Achtung bei der Provider-Wahl

So erkennen sie faule Outsourcing-Deals

22.09.2011 von Heinz Schick
Es gibt Provider, die um jeden Preis einen Sourcing-Deal gewinnen wollen. So werden Verträge mit erstaunlich geringen Kosten abgeschlossen. Ein gutes Angebot?

Es gibt Outsourcing Provider, die um jeden Preis einen Sourcing-Deal gewinnen wollen. So werden Verträge mit erstaunlich geringen Kosten für den Anwender abgeschlossen. Was im ersten Moment wie ein guter Verhandlungserfolg mit hervorragenden Einsparpotenzialen aussieht, entpuppt sich im Nachhinein als Mogelpackung. Die versprochene oder erwartete Preissenkung tritt nicht ein.

Die Qualität der Leistungen erfüllt nicht die Erwartungen. Die Partnerschaft beschränkt sich darauf, möglichst viel Geld aus dem Anwender durch "notwendige" Zusatzleistungen während der Vertragslaufzeit herauszuholen. Ist der Vertrag einmal geschlossen, hängt der Anwender in den Fängen des Providers. Was können Anwender dagegen tun?

Anwender müssen die Hinweise auf einen nachteiligen Outsourcing Deal möglichst frühzeitig erkennen und gegensteuern. Aber wie kann ein Anwender faule Deals erkennen und rechtzeitig die Reißleine ziehen?

So erkennen sie faule Deals
So erkennen sie faule Deals:
Wenn nur eine der folgenden Fragen mit "Ja" beantwortet werden kann, ist Vorsicht geboten
Frage 1:
Wurde eine deutliche Preissenkung nach Abschluss der regulären Preisverhandlungen angeboten?
Frage 2:
Hat der Provider erkennen lassen, dass er den Deal um jeden Preis haben möchte?
Frage 3:
Wendet sich das Management des Providers direkt an den Geschäftsführer/Vorstand und umgeht den vorgegebenen Weg?
Frage 4:
Ist die Delivery-Einheit des Providers nicht über die Preisnachlässe informiert?
Frage 5:
Handelt es sich angeblich um Marketing Gelder?
Frage 6:
Existieren in den Services Schlupflöcher für zusätzlich abrechenbare Leistungen?
Frage 7:
Wurden Benchmarks während der Vertragslaufzeit abgelehnt?

Risiko 1: Last-Minute Angebote

Nach Abschluss der Preisverhandlungen unterbreitet der unterlegene Provider der Geschäftsleitung des Anwenders (nicht der Verhandlungsführung) ein Angebot, das 20 - 40 Prozent unter seinem finalen Angebot liegt. Der Provider erklärt, dass er nachträglich Marketinggelder locker machen konnte, die in die Preiskalkulation eingerechnet werden könnten. So habe er dem Kunden bei gleicher Leistung bessere Konditionen anbieten können.

Bewertung:

Kein Provider wird es sich erlauben, in den Vertragsverhandlungen nicht das bestmögliche Angebot abzugeben, sofern er ernsthaft an einem Auftrag interessiert ist. Das Verhalten des Providers muss deshalb als unseriös eingestuft werden.

Fallbeispiel:

Foto: Fotografiedk, Fotolia.de

Der Anwender ging auf das Angebot des Providers ohne zusätzliche Absicherung ein. Die Folge war, dass er innerhalb der Vertragslaufzeit für zusätzliche Leistungen überhöhte Preise zahlte. Im Rahmen der Transition wurden weitere Zusatzleistungen in Rechnung gestellt, von denen der Anwender zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses angenommen hatte, dass sie Vertragsbestandteil seien. Nicht exakt definierte Services wurden ausgenutzt, um zusätzlichen Umsatz zu generieren. Der erhoffte Einspareffekt war nach drei Jahren gleich Null.

Empfehlung:

Lassen Sie die Finger von solchen Last-Minute Angeboten. Wenn Sie dennoch darauf eingehen, sorgen Sie dafür, dass die Verträge wasserdicht sind und keine versteckten Kosten auf Sie zukommen. Holen Sie sich bei erfahrenen Outsourcing-Experten Rat, was zu tun ist.

