Die rechtlichen Aspekte der IT-Sicherheit, Teil 3

So archivieren Sie E-Mails revisionssicher

08.03.2010 von Bettina Dobe und Karin Quack
Horst Speichert gibt in seinem IT-Rechtsleitfaden Tipps zum Umgang mit IT-Sicherheit im Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Systemschutz. Im dritten Teil geht es um das revisionssichere Archivieren von E-Mails.

Die Umstellung auf elektronische Kommunikationsformen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die umfangreichen gesetzIichen Archivierungspflichten aus dem Handels- und Steuerrecht auch für die elektronische Buchung und den E-Mail-Verkehr gelten. In Unternehmen und Behörden müssen deshalb auf breiter Front Daten und elektronische Dokumente aufbewahrt werden, um den gesetzIichen Anforderungen zu genügen.

Fotolia, Ubi17
Foto: Fotolia, Ubi 17

Dabei verursachen Archivierungssysteme auch erhebliche Kosten. Die Orientierung an den gesetzlichen Aufbewahrungspflichten zeigt den gemeinsamen Nenner auf und trägt damit zur Kostenvermeidung bei.

Handelsrechtliche Aufbewahrungspflichten

- Jeder Kaufmann (GbR, GmbH, AG usw.) hat nach § 257 Abs. 1 HGB die Pflicht zur geordneten Aufbewahrung von geschäftlichen Unterlagen.

- Hierzu gehören Handelsbücher, Inventare, Eröffnungsbilanzen, Jahresabschlüsse, Konzernabschlüsse, Konzernlageberichte, empfangene und versandte Handelsbriefe, Buchungsbelege sowie die erforderlichen Arbeitsanweisungen und sonstigen Organisationsunterlagen. Nicht umfasst sind lediglich Unterlagen aus reinen Privatgeschäften.

- Dabei ist der Begriff des Handelsgeschäfts nach der Rechtsprechung des BGH weit definiert. Es genügt ein entfernter, lockerer Zusammenhang mit betrieblichen Interessen.

- Definition: Handelsbriefe sind alle Geschäftsunterlagen, die der Anbahnung, Durchführung oder Rückabwicklung von Handelsgeschäften dienen, z. B. Angebot, Annahme, Auftragsbestätigung, Mängelrüge, Arbeits- und Geschäftsverträge, Rechnungen, Kündigung usw.

- Definition: Buchungsbelege sind alle Unterlagen, die einzelne Geschäftsvorfälle dokumentieren und damit Grundlage der einzelnen Eintragung in die Geschäftsbücher und für die sonstigen Aufzeichnungen sind, § 257 Abs. 1 Nr. 4 HGB.

- Nicht nur postalische Briefe, sondern auch E-Mails, Faxe, Fernschreiben, Telegramme etc. können Handelsbriefe oder Buchungsbelege sein, wenn sie die genannten Definitionen erfüllen.

Zur Vereinfachung könnte auch die gesamte Geschäftskorrespondenz als aufbewahrungspflichtig eingestuft werden.

Steuerrechtliche Aufbewahrungspflichten

Daneben gelten steuerliche Aufbewahrungspflichten

- bzgl. sämtlicher kaufmännische Unterlagen von oben

- und sonstiger Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung bedeutsam sind, § 147 Abs. 1 AO.

Aufbewahrungsfristen

- Handels- oder Geschäftsbriefe, sowie alle sonstigen Unterlagen, soweit für die Besteuerung bedeutsam: 6 Jahre Aufbewahrungsfrist, § 147 Abs. 3 AO.

- Bücher, Jahresabschlüsse, Buchungsbelege: zehn Jahre Aufbewahrungsfrist, § 147 Abs. 3 AO.

- Rechnungen: zehn Jahre Aufbewahrungsfrist, § 14b Abs. 1 UStG.

- Fristenlauf: die Frist beginnt erst mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Eintragung gemacht, der Handelsbrief versandt wurde etc., läuft also in den meisten Fällen länger als sechs oder zehn Jahre.

