Quartalsbilanz der Siemens-Tochter

SIS stolpert weiterhin

31.07.2008 von Joachim Hackmann
Der jüngste Quartalsabschluss von Siemens IT Solutions and Services (SIS) findet keine Gnade vor den Augen der Ovum-Analysten.

SIS hat im dritten Geschäftsquartal 2008 leichte Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Die Einnahmen schrumpften minimal von 1,257 Milliarden auf 1,255 Milliarden Euro. Schwerer wiegt der Ergebnisrückgang. Das Ebit schrumpfte um drei Prozent von 66 Millionen Euro auf 64 Millionen Euro. Damit reduzierte sich die Marge auf 5,1 Prozent (Vorjahresquartal 5,3 Prozent). Der vom Konzern definierte Zielkorridor liegt zwischen fünf und sieben Prozent. SIS kann die Zielvorgaben damit knapp erfüllen. Immerhin legte der Auftragseingang ordentlich zu. Er verbesserte sich um neun Prozent auf 1,21 Milliarden Euro.

Weniger gut sehen die kumulierten Daten der ersten neun Monate des laufenden Geschäftsjahres aus. Der Umsatz fiel um zwei Prozent auf 3,861 Milliarden Euro. Das Ergebnis sackte um 42 Prozent auf 99 Millionen Euro. Die EBIT-Marge liegt damit nur noch bei 2,6 Prozent, also deutlich außerhalb des Zielkorridors. Verantwortlich dafür ist vor allem ein marodes Projekt in Großbritannien, das SIS die Bilanz des zweiten Geschäftsquartals verhagelte.

