Exklusive Studie

So nutzt der Mittelstand Business Intelligence

09.02.2009 von Sascha Alexander, Wolfgang Martin und Prof. Dr. Andreas Seufert
Im Berichtswesen und bei der Planung wollen deutsche Firmen Software für Reporting und Analyse nicht mehr missen. Doch eine BI-Strategie sucht man vergeblich.

Der Mittelstand hat offenbar klare Vorstellungen von dem, was Analysten und Industrie mit Business Intelligence (BI) bezeichnen: Rund dreiviertel aller Firmen wollen mit entsprechender Software ihr Geschäftsentwicklung nachvollziehen und dabei ihre Ist- und Planzahlen vergleichen.

Nur knapp die Hälfte sieht hingegen in BI auch ein Instrument, um Finanzressourcen zu organisieren, Abläufe zu beschleunigen und gar das Geschäft flexibler zu machen (siehe auch den Beitrag zu Corporate Performance Management). Dies zumindest offenbart eine gemeinsame Online-Umfrage zur Unternehmenssteuerung im Mittelstand von Computerwoche.de, dem Institut für Business Intelligence (IBI) und der Beratung Wolfgang Martin Team, an der rund 160 Firmen teilnahmen.

Licht und Schatten bei der Planung

Befragt zur täglichen Arbeit mit Werkzeugen für Reporting und Analyse zeichnete die große Mehrheit der Unternehmensvertreter zunächst ein positives Bild bezüglich der Ergebnisse und Nutzung. Über ein Viertel wollte die eigene Arbeit hingegen weder sonderlich loben noch kritisieren und nur eine kleine gab sich kritisch: So räumt zehn Prozent der Befragten ein, dass es häufig Probleme mit der Datenqualität, 13 Prozent, dass die Ergebnisse aus der Planung und dem Berichtswesen für sie schwer verständlich seien, rund 14 Prozent bemängelten die Integration zwischen Planung und Berichtswesen.

Dargestellt ist die Einschätzung der Befragten bezüglich der Güte ihres Planungsprozesses. Im Detail zeigen sich indes Unterschiede je nach Firmengröße. Ingesamt scheinen die Mittelständler aber überweigend zufrieden zu sein.
Foto: IBI

Auch die Dauer der Prozesse wurde von insgesamt rund einem Drittel moniert, etwa ein Fünftel bewertete zudem den Planungsprozess als zu schwerfällig und unflexibel. Durchschnittlich dauert das Planungsverfahren bei kleinen Firmen fünf Wochen, bei mittleren Firmen acht Wochen und bei den Grossen elf Wochen. Als wichtigste Maßnahme gegen diesen Zeitverzug wünschen sich eine stärkere Standardisierung der Abläufe (53 Prozent und eine grundsätzlich Verkürzung der Prozesse (42 Prozent). Planungsaspekte wie neue Verfahren, eine Zentralisierung oder Dezentralisierung, eine größere Detaillierung oder Verschlankung des Verfahrens spielen eine untergeordnete Rolle.

Konservative Planungsmethoden

Die Planungspraxis könnte man als konservativ und eher einfach charakterisieren: Im Durchschnitt nutzen nur 37 Prozent eine mehrjährige Mittelfristplanung, bei großen Firmen sind es allerdings 62 Prozent. Dominierender Planungsansatz über alle Firmengrößen ist die Budgetierung (50 Prozent) vor dem periodischem Forecast (25 Prozenzt) und Rolling Forecast (17 Prozent). Im Detail zeigt sich indes, dass kleine und mittlere Firmen die Budgetierung überdurchschnittlich oft nutzen, während der Einsatz von Rolling Forecast fast nur bei den Großen stattfindet (einen kleinen Überblick zu Planung und Budgetierung finden Sie hier).

Insgesamt dominiert bei den Firmen mit 49 Prozent das Top-Down-Verfahren bei der Budgetierung, während 39 Prozent ein Bottom-Up-Verfahren bevorzugen und 36 Prozent automatische Hochrechnungen machen. Treiber-basierende Vefahren oder eine Gegenstromplanung werden hingegen abgesehen von einigen großen Unternehmen kaum verwendet. Ebenso ist insgesamt eine risiko-orientierte Planung noch eher selten und wird von 28 Prozent der Befragten gemacht, wobei kleinere Firmen auf diesem besonders wenig machen und den Durchschnitt drücken (lesen Sie hier mehr zum Thema integrierte Planung).

Der Trend zu einfachen Verfahren spiegelt sich auch bei den Planungstypen wieder. So machen 73 Prozent aller Befragten eine Umsatzplanung, 64 Prozent eine Personalplanung und 58 Prozent eine Investitionsplanung. Auf Kostenstellen planen hingegen nur 44 Prozent, auf Kostenträgerbasis gar nur 18 Prozent. Schlusslichter sind die Bilanz- (16 Prozent) und Logistikplanung (15 Prozent).

Nichts geht ohne Excel

Wenig überraschend ist Excel sowohl bei kleinen und großen Firmen im Mittelstand immer noch das wichtigste BI-Frontend. Das beginnt bei der Dateneingabe, die 66 Prozent der Befragten über Spreadsheets vornehmen. Nur 16 Prozent nutzen hingegen einen Web-Client (vor allem in den größeren Firmen), 28 Prozent können Daten automatisch aus Vorsystemen in die BI-Umgebung einlesen (lesen Sie auch, welche Probleme Excel in der Unternehmenssteuerung bereit).

