Computer sind unverzichtbar, um während eines Formel 1-Rennens Messdaten des Fahrzeugs auszuwerten. Doch mindestens genauso bedeutend ist die Rolle der IT in der Entwicklungs- und Testphase des Wagens. Dazu zählen Simulationssoftware, Supercomputer und computergesteuerte Prüfstände. “Wir leben heute in einer digitalen Welt, und in der Formel 1 gehen wir bis an die Grenzen der Simulationstechnik und Rechnerkapazitäten, um wirklich voll zu verstehen, wo noch Leistungsreserven für die Zukunft liegen. Wir testen zwar nach wie vor auf der Strecke und im Windkanal, normalerweise ist der Bereich, den wir uns ansehen, aber durch Computersimulationen vordefiniert“, erläutert John Howett, Präsident des Toyota-Teams, die Bedeutung der IT im Rennsport.
12.000 Einzelteile und 35.000 Designstunden
Ein Rennwagen besteht aus zirka 10.000 bis 12.000 Einzelteilen - allein der Motor setzt sich aus 5.000 Bauteilen zusammen. Daraus einen Formel-1-Boliden zu fabrizieren, der es mit der Weltspitze aufnehmen kann, braucht Zeit. Das Konstruktionsbüro des Teams AT&T Williams beispielsweise benötigt nach eigener Aussage an die 35.000 Designstunden, um ein Rennauto zu entwerfen. Für den AT&T-Williams-Flitzer „FW30“ entstanden an die 4.500 Zeichnungen. Pro Jahr werden für das Fahrzeug rund 200.000 Teile produziert.
CAD - Computer Aided Design
Viele dieser Teile entstehen an CAD-Workstations (Computer Aided Design), da sich so Zeit und Geld sparen lässt. Beim Rennstall BMW Sauber heißt das Zauberwort „Rapid Prototyping“. Damit setzen die Fahrzeugentwickler neue Ideen um und bereiten Konstruktionsvorgänge von Fahrzeugteilen sowie die Herstellung notwendiger Werkzeuge vor. Einerseits müssen die Entwürfe durchdacht sein, um dem Fahrer Vorteile auf der Rennpiste zu verschaffen, andererseits ist immer Eile geboten, um schnell auf Probleme beim Hochleistungsfahrzeug reagieren zu können.
Computergestützte Fertigung
Zu den Hauptmaterialien eines Rennautos zählen Kohlefasern (außer eben Motor, Getriebe und Radträger). Der Herstellungsprozess eines Kohlefaserteils beinhaltet mehrere Schritte. Zuerst wird das Bauteil am Computer mittels CAD konstruiert. Anschließend werden diese Daten bearbeitet und dienen als Basis für die computergesteuerte Produktion (CAM, Computer Aided Manufacturing).
Eine Fünfachfräse erstellt die entsprechende Form. Aus einem „Tooling Block“ entsteht so eine Positiv-Form. Auf diesen Block legen die Laminateure die exakt zugeschnittenen Kohlefaserstücke. Dann packen sie das Ganze in einen Plastikbeutel, vakuumisieren das Material und backen zehn bis 20 Stunden bei einer Temperatur von rund 50 Grad Celsius. Anschließend erhält die so entstandene Negativ-Form den Feinschliff und ist bereit für die Herstellung des eigentlichen Kohlefaserbauteils.
Simulation der Aerodynamik
Während die Rennwagenkonstrukteure noch vor wenigen Jahren die meiste Entwicklungszeit beim Testen der Monocoque-Chassis in den Windkanälen verbrachten, setzen sie heute vermehrt auf computergestützte Strömungssimulation (Computational Fluid Dynamics, kurz CFD).
„Die Aerodynamik beeinflusst maßgeblich die Performance moderner Formel-1-Fahrzeuge. Dabei ergänzen sich die experimentelle Arbeit im Windkanal und die computergestützte Strömungssimulation“, erklärt Mario Theissen, Direktor von BMW Motorsport. Als eines der ersten Teams entschied man sich bei BMW Sauber, keinen zweiten Windkanal zu bauen, sondern die Rechnerkapazität für die Simulation auszubauen.
Supercomputer rechnet mit 1024 CPU-Kernen
Zu diesem Zweck schaffte das Rennteam ein neues Superhirn an. „Albert 2“ belegte zum Zeitpunkt seiner Einführung Ende 2006 auf der Top-500-Liste der leistungsfähigsten Supercomputer den 60. Platz. Albert 2 basiert auf Intel-Technik und verfügte vor eineinhalb Jahren über 256 Knoten und 1024 Prozessorkerne. Inzwischen dürften diese Daten überholt sein. Aktuelle Zahlen und Fakten über den Hochleistungsrechner teilt BMW Motorsport „aus Wettbewerbsgründen“ nicht mit. Aber man darf davon ausgehen, dass sich die damalige Rechenleistung von 12.288 GFlops (12.288.000.000.000 Rechenoperationen pro Sekunde) mittels der inzwischen verfügbaren Quad-Core-Prozessoren zumindest verdoppelt haben dürfte.