SIS-CEO Kollatz im Gespräch
Christoph Kollatz im CW-Interview
Erstmals hat sich der seit Herbst 2005 amtierende SIS-Chef Christoph Kollatz den Fragen der COMPUTERWOCHE gestellt. Den gelungenen Turnaround der jahrelang kriselnden SIS-Vorgängerorganisation SBS beschreibt er so: "Der Schwerpunkt liegt heute auf Segmenten, in denen wir traditionell stark vertreten sind. Wir haben Dinge in Ordnung gebracht, die in den Jahren zuvor nicht vollständig bereinigt worden waren. Dazu zählten einige notleidende Projekte. Zudem hatten wir Services im Portfolio, die wir nicht konkurrenzfähig betreiben konnten."
Der Umbau geht weiter
Der Turnaround ist geschafft, doch beständige Ruhe stellt Kollatz seinen Mitarbeitern nicht in Aussicht: "Den Umbau im Rahmen eines weltweiten Turnaround-Projektes - in dem es kracht und raucht - , haben wir Anfang letzten Jahres abgeschlossen. Aber das bedeutet nicht Stillstand. Im Gegenteil. Ein Unternehmen muss sich ständig den Märkten und technologischen Entwicklungen anpassen - und das gilt doppelt in einer schnelllebigen Branche wie unserer."
Alleinstellungsmerkmal durch Siemens-Kooperation
Die Stärke von SIS sieht der Manager in der engen Kooperation mit Siemens-Fachbereichen: "Unsere Strategie ist einzigartig. Wir kombinieren IT-Know-how mit dem Industrie-, Energie- und Medizingeschäft der anderen Siemens-Einheiten, die oftmals Weltmarktführer sind. Das kann kein anderer Wettbewerber."
Gemeinsame Projekte angestrebt
Zusammen mit den Siemens-Kernbereichen wurden bereits Vorhaben betrieben, etwa in der Ausstattung von zwei indischen Flughäfen. Die volle Leistungsfähigkeit steht der internen Partnerschaft noch bevor: "Meine persönliche Einschätzung ist, dass wir nach etwa drei bis fünf Jahren den ganzen Erfolg der jetzt angelaufenen Kooperationen ernten werden", sagt Kollatz.
Kunden goutieren Erfahrung
Mögliche Bedenken der Kunden, sie könnten aufgrund der engen Bindung von SIS an den Siemens-Konzern ins zweite Glied rutschen, zerstreut Kollatz: "Die Kunden wollen von den Erfahrungen profitieren, die SIS im Konzern gesammelt hat. Zudem verlängert in unserer Branche kaum ein Mitbewerber so häufig die Outsourcing-Verträge mit seinen Kunden – das spricht doch klar für Zufriedenheit."
SIS konkurriert nicht mit IBM und HP
Aus dem Größenwettbewerb mit führenden IT-Dienstleister wie IBM, EDS und HP ist SIS ausgestiegen: "Unser Ziel ist nicht ein Platz unter den weltweit größten drei IT-Dienstleistern. Aber wir haben durchaus den Ehrgeiz in ausgewählten Segmenten eine führende Stellung einzunehmen und sind überzeugt, dass wir als Anbieter mittlerer Größe dauerhaft Erfolg haben werden."
Services für den gehobenen Mittelstand
Großes Wachstum verzeichnet SIS in Osteuropa und einigen asiatischen Staaten. Doch der meiste Umsatz kommt nach wie vor aus Europa und Deutschland. Das SIS-Portfolio ist für große Unternehmen ausgelegt, schildert Kollatz: "Die Gruppe, die in der Zusammenarbeit mit Siemens IT Solutions and Services den größten Nutzen sieht, sind Kunden vom gehobenen Mittelstand aufwärts – dazu gehören natürlich auch internationale Konzerne."
SIS-Wachstum ist ungebrochen
Kollatz ist zuversichtlich, dass das auf Projekt- und Betriebsdienste ausgelegte Portfolio SIS weitgehend schadlos durch Krisenzeiten führt: "Wir können uns ein Stück weit von der allgemeinen Marktentwicklung abkoppeln. Einerseits ist in der gebeutelten Finanzbranche die Vergabe von kleinen Projekten stark rückläufig, weil die Budgets gekürzt wurden. Andererseits investieren Kunden stärker in das Outsourcing. Das zeigt, dass sich durch den Kostendruck in Zeiten der Bankenkrise auch neue Chancen ergeben."
SIS sucht Mitarbeiter
Angesichts der guten Entwicklung stellt SIS auch wieder ein. Gefragt sind erfahrene IT-Experten etwa im Business-Intelligence- und Product-Lifecycle-Umfeld. Für die vor wenigen Jahren entlassenen Kollegen dürfte das ein Affront sein: "Für uns hat Weiterbildung und Umschulung unserer Mitarbeiter immer erste Priorität. Der Abbau von Arbeitsplätzen ist für die Unternehmen immer die äußerste Lösung. Wir haben damals mit Mitarbeitern gesprochen um zu erfahren, wer das Potenzial und den Wunsch hatte, sich weiter zu entwickeln. Für andere haben wir eine sozialverträgliche Lösung gefunden", betont Kollatz.
Siemens reduziert IT-Budget
Der Mutterkonzern steuert heute rund 30 Prozent zu den Jahreseinnahmen von SIS bei. Dennoch fürchtet Kollatz die von Siemens angekündigten Kürzungen im IT-Budget nicht. "Siemens IT Solutions and Services ist auf Wachstum ausgerichtet. Es gibt sowohl bei Siemens als auch am externen Markt noch viele Möglichkeiten zu wachsen und Einschnitte an anderen Stellen mehr als auszugleichen."
Keine weiteren Pannenprojekte mehr
Zweifel an einer kontinuierlichen Entwicklung sind berechtigt, immerhin hat sich SIS in der Vergangenheit oft genug selbst ein Bein gestellt. Zuletzt musste der IT-Dienstleister hohe Verluste aus einem maroden Projekt mit dem britischen Arbeitsministerium einräumen. "Wir haben uns in Großbritannien alle wesentlichen Projekte noch einmal genau angeschaut. Wir erwarten keine weiteren Überraschungen. Auch weltweit haben wir die wichtigen Projekte geprüft und sind uns sicher, dass wir sie unter Kontrolle haben."

"SIS stehen schwierige Zeiten ins Haus, die Ziele für das ganze Jahr zu erfüllen", kommentierte Ovum-Analystin Cornelia Wels-Maug die jüngsten Geschäftszahlen. Das Management bleibe schmallippig, was wiederum wenig hilfreich sei, Zweifel an der SIS-Zukunft zu beseitigen, bemängelte sie. Die Umsatz-, Ergebnis- und Profitabilitätszahlen haben in den vergangenen Monaten gelitten, eine Ausnahme bildet lediglich der Auftragseingang. Die Ebit-Marge für das Gesamtjahr in den Zielkorridor zu führen, werde eine enorme Herausforderung, so Wels-Maug. Kürzlich erst habe die EU eine Abkühlung des wirtschaftlichen Klimas in Europa veröffentlicht. Und die Geschäfte von SIS und Siemens sind nach wie vor sehr Europa-lastig.