Aline Dell ist zu beneiden. 24 Jahre jung, aber schon jetzt Führungskraft bei der Deutschen Telekom. Im letzten November machte sie einen Riesenkarrieresprung - zur Leiterin des Shared Service Centers Softwarelizenz-Management bei T-Systems International in Darmstadt - inklusive Führungsverantwortung für 13 Mitarbeiter.
Ganz von allein ist es bei Aline Dell nicht gegangen. Und bei vielen anderen Mitarbeitern in der Branche löst sich der Karriereknoten trotz Aufschwung noch überhaupt nicht. Grund zur Panik sollte das jedoch nicht sein. "Die meisten Mitarbeiter durchleben im Laufe ihres Berufslebens Phasen, in denen sie nicht wie gewünscht weiterkommen", beruhigt Jürgen Lürssen, Karriereberater und Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Lüneburg. "In Zeiten, in denen Schornsteinkarrieren immer seltener werden, ist das normal."
Kein Wunder also, dass viele Beschäftigte unzufrieden mit ihrer jetzigen Situation sind. Nach der repräsentativen Studie "Engagement Index 2010" des Beratungsunternehmens Gallup spulen 66 Prozent der Beschäftigten am Arbeitsplatz nur ihr Pflichtprogramm ab. 21 Prozent haben innerlich sogar gekündigt. Die aktuelle Kienbaum-Umfrage "High Potentials" unter 189 Unternehmen ergab, dass fehlende Karriereperspektiven die zweithäufigste Ursache für den Weggang ihrer Hoffnungsträger sind.
Der Branche geht es gut
Dabei gibt es keinen Grund, Trübsal zu blasen. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Stellen in der ITK-Branche um 8000 auf den Rekordwert von 843.000 Arbeitsplätzen, wie der Branchenverband Bitkom jüngst vermeldete. 28.000 Stellen konnten wegen mangelnder Kandidaten überdies gar nicht besetzt werden.
Doch Aufschwung hin oder her: Woran liegt es dann, dass einige IT-ler dennoch das Gefühl haben, beim allgegenwärtigen Aufstieg auf der Strecke zu bleiben? "Mitarbeiter sollten zunächst selber wissen, was sie können und was sie wollen. Und sie müssen dies dann auch kommunizieren können", sagt Katrin Neuendorf, als Senior HR Manager bei Microsoft Deutschland in München unter anderem für Karriereentwicklung zuständig.
Stärken und Schwächen analysieren
Mitarbeiter mit Ambitionen sollten im ersten Schritt eine Stärken-Schwächen-Analyse ihrer Fähigkeiten machen. Dazu braucht man nicht unbedingt einen Coach. Gute Freunde oder befreundete Kollegen können das eigene Standing und Potenzial meist ebenfalls gut einschätzen. Immer im Hinterkopf behalten: "Es werden nicht unbedingt die Besten be- und gefördert, sondern die, die zum Unternehmen passen", erinnert Brigitte Scheidt, Diplompsychologin und Coach in Berlin. "Es nützt gar nichts, fleißig und akribisch zu sein, wenn der Chef Leute sucht, die ihm nur schnell kreative Lösungen vorschlagen."
Über top oder flop entscheidet generell der Vorgesetzte. "Werden Sie sichtbar, machen Sie auf Ihre Arbeit aufmerksam", fordert Scheidt. "Es reicht nicht, fachlich gut zu sein. Wer in der IT Karriere machen will, braucht gleichermaßen Software Skills wie Soft Skills."
Flagge zeigen
Mitarbeiter, die sich aktiv an Besprechungen beteiligen, öfter mal nachhaken, Vorschläge machen und auch unbeliebte Projekte übernehmen, machen sich schnell einen Namen. Und sie gewinnen Selbstsicherheit - eine wichtige Voraussetzung, um sich für Höheres zu empfehlen.
Fragt sich nur, was denn Höheres eigentlich ist, was man mit der eigenen Entwicklung eigentlich meint. Viele Mitarbeiter verstehen unter Karriere noch, sich möglichst viele Streifen ans Revers zu heften. Von dieser Vorstellung sollte man sich aber freimachen. Manch einer IT-Kraft mag trotz exzellenten Fachkenntnissen die klassische Führungskarriere nicht liegen. Womöglich kommt für ihn dann eher eine Fachkarriere in Betracht - oder eine Selbstständigkeit als Berater, Projekt-Manager oder Freelancer.
Auch T-Systems-Managerin Dell wusste anfangs nicht, wohin die Reise geht. Daher schnupperte sie in viele Bereiche wie Infrastruktur-Management, Innovation, Projekt-Management, Consulting und Lizenz-Management hinein. "Dadurch", so Dell, "habe ich Schritt für Schritt meine Kerninteressen erkannt." Menschen zu führen gehörte auch dazu."
