IT-Dienstleister

So wahren sie Unabhängigkeit im Outsourcing

14.08.2008 von Heinz Schick
Auslagerungsprojekte müssen nicht in die Abhängigkeiten führen. Die Experton Group gibt sechs Tipps für erfolgreiche Outsourcing-Projekte.

Die Sorge ist groß, dass die Auslagerung von IT-Prozessen mit Verlust der Unabhängigkeit und Kontrolle einhergeht. Die Bedenken der Entscheidungsträger im Mittelstand lauten typischerweise:

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Die Sorge ist dann berechtigt, wenn das Auslagerungsvorhaben nicht mit der notwendigen Sorgfalt vorbereitet wird. Es ist eine Binsenwahrheit, aber sie kann nicht oft genug wiederholt werden: Die Fehler, die zum Start eines Projekts gemacht werden, lassen sich später nur mit hohem Aufwand beheben. Deshalb ist vor einer Auslagerung eine genaue Prüfung des Risikos und der erzielbaren langfristigen Vorteile erforderlich. Das gilt gerade für im Outsourcing unerfahrene Unternehmen, weil sie die Hürden und Gefahren nicht kennen. "Politische" Vorentscheidungen zugunsten eines bestimmten Dienstleisters ohne professionelle Prüfung sind wenig hilfreich. Sie stehen einer wirkungsvollen Verhandlungsstrategie entgegen. Oft enden sie im Misserfolg.

1. Lagern Sie keine Probleme aus

Viele Entscheidungen zur Auslagerung werden aus wirtschaftlichen Erwägungen getroffen. Das darf aber nicht alleiniger Grund für das Outsourcing sein. Es sollte schon weitere fachliche Argumente geben, die eine Auslagerung rechtfertigen. Besonders wichtig ist, dass Probleme mit der IT niemals in der Hoffnung ausgelagert werden, der Dienstleister werde sie schon lösen. Solche Auslagerungsprojekte sind nicht erfolgreich, denn auch in diesem Fall lautet die Frage: Was kann der IT-Dienstleister besser als der eigene CIO? Es ist ratsam, Probleme zunächst im Unternehmen zu lösen. Andernfalls ist die Abhängigkeit vom Lösungsweg des externen Betreibers vorprogrammiert. In der Folge steuert der Dienstleister die IT, und das wird in der Regel sehr teuer.

2. Bewerten Sie das Risiko

Wer auslagert, sollte sich über mögliche Risiken im Klaren sein.
Foto: Experton Group

Bei der Analyse und Risikobewertung einer möglichen Auslagerung helfen Assessments. Im Rahmen dieser Erhebungen wird geprüft, ob und in welchem Maße eine Abhängigkeit vom potenziellen IT-Dienstleister besteht, welche Gründe für und gegen eine Auslagerung sprechen und welche Risiken es gibt. In die Bewertung sollten nicht nur objektive Fakten einfließen, sondern auch subjektive Empfindungen und Meinungen. Auch der Rat erfahrener Experten, die auf Problemzonen hinweisen und Lösungsvorschläge aufzeigen, sollte eingeholt werden.

3. Halten Sie sich an Standards

Ist die Entscheidung zur Auslagerung gefallen, kann die Standardisierung die Abhängigkeit von einem einzigen Dienstleister verringern. Zudem sollten die Service-Levels nicht überzogene Erwartungen wecken, sondern dem Stand der Technik entsprechen. Individualität mag sehr schön sein und wird auch immer mal wieder als Wettbewerbsvorteil dargestellt. Allerdings vergrößert sich die Abhängigkeit vom Dienstleister mit jeder neuen individuellen Lösung. Zudem steigen die Kosten spätestens mit dem nächsten Release-Wechsel.

