Six Sigma zahlt sich auch in der IT aus

21.08.2007 von Axel Hochstein
Mit der Qualitätssicherungsmethode lassen sich die Kosten senken, die durch mangelnde Sorgfalt entstehen (Cost of Poor Quality).

Vorläufer von Six Sigma wurden schon in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eingesetzt – im japanischen Schiffsbau. Doch die eigentliche Qualitätssicherungsmethode geht auf die Mitte der 80er Jahre zurück. Sie wurde ursprünglich von Motorola entwickelt, um die Qualität der Produktionsprozesse sicherzustellen So kam Six Sigma anfangs auch nur in den Produktionsbereichen zum Einsatz. Erst in den 90er Jahren hielt die Methode im Dienstleistungsbereich Einzug (siehe auch: "Firmen verlieren die Scheu vor Six Sigma")

Mitte des vergangenen Jahrzehnts definierte der CEO von General Electric, Jack Welch, die Prozessverbesserung durch Six Sigma als Unternehmensphilosophie. In der Folge wendete General Electric die Methode zur Steuerung sämtlicher Unternehmensprozesse an. Dadurch sparte das Unternehmen innerhalb von fünf Jahren geschätzte fünf Milliarden Dollar ein (siehe auch: "Six Sigma – Geheimrezept für profitables Wachstum").

Das Ziel der Methode

Ziel von Six Sigma ist ein wirtschaftliches Qualitäts-Management.
Foto: Axel Hochstein

Lassen sich ähnliche Erfolge möglicherweise durch den Einsatz von Six Sigma in der Informationstechnik erzielen? Um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst notwendig, die Ziele der Methode sowie ihre vier grundlegenden Prinzipien oder Bausteine zu verstehen.

Bezogen auf die IT besteht das Ziel von Six Sigma darin, die Qualität beliebiger Services – seien es nun prozessneutrale wie Ticket Requests oder prozessspezifische wie die systemtechnische Abwicklung eines Kreditvergabeprozesses – gemäß bestimmter, aus Sicht des Anwenders definierter Qualitätskriterien und -werte wirtschaftlich zu verbessern. Dazu müssen für sämtliche im Servicekatalog aufgeführte IT-Dienstleistungen zunächst die anwenderrelevanten Qualitätskriterien erhoben werden.

"Wirtschaftliche Verbesserung" bedeutet, dass Maßnahmen zur Qualitätsverbesserung nur dann umgesetzt werden, wenn die dafür notwendigen Aufwände nicht höher sind als die Kosten, die durch die schlechte Qualität entstehen.

Dazu ein Beispiel: Eine Maßnahme zur Steigerung der Qualität im Kreditvergabeprozess ist mit sehr hohem Aufwand verbunden; die nicht den Anforderungen des Anwenders entsprechende Qualität der Prozessunterstützung zieht hingegen nur geringe Entschädigungskosten nach sich. In diesem Fall kann es aus Gründen der Wirtschaftlichkeit sinnvoll sein, die teure Maßnahme nicht umzusetzen. Es gilt also, das Kostenminimum zu erreichen.

Die vier grundlegenden Konzepte

Six Sigma lässt sich auf vier Prinzipien zurückführen. Im Einzelnen sind das:

Die Vorgehensweise von Six Sigma basiert auf dem "DMAIC-Zyklus". Der Name setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Projektphasen Define, Measure, Analyse, Improve und Control zusammen. Ausgehend von den – aus Anwendersicht definierten – Qualitätskriterien und -werten werden sämtliche Prozesse untersucht, die für einen IT-Service (beispielsweise einen Itil-konformen Incident-Management-Prozess beim Ticket Request oder eine Schufa-Abfrage bei der Kreditvergabe) notwendig sind. Insbesondere wird dabei ihr Einfluss auf die Qualität bestimmt.

Um mögliches Verbesserungspotenzial erkennen und gegebenenfalls die notwendigen Maßnahmen einleiten zu können, muss der Ist-Zustand der Prozesse hinsichtlich der Einflussfaktoren gemessen und mit dem Soll-Zustand abgeglichen werden. Dann gilt es, die Ursachen der Abweichung zu analysieren. Daraus lassen sich dann Verbesserungsmaßnahmen ableiten und gegebenenfalls initiieren.

Auch für noch nicht implementierte Prozesse

Typische Six-Sigma.Projekte sind auf drei Monate ausgelegt. Dieser überschaubare Betrachtungszeitraum verringert die Komplexität auf ein verwaltbares Maß. Umfangreichere Projekte werden deshalb in kleinere Teilprojekte unterteilt, die sich innerhalb von drei Monaten abschließen lassen.

Der DMAIC-Zyklus ist nur auf Prozesse anwendbar, die bereits implementiert wurden. Aber Six Sigma lässt sich auch an die Umsetzung neuer Abläufe, beispielsweise die Einführung von Itil-Prozessen, anpassen – mit Hilfe des DMADV-Zyklus (Define, Measure, Analyze, Design, Verify). Die ersten drei Phasen verlaufen genau so wie in DMAIC. Doch in den anschließenden Phasen Design und Verify werden neue Abläufe entwickelt und getestet statt verbessert und kontrolliert.