- Ablaufhemmung: die Frist läuft nicht ab, solange die Unterlagen für die Besteuerung von Bedeutung sind, 147 Abs. 3 Satz 3 AO.

Sanktionen bei Verstößen

Die vorsätzliche Verletzung von gesetzlichen Aufbewahrungspflichten ist gemäß §§ 283 Abs. 1 Nr. 6,.283 b Abs. 1 Nr. 2 StGB mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bedroht. Objektive Bedingung für die Strafbarkeit ist gemäß §§ 283 Abs. 6,.283 b Abs. 3 StGB die infolge von Überschuldung erfolgte Zahlungseinstellung, Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse.

Bei Verletzung der steuerlichen Archivierungspflichten liegt keine ordnungsgemäße Buchführung vor und es droht u. U. eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen nach § 162 AO, die in den meisten Fällen zum Nachteil des steuerpflichtigen Unternehmens ausfallen wird.

Aufbewahrungsgrundsätze nach GoBS und AO

Mit Ausnahme der Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüsse, die in Papierform vorliegen müssen, können die Geschäftsunterlagen auch als Wiedergabe auf einem Bild- oder anderem Datenträger generiert und aufbewahrt werden. Hierfür gelten neben der AO die Grundsätze ordnungsmäßiger DV-gestützter Buchführungssysteme (GoBS) des Bundesfinanzministeriums vom 07.11.1995. Eine bestimmte Technologie für die einzusetzenden Datenträger ist nicht vorgeschrieben, möglich sind:

- Bildträger (Mikrofilm, Fotokopie), COM,

- maschinenlesbare Datenträger (Disketten, Magnetbänder, elektrooptische Speichermedien),

- Dokumenten-Managementsysteme,

- digitale Datenträger (CD-Rom, DVD), § 147 Abs. 2 AO.

Für die Archivierung der elektronischen Unterlagen (E-Mails) gelten verschiedene Grundsätze, die einzuhalten sind:

- Vollständigkeit (§ 146 I AO, § 239 II HGB)

- Richtigkeit (§ 146 I AO, § 239 II HGB)

- Zeitgerechtheit (§ 146 I AO, § 239 II HGB)

- Unveränderbarkeit (§ 146 IV AO, § 239 III HGB)

- Ordnung (§ 146 I AO, § 239 II HGB)

- Nachvollziehbarkeit (§ 145 I AO, § 238 I Satz 2 HGB)

Elektronische Betriebsprüfung nach GDPdU

Für den Behördenzugriff durch das Finanzamt (Betriebsprüfer) ist sicherzustellen:

- die jederzeitige Verfügbarkeit und Lesbarkeit, § 147 Abs. 5 AO

- Es besteht Vorlagepflicht des Steuerpflichtigen auf Verlangen der Behörde.

- Kostentragungspflicht des Steuerpflichtigen

- Außenprüfung durch Behörde möglich, Einsichtnahme im System des Steuerpflichtigen: nur Lesezugriff, keine Fernabfrage (Online-Zugriff)

- Es gelten die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU), am 16.07.2001 vom Bundesfinanzministerium erlassen.

Zugriffsmöglichkeiten nach der GDPdU bei elektronischer Betriebsprüfung:

- Z1: Unmittelbarer Zugriff - Inhouse-Prüfung unmittelbar im System des Steuerpflichtigen

- Z2: Mittelbarer Zugriff - Das Unternehmen oder ein beauftragter Dritter werten die Daten nach Vorgaben des Prüfers aus.

- Z3: Datenträgerüberlassung - Überlassung der Daten an den Prüfer auf einem geeigneten Medium

Wichtig: Es besteht freie Wahlmöglichkeit des Betriebsprüfers zwischen den verschiedenen Zugriffsmöglichkeiten, die er auch kumulativ ausüben kann. Ein Zugriffsrecht der Finanzverwaltung besteht jedoch nur bezüglich steuerrechtlich relevanter Unterlagen. Es dürfen also auch nicht zu viele Daten und Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Für die notwendige Trennung der Daten und Unterlagen ist das steuerpflichtige Unternehmen verantwortlich.

