Die Rahmenbedingungen für Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft: Geschäftsprozesse verändern sich mit zunehmender Geschwindigkeit - sei es als Reaktion auf das dynamische Umfeld oder weil die Unternehmen proaktiv Entwicklungen zuvorkommen und Chancen wahrnehmen wollen. Das erfordert immer mehr Flexibilität und Effizienz von den IT- und Business-Software-Lösungen.
So nennen denn auch die Teilnehmer der aktuellen Trovarit-Studie "ERP/Business Software: Nutzenbeitrag der Modernisierung" als wichtigste IT-relevante Strategie der kommenden Jahre, die Effizienz und Schnelligkeit der Unternehmensprozesse zu steigern. Dicht gefolgt von Strategien, die darauf abzielen, Prozesse auch effizient und flexibel umgestalten zu können.
Als häufigsten Auslöser für die Modernisierung einer ERP-Software führen die Teilnehmer der Studie die veränderten Anforderungen und Prozesse an. Gegen eine Modernisierung spricht aus Sicht der Anwender - abgesehen vom fehlenden Handlungsbedarf - in vielen Fällen ein wenig befriedigendes Kosten-Nutzen-Verhältnis. Fast ein Viertel der Unternehmen ist unsicher, ob die Maßnahmen etwas bringen. Da bei einer ERP-Modernisierung unweigerlich Kosten anfallen, wirkt diese Unsicherheit deutlich hemmend. Dem Wunsch, sich neue Entwicklungen im ERP-Bereich zunutze zu machen, stehen häufig also Fragen und Zweifel gegenüber, ob sich eine Modernisierung der vorhandenen ERP-Infrastruktur lohnt.
Um diese Frage beantworten zu können, gilt es zunächst zu klären, an welchen Punkten die Modernisierung einer ERP-Installation überhaupt ansetzen kann und welcher Nutzen sich dort im Einzelnen erzielen lässt. Laut den Teilnehmern der Trovarit-Studie können die größten Effekte im Bereich der "Transparenz" erzielt werden: Anwender mit Systemen, die 2008 oder später modernisiert wurden, sind eher der Überzeugung, ihre Software biete ihnen eine bessere "Nachvollziehbarkeit von Informationen". Diese ERP-Nutzer sehen im Durchschnitt auch Vorteile bezüglich "Transparenz und Prozessverständnis" und bei der "Bereitstellung nützlicher und korrekter Informationen".
Modernisierte ERP-Landschaften führen demnach auch zu mehr "Effizienz" im Business. Studienteilnehmer mit neueren Installationen gaben viel häufiger zu Protokoll, dass das ERP-System dazu beitrage, Geschäftsprozesse zu beschleunigen und zu vereinfachen. Außerdem seien "Qualität und Nutzen der Informationen" ebenso wie die "schnelle und einfache Bereitstellung der Informationen" verbessert. Zudem reduziere sich mit neueren Systemen der Aufwand für die Dokumentation von Geschäftsvorfällen nochmals deutlich. Darüber hinaus gewinnen ERP-Lösungen im Zuge einer Modernisierung offenbar an Durchgängigkeit.
Abstriche an Datensicherheit
Neben allen positiven Effekten führt die Modernisierung laut Einschätzung der Teilnehmer allerdings auch zu leichten Nachteilen in puncto Datensicherheit. Offenbar wirkt sich hier die größere Offenheit der ERP-Software zum Beispiel durch mobile Anwendungsszenarien und den Zugriff über das Internet negativ auf die Datensicherheit aus. Andererseits sind gerade diese Eigenschaften wichtige Gründe, die Modernisierung der ERP-Welt anzugehen.
Um den Nutzen von ERP-Lösungen erhöhen zu können, ist es erforderlich, die entsprechenden Stellgrößen zu kennen. Eine Korrelationsanalyse gibt Aufschluss darüber, welche Aspekte einen großen Einfluss auf den Nutzen von ERP-Lösungen haben. Dabei zeigt sich, dass die ERP-Software selbst die meisten Ansatzpunkte bietet. Als größte Nutzentreiber erweisen sich demnach Aspekte, die Flexibilität, Effizienz und Transparenz unterstützen, wie zum Beispie
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Offenheit für Anpassungen aufgrund einer geeigneten, modernen Softwarearchitektur,
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durchgängige/integrierte funktionale Unterstützung der Unternehmensprozesse,
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einfache Anbindung von bestehenden Lösungen über Standardschnittstellen,
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leistungsfähige Berichtsgeneratoren sowie Visualisierungsmöglichkeiten von Analyseergebnissen,
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Benutzerfreundlichkeit.
Damit belegt die Studie recht deutlich, dass die Auswahl von ERP-Lösung und -Anbieter sowie die Ausgestaltung von ERP-Installation und -Betrieb viele Ansatzpunkte bietet, um den Nutzen einer ERP-Lösung zu steigern, und dass sich eine Modernisierung von ERP-Installationen spürbar positiv auf deren Nutzen auswirkt.
Die Anwender fordern - die Anbieter müssen reagieren
Die ERP-Anbieter reagieren mit verschiedenen Strategien auf die gestiegenen Anforderungen der Kunden. Zum einen wachsen Lösungen funktional in angrenzende Aufgabenbereiche hinein - man spricht hier auch von horizontaler Integration. Durch die Einbindung von Aufgaben wie CRM, ECM, BI und SCM ermöglichen sie eine bereichsübergreifende Auftragsabwicklung, Planung und Steuerung der Unternehmensressourcen mit nur einer Business-Software, ohne dass es zu Problemen durch Medienbrüche, Mehrfacheingaben und inkonsistenter Datenhaltung kommt.