Simulationsrechner Albert 2 wiegt 21 Tonnen
Die Architektur des Supercomputers wurde vom Schweizer Unternehmen Dalco entwickelt. Die Experten legten das Hauptaugenmerk auf hohe Effizienz und optimale Skalierung (Aufteilung der Operationen ohne Leistungsverlust auf viele Prozessoren).
Die Software für Strömungsberechnungen liefert die deutsche Niederlassung der amerikanischen Firma Fluent Inc. (seit Mitte 2006 eine Tochter von Ansys Inc.). Fluent-Spezialisten arbeiten bereits seit mehreren Jahren mit den auf Computational Fluid Dynamics spezialisierten Ingenieuren am BWM-Sauber-Standort Hinwil in der Schweiz zusammen.
Untergebracht sind die Intel-Prozessoren in High Density Racks. Diese vereinen Stromversorgung, Kühlung und Umgebungsüberwachung in einer optimierten Rack-Konstruktion. Der Supercomputer besteht aus insgesamt zehn Racks, die je einen Meter breit, einen Meter tief und zwischen 1,20 und 2,30 Meter hoch sind. So ein Riese braucht Platz: Albert 2 erstreckt sich über eine Gesamtlänge von zehn Metern und wiegt 21 Tonnen.
Auf den virtuellen Strömungs-Check folgt der Windkanal
Am Supercomputer simulieren Experten, wie sich ein spezielles Fahrzeugteil im Luftstrom verhält und wie es sich auf das komplette Fahrzeug auswirkt. Jeder für die Aerodynamik relevante Baustein eines Formel
1-Rennwagens muss vor dem Einbau den virtuellen Test durchlaufen. Dabei werden numerische Gitternetz-Modelle verwendet, die oft aus mehr als 100 Millionen Zellen bestehen.
CFD spielt insbesondere eine wichtige Rolle bei Front-, Heck- und Zusatzflügeln sowie bei der Motor- und Bremsenkühlung. Hat ein solches Teil die Simulationstests bestanden, wird es am verkleinerten Modell des originalen Rennwagens im Windkanal weitergetestet. Erst wenn der Probelauf am Minirennwagen erfolgreich absolviert ist, bauen Mechaniker die neuen Teile beim großen Bruder ein.
Motoren auf dem Prüfstand
Auf viel Computertechnik greifen die Formel 1-Techniker auch beim Testen von Motoren, Getrieben und Stoßdämpfern zurück. Auf Fahrwerksprüfständen finden die Experten heraus, wie sie die Federn der Stoßdämpfer einstellen müssen. Der im Fachjargon als „Seven-Post-Rig“ (Siebenstempelanlage) genannte Prüfstand wird hierzu mit Daten gefüttert, die das Team während früherer Rennen und Testfahrten gesammelt hat. Mit Hilfe dieser Konfiguration schüttelt die Anlage das Auto in einer Simulation genauso durch, wie es der Rennpilot während der Arbeit erlebt. Auf die Erkenntnisse dieser Tests ist das Entwicklungsteam angewiesen, denn durch Feinjustierung der Aufhängungs- und Stoßdämpfereinstellungen lassen sich unter Umständen später ein paar Millisekunden auf der Rennstrecke gewinnen.
Hunderte Kilometer auf dem Prüfstand
Für den Motor eines Formel-1-Rennwagens haben die Entwicklungsingenieure einen speziellen Hightech-Prüfstand entwickelt. Das Aggregat absolviert dabei quasi ein Rennen im Labor. Mehrere hundert Kilometer legt die Maschine dabei in unterschiedlichen Gängen und Drehzahlen zurück, ohne sich auch nur einen Millimeter vom Fleck zu bewegen. Vor jedem Rennen müssen die Triebwerke diese Prozedur absolvieren, da die Motorexperten sie für jeden Wettkampf individuell anpassen.
Benzin mixen am Rechner
Mit Simulation und virtueller Realität arbeiten auch die großen Mineralölkonzerne, die im Formel-1-Betrieb mitmischen. Mit Hilfe von Computertechnik können Spezialisten virtuell die Benzinbestandteile mixen und den Kraftstoff sogar verbrennen lassen, ohne tatsächlich den wertvollen Treibstoff herstellen zu müssen. Beispielsweise arbeiten Ferrari und Shell eng zusammen, um das Benzingemisch genau an die Aggregate anzupassen. Bei der Entwicklung neuen Benzins soll Shell darüber hinaus einen Einspritz-Prüfstand einsetzen. Hier wird das Einspritzen des Benzins in den Motor simuliert.