Usability, Cloud und neue Arbeitswelten

Smartphones und Tablets setzen neue Maßstäbe für Unternehmens-Software

23.06.2014 von Holger Eriksdotter
Bisher setzen erst wenige Unternehmen moderne Unternehmens-Applikationen aus der Cloud ein - aber mit stark wachsender Tendenz. Jan Friedrich, Projektleiter Cloud-Services beim ERP-Experten Sage Software, erklärt, warum Cloud-Lösungen besonders benutzerfreundlich sind und gerade beim Mittelstand so gut ankommen.
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Je kleiner das Unternehmen, desto attraktiver scheinen die Cloud-Lösungen zu sein: "Wir beobachten, dass Firmen mit wenigen Mitarbeitern bis hin zum unteren Mittelstand die Vorteile, die ihnen ERP-Lösungen aus der Cloud bieten, besonders schätzen", sagt Jan Friedrich, Marketingleiter des Geschäftsbereichs "Kleine und mittlere Unternehmen" (KMU) und Projektleiter "Cloud Services" beim Softwareanbieter Sage. Dabei stünden nicht mehr nur die betriebswirtschaftlichen Vorteile wie die Abrechnung nach Nutzung (pay-per-use), der Wegfall einer eigenen IT-Infrastruktur oder der niedrigere Aufwand für Implementierung und Wartung im Vordergrund: "Vor allem bieten Lösungen aus der Cloud zeitgemäße und einfach nutzbare Bedienoberflächen sowie den ortsunabhängigen Zugriff mit modernen Geräten wie Laptops, Smartphones und Tablets", erklärt der Sage-Manager.

Jan Friedrich, Marketingleiter des Geschäftsbereichs "Kleine und mittlere Unternehmen" (KMU) und Projektleiter "Cloud Services" beim Softwareanbieter Sage
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Denn die Zeiten - und vor allem die Erwartungen an die Bedienung von Software - haben sich in den letzten Jahren erheblich verändert. Mit dem Einzug von Smartphones, Apps und Tablets in fast jeden Privathaushalt gehört inzwischen die Mehrheit der Bevölkerung zu den regelmäßigen Nutzern moderner Technik. Die komfortable, jederzeitige und ortsunabhängige Verfügbarkeit leicht bedienbarer IT-Systeme ist fast zur Selbstverständlichkeit geworden.

Im Vergleich dazu wird die Unternehmens-IT oft als rückständig und technisch überholt empfunden. Denn fast überall sind die IT-Landschaften über Jahrzehnte gewachsen. Die Unternehmens-Applikation, gerade die besonders langlebigen ERP-System, basieren oft noch auf Legacy-Anwendungen mit dem Touch und Feel der achtziger Jahre.

Cloud Computing ist in den Unternehmen angekommen wie unsere Infografik zeigt.

Heute legen die Smartphone- und Tablet-geübten IT-Nutzer immer öfter die privat verfügbaren technischen Möglichkeiten als Maßstab an die IT-Systeme des eigenen Unternehmens an - und bringen die Unternehmen damit in Handlungszwang. Neben dem Druck globalisierter und dynamischer Märkte, unter dem die Unternehmen stehen, sind es jetzt zunehmend die Kunden, Geschäftspartner und nicht zuletzt die eigenen Mitarbeiter, die mehr Mobilität, Kollaboration und flexiblere Formen der Zusammenarbeit einfordern. "Das veränderte Anwendungsverhalten muss sich in neuen Usability-Konzepten widerspiegeln, die zum Beispiel Touch- oder zukünftig auch Sprach- oder Gestensteuerung berücksichtigt", so Cloud-Experte Friedrich.

Während große Firmen über die IT-Kompetenz und das Kapital verfügen, um eigene Privat Cloud Infrastrukturen aufzubauen, liegt es für kleine und mittelständische Unternehmen nahe, auf Online-Lösungen im SaaS-Modell (Software-as-a-Service) zurückzugreifen. Dabei gehen die neuen Anforderungen an die Technik mit einer sich ebenso schnell verändernden Arbeitswelt einher.

Jeder zweite Arbeitnehmer würde gern zu Hause arbeiten

Für die Studie "Zukünftige Arbeitswelten" hat der Software-Anbieter Sage Anwender nach ihre Wünschen und Präferenzen befragt - und ist dabei auf erstaunliche Ergebnisse gestoßen. So glauben zwei Drittel aller Befragten, dass sich die Trennung von Freizeit und Arbeit zukünftig noch weiter als bereits geschehen auflösen wird. Schon heute arbeiten 85 Prozent aller berufstätigen 18- bis 29-Jährigen zumindest gelegentlich auch außerhalb der Arbeitszeiten. Fast jeder zweite Arbeitnehmer würde am liebsten zu Hause arbeiten und jeder fünfte Befragte lässt sich sogar auf der Toilette durch einen Telefonanruf stören.