4. Prüfen Sie die Verträge

Die vertraglichen Regelungen sollten frühzeitig von sachkundigen Experten auf versteckte Abhängigkeiten geprüft werden. In der Verhandlungsphase lassen sich potenzielle Fallen noch beseitigen. Das können beispielsweise Leistungen sein, die für den Betrieb erforderlich aber nicht im Leistungsschein ausgewiesen sind. Es kann aber auch eine Applikation oder Software sein, die nur für den Dienstleister lizensiert ist und bei einem Anbieterwechsel neu beschafft werden muss. Nach Vertragsabschluss ist kaum ein Dienstleister bereit, Verträge zu ändern. Deshalb sollten die Parteien sich darauf einigen, dass Lizenzen bei einem Provider-Wechsel auch anderen Anbieter kostengünstig bereitgestellt werden. Zudem können flexible Vertragsmodelle die Abhängigkeit verringern. Viele Anwender fordern eine jährliche Verlängerungsoption nach Ende des regulären Vertrags. Damit meiden sie im Falle eines Provider-Wechsel einen unvermeidlichen Stichtag und gewinnen Verhandlungsspielraum und Entscheidungsfreiheit.

5. Achten Sie auf versteckte Abhängigkeiten im Betrieb

Während der Vertragslaufzeit sollten die Kunden aufmerksam verfolgen, ob der Dienstleister Tools einsetzt, die andere Anbietern nicht oder nur eingeschränkt nutzen können. Einige Provider integrieren gerne proprietäre Schnittstellen auf Systemebene, die in eine Abhängigkeit von einem einzigen Lieferanten führen. Hier ist die IT-Organisation im Unternehmen gefragt, solchen unbeabsichtigten Abhängigkeiten durch die Hintertür einen Riegel vorzuschieben.

6. Meiden Sie Joint Ventures

Im öffentlichen Bereich sind Public Private Partnerships (PPP) durchaus üblich. Sie haben das Ziel einer besseren Kostenkalkulation für die Öffentliche Hand. Außerdem sollen sie Leistungsfähigkeit der IT steigern und den Weg für Investitionen frei machen. In der privaten Wirtschaft wurde solche Joint Ventures in der Vergangenheit ebenfalls gerne vereinbart. Sie sollten dem auslagernden Unternehmen den Einfluss auf das Geschäft des IT-Dienstleisters bewahren. Als problematisch hat sich jedoch erwiesen, dass keine der mit jeweils 50 Prozent beteiligten Vertragsparteien ernsthaft in die Zukunft des neuen Unternehmens investiert. Viele solcher IT-GmbHs sind daher inzwischen vollständig vom IT-Dienstleister übernommen oder wieder in das Unternehmen integriert worden. Joint Ventures schließen außerdem den Wettbewerb auch in anderen IT-Projekten des Unternehmens aus. Externe Dienstleister unternehmen oftmals erst gar nicht den Versuch, in Ausschreibungen ein brauchbares Angebot einzureichen, wenn ihr Konkurrent aufgrund einer Beteiligung eng mit dem Kunden verbunden ist. (jha)

Zur Person

Heinz Schick

Name: Heinz Schick.

Position: Vice-President Anwenderberatung.

Analystenhaus: Experton Group.

Beratungsschwerpunkt: Schick konzentriert sich auf Projekte für das Strategic-Sourcing in Unternehmen und im Öffentlichen Dienst. Dabei begleitet er die Verhandlungen, definiert Schwerpunkte des IT-Einsatzes zur Unterstützung der Geschäftsstrategie und berät CIOs.

Vor seinem Wechsel zur Experton Group war Schick Vorstandsvorsitzender der Laqon AG mit Schwerpunkt Sourcing-Projekte. Vorher war er für Gartner unter anderem als Vice-President und General-Manager Client Delivery tätig. Zu Gartner kam er von der AZ Directmarketing Bertelsmann GmbH, wo er zunächst als Leiter Systeme/Organisation für die Abwicklung des IT- und Verlagsgeschäftes verantwortlich war. Später beteiligte er sich als Mitglied der Geschäftsleitung der Telemedia am Aufbau der Internet-Aktivitäten von Bertelsmann.