Ebenso ist Excel die bevorzugte Basis für die Unternehmenssteuerung und Controlling: 82 Prozent der Befragten stimmten dem zu, weitere 74 Prozent setzen auf ihr ERP-System. Aufwändigere Analyseverfahren und Lösungen für Online Analytical Processing (Olap) sind dementsprechend nur bei den großen Firmen ein Thema (57 Prozent der Befragten), während der Durchschnitt bei 20 Prozent liegt. Spezielle Planungswerkzeuge nutzen 43 der Großen, während es im Mittel nur 13 Prozent sind.

Einsatzgebiete und Erwartungen an BI

Insgesamt bleibt der Einsatz spezieller BI-Werkzeuge für Reporting und Analyse derzeit begrenzt. Nur durchschnittlich 39 Prozent der Firmen setzen solche Produkte ein, 23 Prozent planen die Anschaffung, und 35 Prozent sehen keine Bedraf derzeit. Dies trifft insbesondere auf kleine Firmen zu. Entsprechend klein sind die Budgets: Die Kleinen setzen bis zu 50 000 Euro Jahresbudget an, die Mittleren liegen zwischen 10 000 und 100 000 Euro, große Mittelständler geben über 100 000 aus.

Auf die Anwendungsgebiete verteilt, setzen mittelständische Firmen BI-Tools vor allem im Berichtswesen (41 Prozent), zur Datenanalyse (38 Prozent) sowie für Planung und Budgetierung ein (30 Prozent). Management-Cockpits und Dashboards (16 Prozent), Statistik und Data Mining (12 Prozent), Scorecards (acht Prozent) und Risiko-Management (fünf Prozent) spielen hingegen nur eine geringe Rolle im BI-Alltag.

Allerdings sind auch hier sind die Grossen in allen Kategorien deutlich besser. Klare Schwerpunkte zeigen sich auch bei den typischen Nutzern von BI-Tools im Mittelstand. So dominiert klar das Controlling (63 Prozent), gefolgt von Marketing und Vertrieb (39 Prozent) und der IT (25 Prozent). Bereiche wie Einkauf, Produktion, Logistik, Forschung und Entwicklung, aber auch die Personalabteilungen kommen nicht einmal auf 20 Prozent - wobei wiederum je nach Firmengröße Unterschiede zu erkennen sind.

Mittelstand verschenkt Potenzial von Business Intelligence

Alles in Allem zeigt die Umfrage, dass der Mittelstand BI bislang bei Weitem nicht ausnutzt, um zu einer besseren Unternehmenssteuerung zu kommen. Vielmehr zeigt sich eine große Diskrepanz zwischen dem Wertbeitrag, den BI beitragen kann, und dem praktischen Einsatz von BI-Funktionen (siehe auch die Kritik der Analysten von Gartner bezüglich der Nutzung von BI).

So können in der Befragung die meisten Anwender die Vorteile von BI klar benennen: die schnellere, bessere Auswertung von Geschäftsdaten (77 Prozent), die Auswertung großer Datenmengen (72 Prozent), die stärkere Automatisierung von Prozessen (65 Prozent) sowie sichere Entscheidungen (56 Prozent). Als ein Mittel, mit dem sich unnötige Kosten aufspüren (38 Prozent) oder Umsatzsteigerungen erzielen helfen (33 Prozent), wird BI hingegen seltener gesehen.

Auch ist vielen Firmenvertretern klar, dass der Nutzen von BI mit der Geschwindigkeit, Transparenz und Flexibilität der Prozesse zunimmt. Doch in der Praxis haben bisher 70 Prozent der Befragten keinerlei Workflow dafür geschaffen. Rund die Hälfte kann keine konsolidierten automatisiert bereitstellen, ebenso viele validieren ihre Zahlen nicht und 39 Prozent haben keine zentralen Strukturen und Regeln in der Administration (siehe auch den Trendbericht zum BI-Markt).

Die Studie

Die Online-Befragung der Computerwoche, des Instituts für Business Intelligence und der Unternehmensberatung Wolfgang Martin Team fand im Oktober 2008 statt.. Ziel war es, den Status Quo von Business Intelligence (BI) zur Unternehmenssteuerung im Mittelstand zu erfassen. Dabei sollte Bedeutung von BI im Mittelstand, wie die Unternehmen damit umgehen in Organisation und Prozessen, welche Rolle Technologie dabei spielt und welche Potentiale die IT hier hat. 158 Unternehmen folgten dem Aufruf. Von diesen stammen 56 Prozent aus kleineren Unternehmen ( weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz), 27 Prozent aus mittelgroßen Unternehmen (50 Millionen bis 500 Millionen Euro Umsatz und neun Prozent aus Unternehmen (über 500 Millionen EUR Jahresumsatz). 52 Prozent der Befragten- die zu jeweils rund 40 Prozent den ersten beiden Entscheidungsebenen angehören- sind in der Fertigungsindustrie tätig, 46 Prozent bei Dienstleistern. Von den Unternehmen waren 36 Prozent in Deutschland tätig, weitere 13 Prozent auch in Österreich und der Schweiz. Weitere 18 Prozent der Firmen sind für den europäischen Markt, 33 Prozent international aufgestellt. Insofern bildet diese Stichprobe Markt, Macher und Nutzer von BI zur Unternehmenssteuerung im Mittelstand gut ab.