Video als Herausforderung für das Corporate Network

So halten Sie Ihr WAN fit

14.07.2010 von Jürgen Hill
Mit den Videoanwendungen kommt auf die Netze eine neue Last zu. Wir zeigen, wie IT-Administratoren diese Herausforderung ohne Bandbreiten-Upgrade per WAN-Optimierung meistern können.
Mit neuen Anwendungen wie Videoconferencing gewinnt die WAN-Optimierung an Bedeutung, verspricht sie doch mehr Performance ohne teures Bandbreiten-Upgrade.

Ständigen Leidensdruck sind die Netzverantwortlichen im Zeitalter der Echtzeitkommunikation via IP-Netz gewohnt. Kaum haben sie das geschwätzige CIFS-Protokoll (Common Internet File System) in den Griff bekommen und die Sprachkommunikation per IP-Pakete (VoIP) im Zuge der WAN-Optimierung gebändigt, da kommt mit Video der nächste Performance-Fresser auf sie zu. Auch wenn der Übertragungsbedarf nicht so explodieren wird wie im Consumer-Umfeld, werden Videoconferencing oder -learning im Enterprise Network ihren Tribut fordern. Anders als die Carrier können Netzverantwortliche nicht einfach die Tarife für eine Verkehrsart erhöhen. Auch das Instrument der unterschiedlichen Serviceklassen (Quality of Service = QoS) ist für sie ein eher stumpfes Schwert, wenn sie diese erst bei ihrem Netzbetreiber einkaufen müssen.

Also gilt es, das Weitverkehrsnetz nach Möglichkeit zu optimieren. Doch das ist nicht einfach: Für Videoapplikationen sehen Experten kaum Verbesserungsmöglichkeiten auf WAN-Seite. "Effiziente Optimierungen müssen auf der Ebene des Videocodecs ansetzen", meint etwa Christian Lorentz, Manager bei Riverbed. Ähnlich sieht es Martin Walzer, Manager Systems Engineering bei Blue Coat Systems. Für Anwender hat er einen grundsätzlichen Tipp in Sachen Videooptimierung parat: "Um Engpässe im WAN zu vermeiden, sollte nur die Übertragung von Videos oder Streams gestattet werden, die für das eigene Unternehmen von Bedeutung sind. In der Praxis löst bereits diese Maßnahme die allermeisten Probleme in Bezug auf Bandbreitenengpässe durch Videoverkehr."

Darüber hinaus gibt es einige Möglichkeiten, die Videoübertragung zu optimieren. So entlastet das lokale Cachen oft abgerufener Videoinhalte die WAN-Strecken. Ein anderer Ansatz ist, bei Liveübertragungen (etwa der Video-Ansprache des CEO) die Zahl der Streams im WAN mithilfe des Stream-Splittings auf einen zu begrenzen. So wird der Stream nur einmal über das WAN transportiert und entlastet damit die Weitverkehrsstrecken. Vor Ort wird dann am jeweiligen Standort der Stream für die einzelnen Teilnehmer aufgesplittet.

Techniken zur WAN-Optimierung

  • Komprimierung,

  • Caching/Proxy,

  • Protokoll-Optimierung,

  • Traffic Shaping,

  • Bandbreiten-Management,

  • Multimedia-Optimierung,

  • Optimierung von SSL-Verbindungen.

Die genannten Methoden greifen allerdings nicht, wenn es sich um eine Punkt-zu-Punkt-Video-Kommunikation in Echtzeit handelt. Hier sind nach wie vor die klassischen WAN-Optimierungsverfahren die erste Wahl, um im eigenen Netz gewisse Servicequalitäten zu schaffen und die Latzenzzeiten zu verkürzen. Damit können Reserven im Netz freigesetzt werden, um auch neue Anwendungen ohne teures Bandbreiten-Upgrade zu betreiben. Allerdings gibt es kein Patentrezept, welches Verfahren einzusetzen ist, da dies jeweils von der realen Anwendungsumgebung abhängt.

Mehr Performance ohne Bandbreiten-Upgrade

Ein Ansatz, um die WAN-Verbindungen zu entlasten, ist das Caching. Ziel ist hierbei, nur noch Informationen zu übertragen, die auch wirklich geändert wurden. Grundsätzlich unterscheidet man dabei zwischen zwei Arten: dem Objekt- und dem Byte-Caching. Während das Objekt-Caching auf der Ebene von Bildern, Dateien oder Textbausteinen ansetzt und hier Redundanzen sucht, arbeitet das Byte-Caching auf Bit-Ebene. Es versucht, Datenmuster zu erkennen und zu optimieren. Anstelle der längeren Datenmuster werden dann nur noch Platzhalter (Tokens) übertragen.