Diesem funktionalen Wachstum sind aber Grenzen gesetzt, insbesondere wenn die Software auch für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) gedacht ist. Denn mit dem Funktionsumfang wächst in der Regel auch die Komplexität einer Software. Mittelständische Unternehmen legen aufgrund ihrer begrenzten Ressourcen jedoch Wert auf schnelle und schlanke Einführungsprojekte. Ist die Software funktional zu mächtig, kann die Effizienz von Projekten bezüglich der Einführung oder einer späteren Anpassung leiden. Die Anbieter großer Softwarepakete versuchen diesem Effekt entgegenzuwirken, indem sie von Branchenspezialisten vorkonfigurierte Templates erstellen lassen, die den Aufwand reduzieren sollen.
Mit der Entwicklung technisch flexibler Plattformen wie zum Beispiel Azure und Sharepoint (Microsoft), Netweaver (SAP) sowie Fusion (Oracle) und deren neuen Möglichkeiten zur Gestaltung von einheitlichen Datenmodellen und Schnittstellen kommt der Markt der Anforderung nach einfacher Integration von Drittlösungen entgegen. Vor diesem Hintergrund deutet sich sogar ein Trend zurück zu Best of Breed an: Die Anbieter dieser Plattformen stellen die Basistechnik zur Verfügung, auf die Spezialanbieter ihre Lösungen nach definierten Standards und Spielregeln "aufsatteln".
Die Entwicklung rollenbasierter Graphical User Interfaces (GUIs) greift die Forderungen der Anwender nach einer hohen Benutzerfreundlichkeit der Software auf. Diese GUIs dienen als zentrales Informationssystem, das alle relevanten Informationen darstellen sowie zusätzliche externe und interne Applikationen mittels Dashboards einbinden kann. Das verspricht eine immense Steigerung der Effizienz. Rollenbasierte GUIs liefern anwenderspezifisch bedarfsgerechte Informationen, um Mitarbeiter im Funktionen- und Datendschungel komplexer ERP-Systeme bestmöglich in ihrem operativen Tagesgeschäft zu unterstützen.
Optionen für die ERP-Modernisierung
Bei der Modernisierung von ERP-Systemen handelt es sich letztlich immer um Investitionen in die ERP-Infrastruktur, die aber in der Praxis verschiedene Formen annehmen können:
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Neukauf: Das ist die Modernisierungsform mit der größten Tragweite. Die vorhandene wird durch eine andere ERP-Lösung ersetzt und mit ihr in der Regel auch der Anbieter. Ein Neukauf kommt in der betrieblichen Praxis selten vor - meist dann, wenn die bestehende ERP-Lösung funktional und technisch keine Perspektive mehr bietet oder wenn die Geschäftsbeziehung zum ERP-Lieferanten substanziell beeinträchtigt ist.
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Release-Wechsel: Eine ERP-Modernisierung im Zuge eines Release-Wechsels erfolgt unter Beibehaltung des vorhandenen ERP-Produkts und damit in der Regel auch mit dem gleichen Anbieter. Neben technischen Neuerungen bringt ein Release-Wechsel oft auch eine Veränderung des Nutzungsumfangs mit sich, wodurch sich der Aufwand in einer ähnlichen Größenordnung wie eine Neueinführung bewegen kann, während die Kosten zumindest im Hinblick auf die Lizenzen oft dar-unter liegen. Ein Wechsel ist dann sinnvoll, wenn das neue Release funktional und technisch zu den geänderten Anforderungen passt und die bisherigen Erfahrungen mit dem ERP-Anbieter eine Weiterführung der Zusammenarbeit nahelegen.
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Ergänzung durch Best of Breed: Eine Kombination aus den ersten beiden Optionen stellt die gezielte Ergänzung der bewährten ERP-Infrastruktur durch Best-of-Breed-Lösungen zum Beispiel im Bereich BI, ECM/DMS oder MES dar. Diese Option empfiehlt sich dann, wenn die eingesetzte ERP-Lösung die wesentlichen Bereiche des ERP-Spektrums gut bedient, in der jeweiligen "Peripherie" aber keine ernsthafte Lösung bietet.
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Software-Updates: ERP-Anbieter gehen immer mehr dazu über, Modernisierungsmaßnahmen in kleineren Dosierungen über Updates umzusetzen. Dadurch sollen sich die Belastungen großer Release-Wechsel reduzieren, um Anwender Release-seitig möglichst auf aktuellstem Stand zu halten. Neben den Vorteilen einer stets aktuellen Software erleichtert dies dem Softwarehersteller erfahrungsgemäß die Maintenance und motiviert den Kunden stärker, Wartungsverträge und Dienstleistungen des Anbieters in Anspruch zu nehmen. Updates bringen meist eher technische Neuerungen, die für den Endanwender oft gar nicht unmittelbar wahrnehmbar sind. Kosten und Aufwand halten sich hier in Grenzen. Oft ist das Update über den Wartungsvertrag abgedeckt - häufig davon ausgenommen sind allerdings individuelle Anpassungen der ERP-Software.
Fazit
Für Anwenderunternehmen gilt es, sich intensiv mit ERP-Trends und den eigenen Anforderungen an Business-Software zu beschäftigen - und das nicht nur bei einer Neueinführung. Die inzwischen üblichen langen ERP-Einsatzzeiten, die voranschreitende technologische Entwicklung und die sich stetig ändernden Abläufe in den Unternehmen führen mit der Zeit fast zwangsläufig zu einem Auseinanderdriften der Lösung auf der einen und der zu unterstützenden Prozesse auf der anderen Seite. Wird hier nicht regelmäßig durch Modernisierung der Software und gegebenenfalls Überprüfung der Prozesse nachjustiert, reduziert sich der Mehrwert der Business-Software signifikant. (ba)