Fortentwicklung selbst vorantreiben
Wer das ebenfalls für sich entschieden hat, sollte beherzt loslegen. Denn die Fortentwicklung im Job ist zum Großteil eine Holschuld. "Jeder Mitarbeiter hat die Verantwortung für seine eigene Karriere", sagt Personalerin Neuendorf. Doch Microsoft als Arbeitgeber bietet viel Unterstützung beim Fortkommen seiner Leute an - zum Beispiel ein Tool, mit dem die Mitarbeiter ihre Laufbahn planen können. In diesem Plan legen sie fest, welche nächste Position sie erreichen wollen, welchen Zeitraum sie dafür vorsehen und welche Maßnahmen zur Erreichung nötig sein könnten. In einem eintägigen career strategy workshop erfahren sie dann mehr über ihre Stärken, Interessens- und Entwicklungsfelder. Darüber hinaus steht für alle Mitarbeiter ein gesondertes Karrieregespräch mit dem Vorgesetzten auf der Agenda - zusätzlich zum Zielerreichungsgespräch. "So soll jeder Mitarbeiter den bestmöglichen Platz im Unternehmen finden", erklärt Neuendorf.
Augen offen halten
Um die Karriereleiter zu erklimmen, braucht es allerdings nicht immer einen großen Konzern im Rücken. Zeigen Sie Eigeninitiative, seien Sie mobil, blicken Sie über den eigenen Tellerrand. Warum nicht mal etwas vom geschätzten Kollegen abgucken oder sich einen Förderer im Betrieb suchen? Auch eigene Netzwerke zu spinnen, ist meist leichter als gedacht. "Einfach mittags die Stulle nicht alleine im eigenen Büro essen, sondern rausgehen und die Augen offen halten", rät Karriereberaterin Ute Bölke aus Wiesbaden. Leute, die das eigene Weiterkommen vorantreiben könnten, trifft man etwa auf Konferenzen oder am Kaffeeautomaten, in den Raucherbereichen oder im firmeneigenen Fitnessstudio.
Alternativen finden
Und wenn der Weg nach oben momentan versperrt ist, braucht man nicht gleich an sich zu zweifeln. "Statt sich frustrieren zu lassen, hilft es, sich Zwischenschritte oder Alternativen zu suchen", so Bölke. Ambitionierte Angestellte können beispielsweise ein Projekt übernehmen, ein Team leiten, einer Arbeitsgruppe oder einem Branchenverband beitreten, Vorträge halten oder an einen anderen Firmenstandort wechseln.
Oder man absolviert eine Fortbildung. In einer IHK-Umfrage unter 11.000 Absolventen von diversen Weiterbildungsprüfungen gaben 70 Prozent an, anschließend aufgestiegen zu sein. Wie wär's also mit dem Projekt-Management-Seminar, mit einer Itil-Zertifizierung, einem Crashkurs in Business English?
Auch Dell hat viele Kurse besucht, um dorthin zu kommen, wo sie ist. Und sie musste reichlich Mobilität beweisen - genauer gesagt fünf Städte in vier Jahren: Bielefeld, Hannover, Frankfurt, Budapest, Darmstadt. Entspannt zurücklehnen kann sie sich dennoch nicht. "Das IT-Umfeld und die Unternehmenskultur entwickeln sich so rasant", sagt sie, "da hört die Weiterentwicklung nie auf."
Überholspur statt Sackgasse
Jürgen Lürssen, BWL-Professor an der Universität Lüneburg und Autor (Die heimlichen Spielregeln der Karriere: Wie Sie die ungeschriebenen Gesetze am Arbeitsplatz für Ihren Erfolg nutzen, Campus Verlag, 2010) erklärt, wie man aus der gefühlten Sackgasse im Job wieder herauskommt.
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Initiative ergreifen. Niemand sollte darauf warten, entdeckt zu werden. Jeder ist für die eigene Performance selber verantwortlich. Manche Leute werden deshalb nicht mehr gefördert, weil ihnen einfach nicht mehr Karrierepotenzial zugetraut wird. Anderen fehlen wichtige Voraussetzungen, um weiterzukommen - zum Beispiel Mobilität, Führungstalent oder Biss. In wieder anderen Mitarbeitern steckt mehr - doch sie können es nicht richtig zeigen. Auch sie stecken dann zeitweilig in einer gefühlten Sackgasse.
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Zielgruppe erkennen. Der direkte Vorgesetzte ist immer die Schlüsselfigur für die eigene Karriere. Er ist der Kunde für die Arbeitsleistung seiner Mitarbeiter. Und wenn der Kunde nicht zufrieden ist, muss der Mitarbeiter dafür sorgen, dass sich das ändert. Dazu sollte er herausbekommen, auf welche Dinge der Vorgesetzte Wert legt. Und in diesen Dingen sollte er Höchstleistungen an-streben. Andere Bereiche kann er ruhig vernachlässigen.
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Schönwetter machen. Ein gutes persönliches Verhältnis zum Chef ist wichtiger, als viele denken. Wenn der Boss einem Mitarbeiter wohl gesonnen ist, wird er dessen Arbeitsleistung viel eher schätzen. Das war schon zu Schulzeiten so. Denken Sie an die Lieblingsschüler des Lehrers. Der Trick besteht darin, sich gut mit ihm zu stellen, ohne dass er es als Schleimen ansieht. Denn viele Chefs reagieren allergisch auf Einschleimversuche.
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Neustart wagen. Wer gar nicht mit seinem Chef klar kommt, sollte sich einen anderen suchen. Denn nur so wird man beweisen können, was in einem steckt. In großen Unternehmen kann man sich oftmals in eine andere Abteilung bewerben. Falls man gleichzeitig das Arbeitsgebiet wechseln will, könnte man ebenfalls innerhalb der Firma fündig werden. Ansonsten sollte man das Unternehmen wechseln und dort die eigenen Potenziale unter Beweis stellen.