Die Optimierung geschwätziger Protokolle wie CIFS ist ein Ansatzpunkt, um das WAN für neue Anwendungen fit zu machen.

Immer noch eine große Herausforderung im WAN ist CIFS. Das Common Internet File System wurde 1996 von Microsoft als erweiterte Version des Protokolls Server Message Block (SMB) eingeführt. Da es den typischen Office-Anwendungen zugrunde liegt, ist es in fast jedem Netz anzutreffen. Das Problem ist, dass CIFS in dem Ruf steht, unnötigen Datenverkehr zu erzeugen. Ferner arbeitet das Protokoll auf langen Strecken sowie schmalbandigen Übertragungswegen sehr ineffizient. Für die meisten Unternehmen bietet sich hier im Zuge einer Protokolloptimierung das meiste Potenzial. Dabei wird entweder unnötiger Overhead entfernt oder das Sendeverhalten verbessert.

Doch CIFS ist nicht der einzige Problemfall. Viele Protokolle entstanden noch zu Zeiten, als selbst im LAN eine störungsfreie Übertragung nicht selbstverständlich war. Deshalb transferieren sie ihre Informationen lediglich seriell, also nacheinander, und warten jeweils auf eine Bestätigung der Gegenstelle, ob diese das Paket fehlerfrei erhalten hat. Auf langen Verbindungen wie etwa von Europa nach Asien führt dies zu langen Antwortzeiten und damit einer trägen Reaktion der Applikationen. Die heutigen Übertragungsmedien sind wesentlich zuverlässiger, sodass diese Bestätigungen eigentlich unnötig sind. Deshalb werden im Zuge der Protokolloptimierung mehrere Pakete parallel übertragen, was die Antwortzeiten erheblich verkürzt.

Im Zuge solcher Optimierungsmaßnahmen sollten Unternehmen gleichzeitig ihre SharePoint-Installationen überprüfen, wie Riverbed-Manager Lorentz rät. Seine Erfahrung ist, dass in den meisten Netzen eine Zusammenarbeit über SharePoint ohne WAN-Optimierung nicht funktioniert, da dem Weitverkehrsnetz die nötige Performance fehlt.

Im Zuge der weiteren Einführung von Web-Anwendungen und der Realisierung von Software as a Service gewinnt auch das Thema SSL-Optimierung an Bedeutung, da die Übertragung meist mit diesem Protokoll abgesichert ist. Soll die zu übertragende Datenmenge optimiert werden, müssen diese Informationen im laufenden Betrieb ver- und entschlüsselt werden. Für die Sicherheit ist dabei der Ort der WAN-Optimierung entscheidend. Schließlich sollen die Zertifikate und Schlüssel, die zur SSL-Optimierung benötigt werden, geschützt bleiben.

An der Applikation selbst setzen das Traffic Shaping und Bandbreiten-Management an. Mit Hilfe des Traffic Shaping sollen bestimmte Muster im Datenstrom erkannt werden und ihre Übertragung, wenn sie etwa zu unerwünschten Applikationen gehören (etwa BitTorrent oder YouTube), geblockt werden. Das Bandbreiten-Management definiert dagegen Regeln, wann welche Applikation wie viel Übertragungsressourcen verbrauchen darf. Für VoIP könnte etwa eine Bandbreite definiert werden, um sicherzustellen, dass mindestens zehn gleichzeitige Telefonate von einer Niederlassung geführt werden können, oder Videoconferencing erhält eine definierte Bandbreite, um eine bestimmte Qualität zu garantieren.

Mit WAN-Optimierung lassen sich also die neuen Anforderungen an die Netze durchaus in den Griff bekommen. Dennoch sollten IT-Verantwortliche darüber nachdenken, ob die Videoanwendungen nicht Anlass zu einer neuen strategischen Einschätzung des Unternehmensnetzes geben könnten: Ist es wirklich noch das "einfache" Transportnetz für Daten und Mails? Oder soll es bereits als Application Delivery Network (ADN) geschäftskritische Applikationen beschleunigen, was weitergehende Schritte erfordert?