Werkzeuge erleichtern das Vorgehen

In den einzelnen Phasen des DMAIC- beziehungsweise DMADV-Zyklus lassen sich unterschiedliche Werkzeuge nutzen. Sie helfen, das gewünschte Ziel zu erreichen, und erleichtern das Vorgehen. Zum Teil handelt es sich dabei um Konzepte, die schon in den 60er-Jahren für das Qualitäts-Management zum Einsatz kamen. Das Ishikawa-Diagramm wurde sogar schon in den 50er Jahren entwickelt.

Six Sigma stellt die Verwendung der einzelnen Instrumente in einen zeitlichen Zusammenhang und bestimmt deren Eignung für die unterschiedlichen Projektphasen. Das gesamte Six-Sigma-Toolset umfasst etwa 40 Werkzeuge.

Statistische Verfahren zur Quantifizierung

Zusätzlich zu den etablierten Instrumenten des Qualitäts-Managements basiert Six Sigma auf der Verwendung statistischer Verfahren. Sie sind notwendig, um die Qualitätskriterien quantifizieren zu können. So beschreibt der statistische Begriff "Sigma" die Standardabweichung von einem Mittelwert. Dieser Mittelwert steht für die aus Sicht des Anwenders optimale Qualität eines IT-Service. Ob ein bestimmter Dienst als fehlerhaft eingeordnet wird, hängt davon ab, wie stark er von diesem Mittelwert abweicht.

Der Anwender definiert einen Toleranzbereich, innerhalb dessen die Qualität des IT-Service akzeptabel ist. Zum Beispiel soll die gewünschte Traveltime einer E-Mail eine Minute pro Megabyte betragen; damit ist also der Mittelwert bestimmt. Eine Abweichung von zehn Sekunden pro Megabyte nach oben gehört laut Definition noch in den Toleranzbereich. Also gelten nur E-Mails, die länger als 70 Sekunden pro Megabyte unterwegs sind, als fehlerhaft.

Je größer die Standardabweichung (das Sigma) einer bestimmten Menge von E-Mails von dem definierten Mittelwert ausfällt, desto mehr E-Mails sind fehlerhaft. Ein Wert von Six Sigma bedeutet, dass unter einer Million E-Mails genau 3,4 länger brauchen als eine Minute und zehn Sekunden pro Megabyte und damit fehlerhaft sind. Der Sigma-Wert vier hingegen heißt, dass bereits 6210 E-Mails unter einer Million fehlerhaft sind.

Mit Hilfe der Six-Sigma-Methode lässt sich nicht unbedingt immer eine Qualität im Wert von Six Sigma erzielen. Das ist auch nicht in jedem Fall sinnvoll. Bei einigen IT-Services kann ein niedrigerer Qualitätswert durchaus reichen, bei anderen wäre er immer noch zugering. Der geeignete Qualitätswert hängt, wie bereits angedeutet, davon ab, welche Qualität der Anwender wünscht und was es kostet, sie zu erreichen. (Einen Überblick über das Thema Six Sigma bietet auch der Artikel: "Die Welt von Six Sigma" auf dem QM-Infocenter des Hanser-Verlags".)

Schwarze und grüne Gürtel

Das Ausbildungskonzept von Six Sigma ordnet den Projektbeteiligten – in Anlehnung an asiatische Kampfsportarten – je nach ihrer Erfahrung und Verantwortung einen "Belt" (Gürtel) zu. Es gibt Master-Black-Belts, Black-Belts und Green-Belts. Dabei bilden die Master-Black-Belts die Master-Belts aus, während diese wiederum ihr Wissen an die Green-Belts weitergeben – nach dem Train-the-Trainer-Prinzip (siehe auch "Schwarzer Gürtel für Qualität"). Die Green-Belts sind typischerweise Mitarbeiter auf der operativen Ebene. Sie führen die mit Six Sigma analysierten Prozesse aus. Bei den Black-Belts handelt es sich um Prozessverantwortliche, die gleichzeitig als Projekt-Manager innerhalb von Six Sigma fungieren. Master-Black-Belts schließlich sind Consultants, die Six-Sigma-Projekte initiieren und begleiten. (qua)

Fazit

Six Sigma stellt eine umfangreiche Kollektion zum Teil schon bekannter Qualitätskonzepte und -methoden bereit. Diese werden durch den Six-Sigma-Ansatz in einen sinnvollen, pragmatischen und effektiven Zusammenhang gebracht. Mittlerweile ist die Methode auch in der IT auf Interesse gestoßen. Derzeit lassen sich die ersten Six-Sigma-Initiativen in IT-Organisationen beobachten. Sie zielen auf mehr Transparenz und Effektivität ab.