Risiko 2: Services und Service Level

Der Provider erklärt, dass exakte Definitionen der Services und der Service Level zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht notwendig seien. Man werde sich in der Transition schon auf brauchbare Definitionen und Regelungen einigen können.

Gerne verweisen Provider darauf, dass sie ja nicht hinreichend über das Business des Kunden informiert seien und erst Erfahrungen sammeln müssten, bevor die Service Level "scharf" geschaltet werden könnten.

Bewertung:

Glauben Sie keinem Provider, der sagt, man werde sich schon auf geeignete Servicedefinitionen und Service Level nach Vertragsabschluss einigen. Das kann nicht gut gehen, da der Provider ja nicht weiß, welche Leistungen er exakt erbringen soll. Wie will er dann dafür einen Preis im Vertrag festlegen können?

Fallbeispiel:

Der Anwender definierte die Services nur grob. Im Laufe der Transition wurden vom Provider immer mehr Leistungen definiert, die aus seiner Sicht nicht Vertragsbestandteil waren und deshalb separat zu entlohnen seien. Hinzu kam, dass die Services aus Providersicht definiert wurden und nicht zum schnelllebigen Geschäft des Kunden passten. Die Folge war, dass der Vertrag nach 2 Jahren rückgängig gemacht wurde.

Empfehlung:

Definieren Sie Services und Service Level, die für Ihr Unternehmen geeignet sind. Und definieren Sie gut. Denn von der Güte der Definitionen hängen später die Leistungen ab. Sie sollten sich immer fragen: Welche Leistung soll der Provider liefern, wenn sie ihm nicht detailliert sagen, was sie haben wollen?

Risiko 3: Benchmarks

Foto: Weim, Fotolia.de

Der Provider verweigert Preisbenchmarks mit dem Hinweis, dass er ja eine individuelle Leistung erbringe, die nicht vergleichbar mit Standards sei. Zusätzlich wird angeführt, dass Leistungsvergleiche nicht der Qualitätssteigerung dienen, sondern nur zur "Preisdrückerei" genutzt würden.

Bewertung:

Benchmarks sind ein erprobtes Mittel, um Marktentwicklungen in den eigenen Vertrag zu übernehmen und dem Provider Druck zu machen, sich am Markt zu orientieren.

Fallbeispiel:

Viele Kunden haben immer noch keine Benchmarks in ihren Verträgen vorgesehen. Die Folge ist, dass Marktentwicklungen nicht im eigenen Unternehmen abgebildet werden können.

Empfehlung:

Nehmen Sie immer einen Benchmark in Ihre Providerverträge auf, auch wenn sie nicht beabsichtigen sie zu nutzen. Sie haben damit immer ein schlagkräftiges Argument in der Hinterhand, wenn der Vertrag mal wieder nicht "gelebt" wird. Es gibt heute sehr gute Benchmarks, die Preis, Leistung, Qualität, Marktentwicklung, Innovation, Sicherheit oder Governance bewerten können.

Risiko 4: Pönale

Der Provider akzeptiert keine oder nur wenige Vertragsstrafen bei Schlechtleistung mit dem Hinweis, dass er dann den günstigen Preis nicht halten könne, da er die Risiken mit einpreisen müsse.

Provider tun sich in Vertragsverhandlungen fast immer schwer, Vertragsstrafen (Pönale) bei Service Level Abweichungen zu akzeptieren. Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, dass der Provider für seine Leistungen einsteht.

Bewertung:

Gut definierte Pönalen sind zwingend erforderlich, um dem Provider bei Schlechtleistung Paroli bieten zu können. Wirkungsvolle Exit-Szenarien sorgen für zusätzlichen Druck auf den Provider.

Fallbeispiel:

Ein mittelständischer Kunde hatte in seinem Vertrag auch Pönalen aufnehmen lassen. Die Berechnung der Pönale war mit einer Formel geregelt, die offensichtlich niemand nachgerechnet hatte. Bei einer Überprüfung kam heraus, dass mit dieser Formel niemals eine Pönale gezahlt werden müsste. Es mag dann nicht verwundern, dass der Vorschlag für die Pönale vom Provider kam.

