit verbundenen Anwendungen eventuell sogar aus gutem Grund. Eine andere Möglichkeit wäre es, auf die getroffenen Schutzvorkehrungen für die Aufrechterhaltung der unternehmenswichtigen Applikationen hinzuweisen, damit transparent wird, warum gesperrt oder begrenzt beziehungsweise vervielfältigt wird. Fussball-tolerante Chefs, die sich für das Akzeptieren entschieden haben, können entsprechend auf die Netzwerkadressen für den Multicast-Empfang oder andere selbst entwickelte Vorgehensweisen hinweisen.
Eine weitere Alternative ist es, gleich "Public Viewing" im Foyer oder einzelnen Abteilungen anzubieten. Ob dies überhaupt möglich ist, hängt sicher von vielen Parametern ab wie Art des Unternehmens, Anzahl der Mitarbeiter, Art der Tätigkeiten, vorhandene Räumlichkeiten inklusive Technik et cetera. Sicher ist aber, dass in vielen Unternehmen hochwertige Beamer und Audio-Anlagen nutzlos herumstehen, wenn sie nicht gerade in Kundenveranstaltungen und Meetings gebraucht werden. Wer schon einmal wie der Autor dieser Zeilen an einem Meeting mit Anwendung der "Open Space-Technologie" teilgenommen hat, weiß, dass bei zwanglosen Zusammentreffen von Mitarbeitern selbst in den Kaffeepausen oft mehr erreicht wird als bei straff organisierten Versammlungen. Vielleicht lässt sich ja das vermeintliche Problem auf diese lockere Art lösen, nicht zuletzt zugunsten des Betriebsklimas. Es muss ja nicht gleich für alle Spiele sein, sondern nur für die wirklich spektakulären.
Fazit
Wer auf der Führungsebene das, was passieren kann, nicht dem Zufall überlassen will, der hat mit den oben aufgezeigten Optionen eine gute Auswahl: Restriktiv sein und viele einzelne Videoströme, die den Internet-Zugang unnötig belasten, können per Mitteilung verboten werden. Alternativ zu dieser restriktiven Maßnahme könnte man auch die technischen Voraussetzungen für Single-Viewing am Arbeitsplatz oder mit Public Viewing eine Firmen-Party mit nützlichen Nebeneffekten schaffen. Somit bleibt nur zu sagen: "Viel Spaß auf jeden Fall mit der WM und mit dem individuell gewählten eigenen Problemvermeidungs-Mix".