Die Abgrenzung von Arbeit und Freizeit ist unschärfer geworden
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Auch die Marktforscher der Experton-Group verzeichnen einen grundlegenden Wandel in der Enterprise-IT: "In den letzten Jahren haben sich signifikante Änderungen ergeben. So galten bis vor kurzem noch fest installierte Desktop-PCs als optimale Ausstattung von Büro- und Wissensarbeitern. Doch innerhalb weniger Jahre haben sich durch neue Endgeräte wie Smartphones und Tablets auf der einen Seite und neue Services sowie Apps auf der anderen Seite, die Anforderungen an die IT-Ausstattung maßgeblich geändert", schreiben die Experton-Analysten in dem Research Brief "Microsoft Cloud OS: Moderne Anwendungen - das neue Paradigma in der Welt der Applikationen".

Die IT-Verantwortlichen in den Unternehmen stünden deshalb zunehmend vor der Herausforderung, den sich ändernden Anforderungen gerecht zu werden. Notwendig seien ganzheitliche Systeme sowie Denkmuster, die die Interessen der Anwender, der IT-Abteilung und die des Unternehmens vereinen. "Cloud Computing ist das Rückgrat der modernen Anwendungen" konstatieren die Experton-Analysten. Denn um die benötigten Informationen und Applikationen geräteunabhängig bereitstellen zu können, benötigen die Unternehmen interne oder externe Infrastrukturen, die die jederzeitige Verfügbarkeit von Daten ermöglichen.

Hinter der Zunahme von Cloud Computing stehe der Trend zur Digitalisierung der Geschäftsprozesse und Geschäftsmodelle über nahezu alle Branchen hinweg. "Die neue Generation an Applikationen und digitalen Geschäftsprozessen bedingt neue, flexible IT-Infrastrukturen und Betriebsmodelle à la Cloud Computing" schreiben die Experton-Analysten in ihrem Research Brief. Dazu zählten insbesondere "moderne Anwendungen": "Die Möglichkeiten für den Einsatz scheinen nahezu grenzenlos. Beinahe jeder Arbeitsablauf, jeder Prozessschritt eines Wissensarbeiters kann durch diese neue Form der Anwendungen aufgewertet werden."

Verändertes Verständnis von Arbeit und Freizeit

Auch Cloud-Projektleiter Friedrich sieht das Cloud-Computing als Schlüssel für flexiblere und nutzerfreundlichere IT-Landschaften: "Cloud-Systeme bieten sich an, um die zunehmenden Erwartungen der Mitarbeiter und Geschäftspartner zu erfüllen, weil damit der 24/7-Betrieb sowie der ortsunabhängige Zugriff über mobile Engeräte Teil ihrer Konzeption und ohne zusätzlichen Aufwand oder Mehrkosten sofort verfügbar ist." Auch deshalb bietet Sage inzwischen eine ganze Reihe von ERP-, CRM- und Personalwirtschaftslösungen als Online-Software an. "Dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, bestätigt uns nicht nur die steigende Nachfrage unserer Kunden, sondern auch die Einschätzung von Marktanalysten. Im neuen Cloud Vendor Benchmark 2014 der Experton Group haben wir es inzwischen sogar in den Leader-Quadranten geschafft", freut sich Sage-Manager Friedrich.

Mittelständler können heute auf ein großes Angebot an Cloud-Services zurückgreifen
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Allerdings befindet sich diese Entwicklung noch in der Anfangsphase. Und gerade bei der ERP-Lösung als Kernanwendung eines Unternehmens sehen viele Marktbeobachter noch starke Widerstände, dieses wichtige System aus dem Haus zu geben. "Aber das ist auch ein bisschen eine Generationsfrage", sagt Sage Deutschland-Geschäftsführer Peter Dewald. Während der IT- oder RZ-Leiter alten Schlages noch gern die Hand auf den Server legt, auf dem sein ERP-System läuft, weil ihm das ein Gefühl der Sicherheit vermittelt, gebe es bei jungen Start-Ups kaum mehr die Bereitschaft, überhaupt eine eigene IT-Infrastruktur anzuschaffen und zu betreiben. "Gerade junge Unternehmer, die mit Notebooks, Tablets und Smartphones eng vertraut sind, bevorzugen in der Regel Lösungen aus der Cloud - gerade wegen ihres veränderten Verständnisses von Arbeit und Freizeit."

Zwar macht Software-Anbieter Sage bisher nur vier Prozent seines Umsatzes mit Lösungen aus der Cloud - aber mit deutlich zunehmender Tendenz: "Mit Zuwachsraten von 45 Prozent im letzten Jahr ist das Geschäft mit Online-Lösungen das mit Abstand am stärksten wachsende Segment", sagt Sage-Manager Friedrich. Die Marktbeobachter der Experton-Group sehen das ähnlich: "Der Cloud-Markt hat im Jahr 2013 eine wichtige Hürde genommen. So flossen erstmals rund 5 Prozent der gesamten IT-Ausgaben und Investitionen im B2B-Markt in Cloud Technologien, Beratung und Services." Für 2014 prognostiziert die Experton Group weiteres Wachstum in Deutschland. Der Markt wird sich dann auf 6,95 Milliarden Euro entwickeln.