Empfehlung:

Vereinbaren sie für jeden Service Level eine geeignete Pönale. Die Betonung liegt hierbei auf "jeden". Legen Sie die Messmethode und die Messgrößen sorgfältig fest. Je komplizierter die Formeln sind, desto fehleranfälliger sind sie. Ein Service Level ohne Pönale sollte in keinem Sourcing-Vertrag vorkommen. Wie wollen sie sonst die Nichteinhaltung sanktionieren?

Risiko 5: Steuerung

Der Provider übernimmt vom Anwender die komplette IT einschließlich der Steuerung.

Bewertung:

Wer die Steuerung eines Sourcing Deals aus der Hand gibt, darf sich nicht wundern, wenn der Provider dies als Gelddruckmaschine betrachtet.

Fallbeispiel:

Der Vorstand eines Unternehmens mit mehr als 50.000 Mitarbeitern hatte die "herausragende" Idee, die komplette IT an einen Provider zu verkaufen und die Leistungen dann wieder einzukaufen. Leider stellte sich heraus, dass er auch das komplette IT-Management mit verkauft hatte. Die Folge war, dass eine Kontrolle der Leistungen und eine passende Steuerung des Providers nicht möglich waren.

Empfehlung:

Geben Sie niemals die Steuerung eines Sourcing Deals aus der Hand.

So vermeiden sie faule Deals
So vermeiden sie faule Deals:
Es gibt Provider, die um jeden Preis einen Sourcing-Deal gewinnen wollen. So werden Verträge mit erstaunlich geringen Kosten abgeschlossen. Ein gutes Angebot?
Punkt 1:
Prüfen sie nachträgliche Preissenkungen nach Ablauf der regulären Preisverhandlungen besonders sorgfältig. Lassen sie sich nur dann darauf ein, wenn sie die Folgen mit hoher Sicherheit abschätzen können. In der Regel sind solche Angebote nicht seriös und kosten sie über die Laufzeit mehr Geld als sie sparen.
Punkt 2:
Definieren Sie alle Services und Service Level sehr sorgfältig bis ins Detail und vollständig. Verlassen Sie sich nicht auf Versprechungen, man könne das ja in der Migrationsphase erledigen. Das kann nur zu ihrem Nachteil sein, da nachträgliche Preisanpassungen nach oben die unweigerliche Folge sind - und sie können kaum etwas dagegen tun.
Punkt 3:
Während der Vertragsverhandlungen sollten Kontaktanbahnungen des Providers zur Geschäftsleitung unterbunden werden. Sie untergraben die Autorität der Verhandlungsführung und bringen schlechte Verhandlungsergebnisse, da die Geschäftsleitung die Details nicht kennt.
Punkt 4:
Holen sie sich juristische und fachliche Hilfe bei der Ausschreibung und den Vertragsverhandlungen. Nur so sind sie ein gleichwertiger Verhandlungspartner und können der Expertise des Providers auf Augenhöhe gegenübertreten.
Punkt 5:
Vereinbaren sie Benchmarks. Damit haben sie während der Vertragslaufzeit ein probates Mittel in der Hand, um den Provider zu angemessenen Preisen und hoher Qualität zu zwingen.
Punkt 6:
Vereinbaren Sie geeignete Maßnahmen bei Service Level Abweichungen. Das können Zahlungen bei Schlechtleistungen oder auch die teilweise oder vollständige Vertragsauflösung sein. Nur so sind sie in der Lage, den Provider zur Einhaltung der vereinbarten Service Level zu zwingen.
Punkt 7:
Geben sie niemals die Steuerung des Deals aus der Hand, weder in den Vertragsverhandlungen noch während der Vertragslaufzeit. Auch wenn IT-Personal zum Provider übergeht, müssen sie über geeignetes Management verfügen, um die Arbeit des Providers kontrollieren zu können. Manche Anbieter locken damit, auch die Steuerung der IT zu übernehmen. Das ist dann so, als ob sich der Provider seine eigene Rechnung schreibt.