Elektronische Rechnungen

Der Vorsteuerabzug bei elektronischen Rechnungen ist nur mit einer qualifizierten digitalen Signatur nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 SigG möglich. Die übliche Geschäftspraxis, bloße pdf-Rechnungen zu versenden oder x-beliebige Signaturen zu verwenden, ist nicht ausreichend. In solchen Fällen sollte der Rechnungsempfänger eine postalische oder faxalische Rechnung nachfordern. Auch ein IP-Fax ist nicht ausreichend für den Vorsteuerabzug, erforderlich ist vielmehr ein sogenanntes Standard-Faxgerät, also ein klassisches Faxgerät bei Absender und Empfänger.

Die möglichen Folgen bei Nichtbeachtung dieser Maßgaben sind erheblich. Es können hohe Schäden eintreten, wenn die gezogene Vorsteuer vom Betriebsprüfer aberkannt wird und nachgezahlt werden muss. Überdies wird eine elektronische Rechnung, die den Vorsteuerabzug nicht ermöglicht, beim Kunden (= Rechnungsempfänger) zu großer Unzufriedenheit führen.

Archivierung im Eigeninteresse

Neben Handels- und Steuerrecht existieren eine ganze Reihe weiterer Aufbewahrungspflichten. Nachfolgend seien nur einige beispielhaft aufgezählt:

- Aufbewahrungspflichten enthalten alle gesetzlichen Bestimmungen, die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung gewähren, so etwa §§ 259, 666, 667 BGB.

- Vorlegungspflichten im Prozess: bei Verletzung von Aufbewahrungspflichten droht Prozessverlust; bei Fristsetzung des Gerichts muss ein rechtzeitiger Zugriff auf die Archivdaten gewährleistet sein, ansonsten droht Präklusion bezüglich der Darlegungs- und Beweismöglichkeiten.

- Beweislast im Prozess: bei Verletzung von Aufbewahrungspflichten nach § 444 ZPO durch Beseitigung von Beweisunterlagen wird ohne Beweisverfahren der vom Gegner behauptete Vortrag als bewiesen angesehen.

- Voraussetzung einer ordentlichen Geschäftsführung ist grundsätzlich die Erfüllung von Aufbewahrungs- und Archivierungspflichten - etwa die gesamte geschäftlich bedeutsame E-Mail-Korrespondenz, Protokolle von Meetings, Entwürfe und Notizen aller Art etc. - die im juristischen Streitfalle gebraucht werden könnten. (oe)

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Beitrag
Die rechtlichen Aspekte der IT-Sicherheit - Teil 1: Haftungsanfragen rund um die IT-Sicherheit
Die rechtlichen Aspekte der IT-Sicherheit, Teil 2: Risiko-Management und IT-Compliance - das sollten Sie wissen


Der Autor Horst Speichert ist Rechtsanwalt in der Kanzlei esb in Stuttgart mit Spezialgebiet Neue Medien, EDV-Recht, IT-Vertragsgestaltung, IT-Security und Datenschutz, Fachbuchautor, Ausbilder für Datenschutzbeauftragte und Lehrbeauftragter für Informationsrecht an der Universität Stuttgart.

Kontakt:

E-Mail: horst@speichert.de, Internet: www.speichert.de

Hinweis:

Der IT-Rechtsleitfaden wurde 2009 von Rechtsanwalt Horst Speichert in Zusammenarbeit mit der Blue Coat Systems GmbH erstellt. Eine Kopie des Dokuments kann über folgenden Link bestellt werden: www.bluecoat.de/resources/leitfaeden.php. Das Werk einschließlich aller Texte ist urheberrechtlich geschützt. Veröffentlichung und Vervielfältigung nur mit schriftlicher Genehmigung von Blue Coat Systems.